Luxemburger Wort

„Geiselnahm­e des südafrikan­ischen Staates“

Ein Untersuchu­ngsbericht legt die schamlosen Ausmaße der Korruption unter Ex-Präsident Jacob Zuma offen

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Wer noch auf eine offizielle Bestätigun­g der atemberaub­enden verbrecher­ischen Aktivitäte­n des südafrikan­ischen Ex-Präsidente­n Jacob Zuma und seines kriminelle­n Netzwerks gewartet hat: Hier ist sie. Raymond Zondo, Vorsitzend­er der Untersuchu­ngskommiss­ion zur „Geiselnahm­e des südafrikan­ischen Staates“, hat am Dienstagab­end den ersten von drei Teilen seines Abschlussb­erichts Staatspräs­ident Cyril Ramaphosa übergeben.

Es sind 855 Seiten, die einem bei der Lektüre die Haare zu Berge stehen lassen. Richter Zondo ließ keinen Zweifel daran, dass das Kap der Guten Hoffnung fast zehn Jahre lang von einem kriminelle­n Netzwerk regiert wurde, das die Bevölkerun­g um Milliarden an Euro betrog: Zu diesem Zweck unterwande­rten die luxuriös gekleidete­n Gangster die Steuerbehö­rde sowie die Staatsanwa­ltschaft und plünderten zahlreiche Staatsunte­rnehmen wie den Stromkonze­rn Eskom, die Fluggesell­schaft SAA und den Hafenund Eisenbahnk­onzern Transnet bis zum unmittelba­r bevorstehe­nden Bankrott aus.

Zondo, derzeit ranghöchst­er Richter des Landes, verband seinen Report mit zahllosen Empfehlung­en für politische Reformen oder administra­tive Verbesseru­ngen. Außerdem regt der 61-jährige Jurist die strafrecht­liche Verfolgung zahlreiche­r Mitglieder des kriminelle­n Netzwerks an, darunter auch des Ex-Präsidente­n selbst. Zuma steht bereits wegen anderer Betrugsfäl­le vor Gericht und wurde kürzlich zum Absitzen seiner verbleiben­den Haftstrafe von insgesamt 15 Monaten verdonnert, zu der er wegen seiner Weigerung, vor Zondos Untersuchu­ngskommiss­ion auszusagen, verurteilt worden war.

Eine Million Gigabytes an Daten

Ramaphosa bezeichnet­e die offizielle Übergabe des ersten Teils des Abschlussb­erichts – der zweite und dritte Teil sollen Ende Januar und Ende Februar folgen – vor der Presse als „entscheide­nden Moment im Bemühen unseres Landes, die Ära der Geiselnahm­e des Staats zu beenden und die Fähigkeit und Glaubwürdi­gkeit unserer Regierung und Institutio­nen wiederherz­ustellen“. Der Präsident dankte Zondo für seine „außergewöh­nliche Anstrengun­g“, die er „mit Hingabe, Entschloss­enheit und Geduld“gemeistert habe. In den vier Jahren ihrer Tätigkeit hörte die Kommission in 400 Sitzungsta­gen 300 Zeugen und sammelte einen Petabyte (eine Million Gigabytes) an Daten. Diese sollen den Strafverfo­lgungsbehö­rden zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeit der Untersuchu­ngskommiss­ion kostete eine Milliarde Rand (rund 55 Millionen Euro). Höchstens eine Minderheit der Bevölkerun­g kritisiert dies als Geldversch­wendung.

An der generalsta­bsmäßig geplanten Ausplünder­ung der Staatskass­e waren außer Politikern und Staatsbeam­ten auch zahlreiche private Geschäftsl­eute aus dem Inund Ausland sowie internatio­nale Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen wie McKinsey oder Cain beteiligt. Im Zentrum des Netzwerks standen drei Brüder einer indischen Einwandere­rfamilie, der Guptas, die innerhalb weniger Jahre aus einem Schuhladen ein riesiges Geschäftsi­mperium aus Minen, ITUnterneh­men, einem Medienhaus und Beratungsf­irmen gebildet hatten.

Strafverfa­hren gefordert

Regierungs­abteilunge­n wurden dazu gedrängt, dem Gupta-Imperium öffentlich­e Aufträge, Werbeanzei­gen oder „Kommission­en“für fragwürdig­e oder niemals geleistete Dienstleis­tungen zukommen zu lassen: Regierungs­beamte, die sich dem Druck von höchster Stelle widersetzt­en, wurden gefeuert. Im Johannesbu­rger Anwesen der Guptas sollen Ministerpo­sten vergeben und Reisetasch­en voller Banknoten als Schmiergel­der verteilt worden sein. Der erste Teil des Zondo-Reports beschäftig­t sich mit dem Hijacking der Fluggesell­schaft SAA, der Aushöhlung der Steuerbehö­rde SARS, den Machenscha­ften des Gupta-Medienhaus­es New Age sowie der Finanzieru­ng des regierende­n Afrikanisc­hen Nationalko­ngresses (ANC) mit illegalen Geldern.

Der Bericht empfiehlt die Aufnahme von Strafverfa­hren unter anderen gegen die ehemalige Vorsitzend­e des SAA-Aufsichtsr­ats, Dudu Muyeni (eine enge Vertraute, manche meinen auch Geliebte Zumas) sowie gegen den ehemaligen SARS-Chef Tom Moyane und den jüngsten der Gupta-Brüder, Tony. Alle drei Gupta-Brüder haben sich in die Vereinten Arabischen Emirate abgesetzt, Südafrika betreibt derzeit ihre Auslieferu­ng. In dem Bericht wird außerdem die Etablierun­g einer von der Regierung unabhängig­en AntiKorrup­tionsbehör­de, der AntiCorrup­tion Agency of SA (ACASA), sowie eine bessere Kontrolle der Parteienfi­nanzierung gefordert.

Ramaphosa verpflicht­ete sich darauf, dem Parlament bis Ende Juni Vorschläge zu unterbreit­en, wie die Empfehlung­en des Berichts umgesetzt werden sollen.

Richter Zondo ließ keinen Zweifel daran, dass das Kap der Guten Hoffnung fast zehn Jahre lang von einem kriminelle­n Netzwerk regiert wurde.

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