Auch bei Eida geht das Licht aus
Die Energiepreise explodieren – Viele Strom- und Gasanbieter in Europa straucheln
Erst musste der Luxemburger Ökoenergie-Anbieter Eida Mitte Dezember die Belieferung der Kunden mit Strom einstellen, jetzt auch die mit Gas. „Durch den Wegfall der Stromlieferung ist ein Weiterführen von Eida infrage gestellt, deshalb werden wir die Gaslieferungen auch bis zum 14. Januar einstellen“, sagt Paul Kauten, Geschäftsführer von Eida. Alle Verträge werden aufgelöst. Als nächsten Schritt bleiben wohl nur die Liquidation oder der Konkurs. Damit folgt das Unternehmen anderen Energieversorgern: In Belgien, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich gingen in den letzten Wochen bereits zahlreiche Stromanbieter pleite. Angesichts rasant steigender Preise konnten sie ihre Verträge nicht mehr erfüllen.
Der Hintergrund: Eidas Vorlieferant Anode Energie in den Niederlanden hat am 13. Dezember Konkurs angemeldet. Händeringend versuchte die in Beckerich ansässige Aktiengesellschaft daraufhin, einen Ersatz zu finden. Angesichts der stetig steigenden Preise vergebens – schon bald nach Anode sah sich Eida gezwungen, die Kunden darüber zu informieren, dass die Versorgung nicht mehr möglich ist. „Mit dem Konkurs gingen die Lieferverträge verloren. Durch die aktuell hohen Preise auf den Energiemärkten reichte die vorgesehene Absicherung nicht aus, um die Versorgung finanziell aufrecht zu halten“, erklärt Kauten. Damit die von Eida belieferten Haushalte weiterhin mit Strom versorgt werden, sprang – so wie das Gesetz es vorsieht – vorerst Enovos ein.
Zwar verfügt Eida noch über Liquidität – sie rettet aber nur über eine kurze Zeitspanne hinweg, und ein Ende der Turbulenzen auf dem Energiemarkt sind nicht abzusehen. Kostete die Megawattstunde (MWh) Strom im November 2020 durchschnittlich 41,04 Euro und die Megawattstunde Gas 13,75 Euro, so waren es im November 2021 mit 186,25 respektive 80,82 Euro bei Strom mehr als viermal und bei Gas sechsmal so viel.
Gaspreis verteuert den Strom
Im benachbarten Deutschland, wo man sich als Vorreiter bei der Energiewende sieht, sind in den letzten Wochen bereits mehrere Stromversorger pleitegegangen und haben die Belieferung ihrer Kunden eingestellt. In Frankreich ist es der Ökostromanbieter Hydroption, der bislang die Stadt Paris, den Staat und die französischen Armee versorgte. Eida-Geschäftsführer Kauten erklärt, was gerade am Strommarkt passiere, zeige, dass dieser Markt nicht mehr korrekt funktioniere. Derzeit ist der
Energiemarkt „ein Topf“mit gleichen Marktregeln und gleichen Preismechanismen – egal ob bei Gas aus Russland oder regenerativ erzeugtem Strom.
Angst vor dem Blackout
Die steigenden Preise haben vielfältige Ursachen wie eine allgemeine Nervosität auf dem Strommarkt, mehr Elektromobilität sowie Lieferengpässe bei Gas aus Russland.
Beobachter mutmaßen, dass das im Kalkül des Moskauer Kreml ist: die Gasproblematik als Druckmittel Putins, den Energiewandel in Europa zu bremsen. Kritiker haben Gazprom in den vergangenen Wochen mehrfach vorgeworfen, nicht auf die erhöhte europäische Nachfrage reagiert zu haben. Vermutet wurde, dass die russische Seite so eine rasche Inbetriebnahme der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 erzwingen wollte. Moskau weist das zurück und wirft vielmehr der EU vor, es versäumt zu haben, die Gasspeicher rechtzeitig wieder aufzufüllen. Im Dezember 2021 lagen die Speicherbestände der EU unter dem Mindestvolumen, das in den letzten fünf Jahren zu dieser Jahreszeit verzeichnet wurde.
Die Angst angesichts der Energiewende war schon immer, dass irgendwann nicht genug Strom vorhanden sein würde. Atomenergie steht in Deutschland ab diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung, da die letzten Meiler abgeschaltet werden, gleichzeitig sank die Erzeugung durch Windkraftanlagen im letzten Jahr deutlich, da weniger Wind wehte. Versichert wird indes, es sei genügend Strom vorhanden. „Vom Angebot her kommen die Schwierigkeiten nicht“, bestätigt Kauten. Die Erzeugung deckt den Bedarf – weil nach wie vor mit Kohle und Gas Strom erzeugt wird. Und das Gas ist einer der Hauptverursacher der rapiden Stromverteuerung. Europas Hauptlieferant Gazprom hatte zwar angekündigt, ab Dezember mehr liefern zu wollen, tat das bislang allerdings nicht. So hat der Preis für Gas in den letzten Monaten enorm zugelegt, und in Folge davon ebenso der Strompreis – auch hierzulande. Diese Marktmechanismen moniert Eida-Chef Kauten: Die einzige Antwort könne nur sein, „schleunigst die Energieversorgung
von fossilen Energielieferanten auf lokale regenerative Verbrauchererzeugung umzustellen.“Mit maximaler Eigenversorgung würden Verbraucher unabhängiger von den Marktmechanismen.
Sind es vor allem Ökostromlieferanten, die pleitegehen? Aus dem Energieministerium heißt es dazu: „Es gibt aktuell keinen Grund dafür anzunehmen, dass Ökostromlieferanten grundsätzlich stärker von Ausfällen betroffen sind als andere Anbieter.“Das Ausfallrisiko werde maßgeblich durch die Preisentwicklung, das Risikomanagement des Anbieters und die geschäftliche Situation der Vorlieferanten beeinflusst, „und ist prinzipiell nicht von den Energiequellen abhängig.“
Laut Daten der Thinktanks Ember und Agora Energiewende überholten in der EU 2020 zum ersten Mal erneuerbare Energien die fossilen Brennstoffe als wichtigste Stromquelle und erzeugten 38 Prozent der Elektrizität – fossile Brennstoffe 37 Prozent und Kernenergie 25 Prozent. 2020 ist der Energieverbrauch in der Union laut EU-Kommission aber auch insgesamt um knapp sechs Prozent zurückgegangen.
Weniger fossile Energie
Schweden deckte 2019 rund 56 Prozent seines Bruttoendenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien – der Spitzenwert in der EU; Luxemburg 7,0 Prozent, Deutschland 17,4 Prozent, Frankreich 17,2 Prozent. Die EU-Kommission möchte den Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch bis 2030 auf 40 Prozent steigern. Um das zu erreichen, müsste die regenerative Energiegewinnung deutlich ausgebaut werden. Forscher weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nützlicher wäre, den Ausbau von Solarkraftanlagen zu subventionieren statt den Kauf eines Elektroautos. So droht die Elektromobilität kurzfristig vor allem die Auslastung fossiler Kraftwerke zu erhöhen. Was die Energieverteuerung auch zeigt: angesichts wachsenden Strombedarfs ist vor allem Effizienzsteigerung nötig. Schätzungen von Energieexperten gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel der erzeugten Energie nicht einmal genutzt wird, sondern vorher schon verloren geht.
Daten für die EU für 2021 stehen noch aus, doch zumindest bei Europas größtem Stromproduzenten Deutschland, woher Luxemburg zum großen Teil seinen Strom importiert, ging der Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung wetterbedingt deutlich gegenüber 2020 zurück. In Luxemburg werden Haushalte, sowie die komplette Chargy Infrastruktur und die CFL zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt. „Natürlich wird heute der gesamte Strombedarf noch nicht zu 100 Prozent durch Ökostrom gedeckt“, erklärt das Energieministerium, „aber der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien, nicht nur in Luxemburg, geht in die richtige Richtung. Ökostrom wird dank eines gut integrierten europäischen Stromsystems auch über weite Distanzen bezogen und geliefert.“
Ökostrom werde in Europa vor allem durch Wind- und Solarenergie erzeugt, und beide Energiequellen ergänzten sich: „Während die Solarstromerzeugung im Sommer am höchsten ist, ist die Stromerzeugung aus Windkraft im Winter am höchsten.“Die Stromversorgung Luxemburgs, bekräftigt das Ministerium, sei gesichert: „Luxemburg ist Teil einer der sichersten Strommärkte der Welt und der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien, Intelligenz und Flexibilität im System (...) werden auch in Zukunft für eine sichere Stromversorgung sorgen.“
Fest steht, ein Ende der steigenden Preise ist vorerst nicht in Sicht. Die Weltbank erwartet erst im zweiten Halbjahr 2022 eine Entspannung.
Die Stromversorgung Luxemburgs ist gesichert. Ministère de l’Énergie