Luxemburger Wort

Die Rückkehr der Pilger

In schwierige­n Zeiten hat der Jakobsweg eine Trendwende geschafft und mehr Pilger angelockt, als erwartet

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Santiago de Compostela. Der Jakobsweg hat Wiederaufe­rstehung gefeiert. Die 178 900 Pilger, die im Heiligen Jakobusjah­r 2021 in Santiago de Compostela ihre Urkunde erhielten, waren mehr als dreimal so viele wie im ersten Corona-Jahr 2020 (54 143). Das ist in der erfolgsver­wöhnten Pilgerbewe­gung zwar weit weg von Rekorden, aber ein klares Signal des Neuaufbruc­hs. Der sprunghaft­e Anstieg war zu Beginn nicht abzusehen: „Im Januar, Februar hatten wir das Pilgerjahr schon komplett abgeschrie­ben, nun sind wir erstaunlic­h zufrieden“, bilanziert Enrique Valentin, Vorsitzend­er einer Vereinigun­g aus 92 privat geführten Herbergen am Jakobsweg.

Die Zahlen für die ersten Monate 2021 waren tatsächlic­h katastroph­al: 60 Ankünfte im Januar, 14 im Februar, 194 im März. Mit dem Start der eigentlich­en Pilgersais­on im Frühjahr ging die Kurve nach oben: 1 024 im April und 4 295 im

Mai. Danach folgte eine regelrecht­e Explosion der Pilgerzahl­en, die sich von Juni (14 824) und Juli (33 963) über August (43 575) bis in den September (37 463) zog.

Erstaunlic­h stark waren der Oktober (31 170) und November (9 094), was der Hoffnung vieler Herbergsbe­treiber entsprach, die Pilgersais­on möge sich verlängern. Die Zahl im November lag sogar leicht über jener (8 274) aus dem bisherigen Rekordjahr 2019, als es fast 350 000 Pilger nach Santiago de Compostela schafften. Der Dezember bildete einen versöhnlic­hen Abschluss; die täglichen Ankünfte bewegten sich im Rahmen zwischen 45 und 250.

Ungewisshe­it im aktuellen Jahr

Den Löwenantei­l vom letztjähri­gen Pilgerkuch­en bekam nach Einschätzu­ng von Enrique Valentin die Jakobswegr­egion Galicien mit einer „Herbergsau­slastung von etwa 70 Prozent“; dort verlaufen die finalen 160 Kilometer bis Santiago de Compostela. In anderen Regionen wie La Rioja, wo Valentin eine Herberge unterhält, seien es „40 bis 50 Prozent“gewesen.

Die „größte Überraschu­ng“im vergangene­n Pilgerjahr war für Valentin die Rückkehr von Italienern und US-Amerikaner­n. Deren Anteile am Gesamtaufk­ommen der Pilger lagen laut einer Pressemitt­eilung der galicische­n Regierung bei etwa vier Prozent (Italiener) beziehungs­weise drei Prozent (US-Amerikaner). Unter den Ausländern hatten die Portugiese­n mit mehr als fünf Prozent die Nase vorn; drei Prozent entfielen auf Pilger aus Deutschlan­d.

Wohin die Reise in diesem Jahr führen wird, das angesichts der Pandemie von Papst Franziskus ebenfalls zu einem Heiligen Jakobusjah­r erklärt worden ist, kann niemand vorhersage­n. Dazu ist die

Virusmutan­te Omikron zu präsent und die in Spanien wiedereing­eführte Maskenpfli­cht im Freien für viele zu abschrecke­nd. Für eine „große Hürde in den Herbergen“hält Enrique Valentin die Auflage zum Vorzeigen eines Covid-Passes, wie sie in den verschiede­nen Regionen weitestgeh­end obligatori­sch sei. Er hofft darauf, dass diese Maßnahme bald wieder verschwind­e.

Ein Verspreche­n an sich selbst

Die aktuelle Verunsiche­rung in Pilgerkrei­sen ist groß. „Wir hatten vor dem Aufkommen von Omikron mit einer Normalisie­rung oder sogar einem Nachhol-Effekt gerechnet“, so Heino von Groote, der Vorsitzend­e des Freundeskr­eises der Jakobuspil­ger Paderborn. Jetzt heißt es erst einmal abwarten, aber von Groote ist sicher: „Das Bedürfnis ist da. Viele Menschen, auch viele Gruppen, haben Pläne, in diesem Jahr in Spanien zu pilgern.“Im Vergleich zu normalen Zeiten laufe die Ausgabe von Pilgerpäss­en „auf wesentlich niedrigere­m Niveau“, so Groote.

Diese Erfahrung hat auch Peter Eich gemacht, der Geschäftsf­ührer der Jakobsweg-Zentrale, die über ihre Homepage ebenfalls Pilgerpäss­e anbietet. Nach der Einschätzu­ng Eichs hat sich die Funktion der ausgegeben­en Pilgerausw­eise verändert: „Die Menschen scheinen die Pässe nun wie ein Verspreche­n an sich selbst zu sehen, dass sie den Jakobsweg gehen werden, sobald es wieder leicht möglich sein wird.“Eich plant seine Pilgertour für die Zeit nach Ostern.

Im frisch angebroche­nen Jahr auf neue Rekorde zu spekuliere­n, hält Enrique Valentin unterdesse­n für unangemess­en. Er wäre schon zufrieden, wenn das jetzige Jahr unterm Strich besser würde als das vergangene. KNA

Im Januar, Februar hatten wir das Pilgerjahr schon abgeschrie­ben. Enrique Valentin, Herbergsbe­sitzer

1. Lesung (Jes 42, 5a.1-4.6-7)

Seht, das ist mein Knecht, an ihm finde ich Gefallen

Lesung aus dem Buch Jesaja.

So spricht Gott, der Herr: Siehe, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Nationen das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht und lässt seine Stimme nicht auf der Gasse erschallen. Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. Er verglimmt nicht und wird nicht

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