Masken helfen auch gegen Grippe
Der Allgemeinmediziner Dr. Jean-Paul Schwartz erklärt, warum die Grippesaison ausbleibt
Luxemburg. Die Grippesaison 2021/22 ist noch nicht in Sichtweite. „Bei der Influenza ist es sehr ruhig im Moment“, bestätigt Dr. JeanPaul Schwartz im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. „Deutlich ruhiger als in den Jahren vor Corona.“Er befürchtet keine starke Grippewelle in dieser Saison.
Das Influenzavirus ist aber nicht ausgerottet. Die WHO konnte das Virus in Russland und in den Skandinavischen Ländern nachweisen, im Westen Europas gibt es aber praktisch keine Grippefälle. Mit dem Aufkommen des Coronavirus ist das Influenzavirus aus Luxemburg nahezu verschwunden. „Seit zwei Jahren hat es keine Todesfälle mehr gegeben, die auf die Influenza zurückgehen“, bestätigt der Arzt.
Influenza und Corona
„In meiner Praxis hat es bis jetzt nur einen Patienten gegeben, bei dem der Influenzatest positiv war“, sagt der Allgemeinmediziner. Die Person reiste aus Osteuropa an und trug neben dem Influenzavirus auch das Coronavirus in sich. „Die normal gesunde Person zeigte keine schweren Symptome“, beruhigt der Doktor. Der Fall war glimpflich verlaufen.
Das Ausbleiben der Influenza habe zwei Gründe. „Das Wetter spielt auch eine Rolle“, erklärt Jean-Paul Schwartz. In diesem Winter gab es Temperaturen von teilweise über 15 Grad. Das Influenzavirus mag es aber deutlich kälter. „Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen, wird die Nasenschleimhaut weniger gut durchblutet und bietet dem Influenzavirus weniger Widerstand“, erklärt der Mediziner. Bei dem aktuellen Wetter hätte das Virus weniger Chance, sich auszubreiten.
Die milden Temperaturen erklären das Ausbleiben der Grippe jedoch nicht ganz. „Die Barrieregesten gegen das Coronavirus helfen bei Influenzaviren besonders gut“, sagt Dr. Schwartz. Vor allen die Masken würden die Ausbreitung der Grippe sehr effektiv verhindern. „Die Grippe wird durch Tröpfchen übertragen, Covid über Aerosole“, erklärt Jean-Paul Schwartz. Da Erstere deutlich größer sind, lassen sie sich leichter aus der Atemluft filtern. „Zudem fallen die Tröpfchen schneller zu Boden und verbleiben nicht so lange in der Luft.“
Im Gegensatz zu Covid lässt sich eine Influenzagrippe mittlerweile gut behandeln. Drei Medikamente seien bereits zugelassen, darunter Ozeltamivir (Tamiflu). Diese würden, wenn sie rechtzeitig eingesetzt werden, einen positiven Verlauf auf die Krankheit haben. Die Mittel könnten aber auch eingesetzt werden, um Infektionsketten zu brechen. „Als in einem Altenheim die Grippe ausgebrochen war und alle Bewohner mit dem antiviralen Medikament behandelt wurden, war der Ausbruch augenblicklich zu Ende“, erinnert sich Dr. Schwartz an vergangene Grippesaisons. Wenn der Impfstoff für die saisonale Grippe nicht so gut wirkt wie erhofft, sei es gut, auf solche Medikamente zurückgreifen zu können.
„Das Influenzavirus hat zwei unterschiedliche Oberflächenproteine, das Hämagglutinin und die Neuraminidase, H und N“, erklärt Dr. Schwartz. Aus diesen Proteinen können 144 unterschiedliche Kombinationen hervorgehen, die für den Menschen eine Rolle spielen. So gibt es die Vogelgrippe H5N1 oder die Schweinegrippe H1N1.
Im September wurde bei einem luxemburgischen Geflügelhalter ein Tier gefunden, das sich mit einer Vogelgrippe infiziert hatte. Jean-Paul Schwartz schätzt das Risiko, dass sich das Virus von dem Tier auf den Menschen übertragen könnte, als sehr gering ein. Die Vogelgrippe müsse aber immer ernst genommen und die Gefahr ausgebremst werden.
In Asien sind die Lebensverhältnisse oft so, dass Menschen zusammen mit Schweinen und Geflügel leben. „Das Schwein ist eine Art Laboratorium für neue Grippeviren“, meint der Arzt. Vögel bringen das Virus zum Schwein und später wird es auf den Menschen in einer neuen mutierten Form übertragen. „So entstehen immer wieder neue Influenzastämme“, erklärt Dr Schwartz. Auch die Pandemie der Schweinegrippe H1N1 im Jahr 2009 sei so entstanden. „Von 100 Infizierten waren damals 60 bis 65 Personen gestorben“, erinnert sich der Doktor.
Unterschiedliche Kombinationen
Gegen die saisonale Grippe gibt es seit Jahrzehnten gut verträgliche Impfstoffe. Jeden Herbst kann man sich für die anstehende Grippesaison impfen lassen, denn Winterzeit ist Grippezeit. Das gilt für die Nordhalbkugel genau so wie für die Südhalbkugel. Die Grippesaison im Norden beginnt, wenn die im Süden zu Ende geht. „Reisende und Zugvögel bringen die Influenza in den Norden“, erklärt der Arzt.
„Deshalb kennen wir den Influenzastamm auch lange vor dem Beginn der Grippesaison und können den Impfstoff darauf einstellen“, sagt er. In dieser Saison sei die Südhalbkugel zudem von der Grippe verschont geblieben, das stimmt den Mediziner für den Verlauf im Norden zuversichtlich.
Wenn im April/Mai das saisonale Virus bekannt ist, braucht die Produktion sechs Monate, ehe die Impfstoffdosen in den Apotheken ankommen. Nach einem Pieks ist man dann gegen vier unterschiedliche Influenzastämme geschützt.
„In diesem Jahr ist genügend Impfstoff vorhanden“, sagt der Arzt. Es sei auch noch Zeit, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Dr. Schwartz rät Personen über 65, Risikopatienten und schwangeren Frauen zur Grippeimpfung. Denn eine „einfache Grippe“kann auch zu Komplikationen führen.
Seit zwei Jahren ist in Luxemburg niemand an der Grippe gestorben. Dr. Jean-Paul Schwartz