Tradition mit Beigeschmack
In England wird derzeit mal wieder über die eigentlich verbotene Fuchsjagd gestritten
London. Die Emotionen kochen in englischen Dörfern hoch, der Ton wird rauer. „Jagdabschaum ist das wahre Ungeziefer“: Mit drastischen Worten protestierte eine Frau im mittelenglischen Örtchen Melton Mowbray gegen die traditionelle Neujahrsjagd. Dutzende brüllten Reitern „Schande“entgegen, als sie hoch zu Ross zum traditionellen „Quorn Hunt“aufbrachen. Im westenglischen Dorf Lacock prügelten sich nach Weihnachten sogar Gegner und Befürworter der Jagd.
Künstliche Spur
Die hitzige Atmosphäre irritiert auf den ersten Blick. Denn seit 2005 sind Hetzjagden auf lebende Tiere in England illegal. Die Jäger haben also keine Füchse im Visier. Stattdessen halten sie ihre Traditionen hoch, indem sie ihre Hunde einer künstlichen Geruchsspur hinterherhetzen lassen. Doch Kritiker, etwa von der Tierschutzorganisation League Against Cruel
Hundemeute und Demonstranten: In Melton Mowbray trafen Anfang des Jahres Jäger auf Protestler.
Sports, werfen den Jägern vor, diese „Trail Hunts“zu missbrauchen, um unter dem Deckmantel der Legalität doch lebende Tiere zu jagen. Die „Spurenjagd“sei lediglich eine „Spur der Lügen“, die Jagd ein „brutaler Blutsport“. Denn vom künstlichen Fuchsgeruch angelockt, würden die Hunde allzu häufig vom Geruch echter Füchse abgelenkt und hetzten sie wie früher zu Tode.
Die Stimmung scheint insgesamt zu kippen. Ein symbolisch schwerer Schlag für die Jäger war es, als kürzlich die Mitglieder der Naturschutzorganisation National Trust, einer der größten Grundbesitzer des Landes, mit überwältigender Mehrheit für ein Jagdverbot auf ihren Ländereien stimmten. Zuvor hatte ein führendes Mitglied der Jagd-Lobby in internen Online-Seminaren, die später publik wurden, ziemlich offensichtlich „Trail Hunts“als Tarnung für illegale Hetzjagden beworben. Er musste 3 500 Pfund (4 200 Euro) Strafe zahlen, dazu kam der Glaubwürdigkeitsverlust.
Für Premierminister Boris Johnson ist das Thema delikat. Mehrere
Abgeordnete seiner Konservativen Partei aus ländlichen Gebieten gelten als Jagd-Unterstützer. Dennoch könnte es den Jägern bald an den Kragen gehen. Die Regierung kündigte an, die Strafen für illegale Hasenhetzjagden – „Hare Coursing“genannt – verschärfen zu wollen. Tierliebende Tory-Abgeordnete wollen zudem das neue Tierschutzgesetz, das derzeit im Parlament diskutiert wird, deutlich ausweiten und auch „Trail Hunting“unter Androhung von Haftstrafen verbieten.
Prominente Jagd-Gegnerin
Dafür haben sie prominente Unterstützung: Carrie Johnson, die Ehefrau des Premierministers, engagiert sich für die Tory-nahe Tierschutzorganisation Conservative Animal Welfare Foundation und hat die „Trail Hunts“offen kritisiert. „Ich habe mich sogar, als ich viel jünger war, dagegen eingesetzt, indem ich mich als Fuchs verkleidet habe.“dpa