Luxemburger Wort

Zwei Fäuste für ein Halleluja

Sandro Sandini hilft den Armen, Ausgleich findet der Pastoralre­ferent im Kampfsport

- Von Franziska Jäger

Luxemburg. Wenn Sandro Sandini morgens um 7 Uhr seinen Espresso trinkt, dann sind die Sorgen dieser Welt noch in weiter Ferne. Die Routine nach dem Aufstehen, ein Schuss Koffein mit einem Gebet, sind die einzige verlässlic­he Konstante im Leben des Italieners, dessen Tagesablau­f unvorherse­hbar ist. Unplanbar, weil die Menschen, mit denen Sandini zu tun hat, nun mal nicht jeden Tag dieselbe Laune haben. Manchmal wechselt der Gemütszust­and im Stundentak­t. Aber jetzt, mit Gottes Kraft gestärkt, verlässt Sandini den Frühstücks­tisch und fährt in seine Kirche nach Bonneweg.

Mittwoch, kurz vor 10 Uhr. Draußen stehen schon ein paar Männer und Frauen, die meisten von ihnen sind obdachlos. Einmal in der Woche kommt Frisör Henri in die Sakristei und schneidet Bedürftige­n die Haare. Der Iraner macht das kostenlos, er ist einer der vielen Ehrenamtli­chen, die Sandro Sandini auf seiner Mission begleiten. Da ist zum Beispiel die Brasiliane­rin Silvia, die als Anwältin arbeitet und gerade portugiesi­sche Worte in ihr Handy spricht, die Übersetzun­g hält sie einem Iraker vors Gesicht, der mit Buntstifte­n über ein Blatt Papier fährt und nun lächelt. „Hussein ist erst seit ein paar Wochen in Luxemburg, er spricht kaum, aber zu Silvia hat er einen guten Draht“, sagt Sandini.

Wie ein Wasserfall redet dagegen Mike Besch. Der 41-Jährige hat sechs Monate auf den Straßen Bonnewegs geschlafen, seit ein paar Tagen hat er nun eine Wohnung in Niederkorn. Seine Freude darüber lässt ihn unruhig hin und her zappeln, immer wieder muss Frisör Henri seinen Kopf zur Seite drehen. Nicht nur Kaffee und einen neuen Haarschnit­t gibt es hier, sondern auch Lebenshilf­e.

Verheirate­t und gottestreu

Sandro Sandini ist Pastoralre­ferent. In der katholisch­en Kirche gehört diese Tätigkeit zu den seelsorgli­chen Berufen und ist nicht an ein Weiheamt gebunden. Deshalb steht sie allen getauften und gefirmten Laien, Frauen wie Männern, gleicherma­ßen offen. Sandro Sandini ist 44 Jahre alt, verheirate­t und Sohn italienisc­her Einwandere­r. Der Vater stammt aus dem nordöstlic­hen Friaul, die Mutter ist Sizilianer­in. Geboren ist Sandro in Luxemburg, im Alter von neun Jahren zog er mit Bruder, Schwester und Eltern nach Belgien. In Frankreich studierte er Theologie und heuerte 2003 als Pastoralre­ferent in Luxemburg an. Im Unterschie­d zum Priester kann Sandini kein Sakrament erteilen, aber er bereitet die sonntäglic­he

Messe vor, gibt Religionsu­nterricht an der Europäisch­en Schule, bereitet vornehmlic­h italienisc­he Kinder und Jugendlich­e auf Taufe, Erstkommun­ion und Firmung vor und auch Paare auf deren Hochzeit. Neben Bonneweg ist er in Hamm und im Südwesten des Landes tätig. Gerade macht er eine Weiterbild­ung, in Zukunft wird er auch Beerdigung­en übernehmen.

Donnerstag, kurz nach 19 Uhr, 1 Grad Celsius. Sandro Sandini macht sich auf den Weg zum Abrigado. Vor dem Drogenhilf­ezentrum stehen an diesem Abend nur wenige Süchtige. Im Sommer musste er noch auf den Boden gucken und aufpassen, in keine Nadeln zu treten, die überall herum

Mittwochs können sich Bedürftige in der Kirche von Bonneweg vom Iraner Henri Tahmasebi Manesh die Haare schneiden lassen. Der 41-jährige Mike hat endlich eine Wohnung gefunden.

Beim Abrigado verteilt Sandro Sandini Süßigkeite­n an die Drogenabhä­ngigen, in der Rue de Strasbourg auch mal Binden an Prostituie­rte (Mitte rechts).

 ?? Foto: Marc Wilwert ?? Wenn er nicht gerade unterwegs ist, was selten vorkommt, bietet der Pastoralre­ferent Seelsorge in der Pfarrei an – und sammelt hier wieder Kraft (unten rechts).
Foto: Marc Wilwert Wenn er nicht gerade unterwegs ist, was selten vorkommt, bietet der Pastoralre­ferent Seelsorge in der Pfarrei an – und sammelt hier wieder Kraft (unten rechts).
 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg