Zwei Fäuste für ein Halleluja
Sandro Sandini hilft den Armen, Ausgleich findet der Pastoralreferent im Kampfsport
Luxemburg. Wenn Sandro Sandini morgens um 7 Uhr seinen Espresso trinkt, dann sind die Sorgen dieser Welt noch in weiter Ferne. Die Routine nach dem Aufstehen, ein Schuss Koffein mit einem Gebet, sind die einzige verlässliche Konstante im Leben des Italieners, dessen Tagesablauf unvorhersehbar ist. Unplanbar, weil die Menschen, mit denen Sandini zu tun hat, nun mal nicht jeden Tag dieselbe Laune haben. Manchmal wechselt der Gemütszustand im Stundentakt. Aber jetzt, mit Gottes Kraft gestärkt, verlässt Sandini den Frühstückstisch und fährt in seine Kirche nach Bonneweg.
Mittwoch, kurz vor 10 Uhr. Draußen stehen schon ein paar Männer und Frauen, die meisten von ihnen sind obdachlos. Einmal in der Woche kommt Frisör Henri in die Sakristei und schneidet Bedürftigen die Haare. Der Iraner macht das kostenlos, er ist einer der vielen Ehrenamtlichen, die Sandro Sandini auf seiner Mission begleiten. Da ist zum Beispiel die Brasilianerin Silvia, die als Anwältin arbeitet und gerade portugiesische Worte in ihr Handy spricht, die Übersetzung hält sie einem Iraker vors Gesicht, der mit Buntstiften über ein Blatt Papier fährt und nun lächelt. „Hussein ist erst seit ein paar Wochen in Luxemburg, er spricht kaum, aber zu Silvia hat er einen guten Draht“, sagt Sandini.
Wie ein Wasserfall redet dagegen Mike Besch. Der 41-Jährige hat sechs Monate auf den Straßen Bonnewegs geschlafen, seit ein paar Tagen hat er nun eine Wohnung in Niederkorn. Seine Freude darüber lässt ihn unruhig hin und her zappeln, immer wieder muss Frisör Henri seinen Kopf zur Seite drehen. Nicht nur Kaffee und einen neuen Haarschnitt gibt es hier, sondern auch Lebenshilfe.
Verheiratet und gottestreu
Sandro Sandini ist Pastoralreferent. In der katholischen Kirche gehört diese Tätigkeit zu den seelsorglichen Berufen und ist nicht an ein Weiheamt gebunden. Deshalb steht sie allen getauften und gefirmten Laien, Frauen wie Männern, gleichermaßen offen. Sandro Sandini ist 44 Jahre alt, verheiratet und Sohn italienischer Einwanderer. Der Vater stammt aus dem nordöstlichen Friaul, die Mutter ist Sizilianerin. Geboren ist Sandro in Luxemburg, im Alter von neun Jahren zog er mit Bruder, Schwester und Eltern nach Belgien. In Frankreich studierte er Theologie und heuerte 2003 als Pastoralreferent in Luxemburg an. Im Unterschied zum Priester kann Sandini kein Sakrament erteilen, aber er bereitet die sonntägliche
Messe vor, gibt Religionsunterricht an der Europäischen Schule, bereitet vornehmlich italienische Kinder und Jugendliche auf Taufe, Erstkommunion und Firmung vor und auch Paare auf deren Hochzeit. Neben Bonneweg ist er in Hamm und im Südwesten des Landes tätig. Gerade macht er eine Weiterbildung, in Zukunft wird er auch Beerdigungen übernehmen.
Donnerstag, kurz nach 19 Uhr, 1 Grad Celsius. Sandro Sandini macht sich auf den Weg zum Abrigado. Vor dem Drogenhilfezentrum stehen an diesem Abend nur wenige Süchtige. Im Sommer musste er noch auf den Boden gucken und aufpassen, in keine Nadeln zu treten, die überall herum
Mittwochs können sich Bedürftige in der Kirche von Bonneweg vom Iraner Henri Tahmasebi Manesh die Haare schneiden lassen. Der 41-jährige Mike hat endlich eine Wohnung gefunden.
Beim Abrigado verteilt Sandro Sandini Süßigkeiten an die Drogenabhängigen, in der Rue de Strasbourg auch mal Binden an Prostituierte (Mitte rechts).