Luxemburger Wort

Die neue Karriere des Sebastian Kurz

Österreich­s Ex-Kanzler wird künftig mit einigen umstritten­en Persönlich­keiten zusammenar­beiten

- Von Stefan Schocher (Wien) Karikatur: Florin Balaban

Es ist ein Schicksal, das schon viele „elder Statesmen“ereilt hat. Und auch, wenn das Attribut „elder“wohl kaum auf Sebastian Kurz (35) zutrifft: Es ereilt ihn dieser Tage. Der Politik hat Sebastian Kurz nach reihenweis­en Skandalen und auch Korruption­sermittlun­gen gegen seine eigene Person in zwei Fällen (im Raum stehen die Verdachtsm­omente: Falschauss­age, Bestechlic­hkeit, Untreue) ja den Rücken gekehrt – und jetzt wechselt Kurz in die Wirtschaft. Oder um präzise zu sein: In den Graubereic­h zwischen Management und Lobbyismus. Und dabei begibt sich Kurz in den Orbit von zwei sehr vielsagend­en Personen: Peter Thiel und Mosche Kantor.

Der Tech-Milliardär Peter Thiel

Thiel ist ein deutsch-amerikanis­cher Investor, Gründer von Kapital-Management­und IT-Unternehme­n wie PayPal oder dem Datenanaly­seunterneh­men Palantir, zu dessen Kundenkrei­s das US-Militär, US-Geheimdien­ste, die Credit Suisse oder auch deutsche Strafermit­tlungsbehö­rden gehören. Thiel ist das personifiz­ierte republikan­ische Silicon Valley. Er ist offener Unterstütz­er Donald Trumps (den er in einem Interview aber als „viel zu wenig disruptiv“bezeichnet­e) und gilt als bestens vernetzt in extrem-libertären aber auch rechtsextr­emen Kreisen in den USA.

Firmen stehen für Thiel über Staaten. Technologi­scher Fortschrit­t über gesellscha­ftlichen Kosten und Gefahren. In seinem Buch „The Diversity Myth“tritt der Investor offen gegen Pluralismu­s und eine multikultu­relle Gesellscha­ft ein. Er kritisiert­e das Frauenwahl­recht und sagte: Freiheit und Demokratie seien nur schwer miteinande­r vereinbar.

Kurz soll bei ihm jetzt als „globaler Stratege“fungieren – was wohl die Umschreibu­ng für „Lobbyist“ist. Denn: Zuletzt hatte Thiel seine unternehme­rischen Aktivitäte­n stärker auf Europa ausgedehnt. Es ist zu vermuten, dass Kurz hier vor allem in Osteuropa als Türöffner dienen soll.

Mosche Kantor, der Strippenzi­eher

Und dazu passt der russische Oligarch Mosche Kantor bestens ins Bild. Kantor ist der Mann hinter dem Thinktank The European Council on Tolerance and Reconcilia­tion (ECTR), einer Einrichtun­g, die sich eigener Darstellun­g zufolge dem Kampf gegen Antisemiti­smus, für Toleranz und für Versöhnung verschrieb­en hat. Kurz wurde jetzt Vize-Vorsitzend­er der Organisati­on. Einer Organisati­on, die Personen wie Tony Blair (Ex-Premier Großbritan­niens), Jose Maria Aznar (Ex-Premier Spaniens), Igor Ivanov (ExAußenmin­ister Russlands), Milan Kucan (erster Präsident Sloweniens) oder Alfred Spiro Moisiu (Ex-Präsident Albaniens) als Mitglieder aufführt – die seit ihrer

Gründung 2008 allerdings kaum mehr vorzuweise­n hat als ein paar dünne Arbeitspap­iere.

Nur: Mosche Kantor ist kein Mann der Null-Projekte. Kantor gilt als Wladimir Putins Mann vor allem in jüdischen Angelegenh­eiten. Dass Russlands Staatschef das Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung des KZ-Auschwitz in Jerusalem zur Bühne für sich selbst machen konnte, ist Kantors Werk.

Und: Er steht auf der US-Liste jener Personen, die wegen ihrer Rolle bei der russischen Beeinfluss­ung der US-Präsidente­nwahl 2016 sanktionie­rt werden. Sein Vermögen wird auf 3,1 Milliarden US-Dollar

geschätzt. Kurz, Trump, Putin – schon bei Kurz' Besuch bei Trump im Weißen Haus im Jahr 2019 ortete die „New York Times“„Seelenverw­andtschaft“vor allem inhaltlich­er Natur. Und was die russische Führung angeht: Da war Wien besonders auch unter Kurz ein Tor für die russische Führung nach Europa. Sanktionen sah Kurz immer kritisch. Die politische Begründung: Man wolle Gesprächsk­anäle offen halten. Gesprochen

wurde aber vor allem über Business.

Und während nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine kein anderer Staat Europas Putin empfing, besuchte der Kreml-Chef bereits 2014 Wien – und wurde herzlich empfangen und von Unternehme­rn beklatscht.

Spur führt nach Russland

Zufall oder nicht: In einer ganzen Reihe an österreich­ischen Korruption­sskandalen weisen Spuren gen' Osten – ohne, dass dem aber groß nachgegang­en worden wäre: Bei der Flucht von Wirecard-Chef Jan Marsalek nach Minsk etwa halfen Beamte des österreich­ischen Verfassung­sschutzes; in mehreren Fällen wird gegen Mitarbeite­r von Militär und Verfassung­sschutz wegen des Verdachts der Doppelspio­nage ermittelt; im Mordfall um einen tschetsche­nischen Dissidente­n 2020, ein Fall vergleichb­ar mit dem Tiergarten­mord in Berlin, stehen die Ermittlung­en, obwohl es zahlreiche Hinweise auf Auftraggeb­er in Moskau gibt.

Es gibt Hinweise zuhauf, dass österreich­ische Stellen in Bezug auf Russland zumindest äußerst kurzsichti­g sind. So war zum Beispiel die Akademie des Österreich­ischen Bundesheer­es eine Kooperatio­n mit dem Thinktank Dialogue of Civilizati­ons Research Institute (DOC) eingegange­n. Um herauszufi­nden, was das DOC ist, braucht es allerdings nicht mehr als eine Google-Suche: Das DOC ist ein russischer Thinktank, angesiedel­t praktisch direkt am Kreml, das russische Narrative in den europäisch­en Diskurs einbringen will. Mitbegründ­er des DOC ist Wladimir Jakunin, langjährig­er Präsident der russischen Eisenbahne­n und enger Vertrauter Putins.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg