Böse Erinnerung
Sechs Monate sind seit jenem Tag vergangen, als das Wasser plötzlich über die Schutzmauer schwappte und sich in rasender Geschwindigkeit über die ganze Straße breitmachte. Jene Straße, in der ich wohne und die eigentlich nicht als überschwemmungsgefährdet gilt. Doch aus einem kleinen Fließgewässerchen, in dem man üblicherweise die Steine am Grund mühelos sehen kann, war auf einmal ein tosender Fluss geworden. Rückblickend hatten wir Glück. Im Erdgeschoss befindet sich lediglich die Garage und das Wasser überraschte uns nicht in der Nacht, sondern am Vormittag. Demnach reichte es, um die Garage in einer Nachtund-Nebel-Aktion freizuräumen. Nachdem sich das Wasser
Auf einmal war die Erinnerung wieder da.
zurückgezogen hatte, musste lediglich eine Schlammschicht beseitigt werden. Es bleiben Erinnerungen, von denen ich eigentlich dachte, dass sie fast vergessen wären. Dass dem nicht so ist, musste ich jüngst erleben. Als es zuletzt etwas heftiger regnete, bekam ich am späten Nachmittag eine Textnachricht des sms2citizen-Dientes. „Alerte d’inondations“stand darin, und auch in den sozialen Medien war von einem Überschwemmungsrisiko die Rede. Man solle wachsam bleiben und die Pegel im Auge behalten. Auf einmal war die Erinnerung wieder da. Und die Warnung scheint sich tief in mein Unterbewusstsein gegraben zu haben. Und so wachte ich in der folgenden Nacht geschätzt 100 Mal auf, schaute auf dem Handy den Stand der Pegel nach und warf sicherheitshalber noch einen Blick durchs Fenster auf den Fluss. Zum Glück blieb das Wasserniveau weit unter der Schutzmauer zurück. Dennoch fühlte ich mich am Tag danach wie früher nach einer durchzechten Nacht. Anders als damals dauern die Nachwirkungen jener Nacht jedoch bis heute an. Denn künftig wird mich bei Starkregen wohl stets das ungute Gefühl begleiten, zu nahe am Fluss zu wohnen. An allen anderen Tagen kann ich aber den Ausblick auf ein schönes Fleckchen Natur genießen. Sophie