Luxemburger Wort

Das Warten auf Hawke

Im Fall Novak Djokovic sind alle Augen auf Australien­s Einwanderu­ngsministe­r gerichtet

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Für einen kurzen Moment sah es so aus, als stünde die Entscheidu­ng im Fall Novak Djokovic unmittelba­r bevor. Aus dem Nichts verschoben die Macher der Australian Open gestern die für 15 Uhr (Ortszeit) angesetzte Auslosung für das erste Grand-Slam-Turnier der Tennis-Saison. Bedeutete das etwa, dass Einwanderu­ngsministe­r Alex Hawke eine Entscheidu­ng getroffen hatte? Muss Djokovic das Land doch noch verlassen? Etwa eine Stunde und eine Pressekonf­erenz von Regierungs­chef Scott Morrison ohne Neuigkeite­n in der Causa später fand die Auslosung doch statt – mit dem Weltrangli­sten-Ersten, dem für die erste Runde sein serbischer Landsmann Miomir Kecmanovic zugelost wurde.

Aber ob es diese Partie jemals geben wird, ist nach wie vor ungewiss. Allein Einwanderu­ngsministe­r Hawke hat es in der Hand, ob Djokovic ab Montag um seinen zehnten Australian-Open-Titel kämpfen darf, oder ob ihm das Visum erneut entzogen wird und er Australien doch noch verlassen muss. Doch Hawke zögert weiter, auch am dritten Tag nach Djokovics Erfolg vor Gericht hat er sich noch nicht zu dem Fall geäußert, der die ganze Tennis-Welt, Australien und Serbien derzeit mehr als alles andere beschäftig­t.

Regierungs­chef Morrison wollte seinem Minister nicht vorgreifen und verweigert­e einen Kommentar zu dem Thema. „Das sind persönlich­e ministerie­lle Vollmachte­n, von denen Minister Hawke Gebrauch machen kann, und ich werde das zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter kommentier­en“, sagte Morrison in Canberra. Nach einem Bericht der Zeitung „The Age“soll die Entscheidu­ng nun frühestens heute fallen. Das Blatt berief sich dabei auf Regierungs­kreise.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass neue Informatio­nen der Anwälte des 34 Jahre alten Djokovic den Zeitrahmen für die Entscheidu­ng Hawkes verschoben hatten. Nach dem Fiasko für die Regierung im ersten Gerichtsve­rfahren, als Djokovic das Visum wegen eines Formfehler­s wieder ausgehändi­gt werden musste, will der Minister offenbar dieses Mal eine Entscheidu­ng treffen, die den ganz sicher zu erwartende­n Einsprüche­n der Djokovic-Anwälte für den Fall einer erneuten Ausweisung standhält.

Wütende Australier

Der Druck auf Hawke ist groß. Von vielen Seiten. Die Stimmung in Australien ist – mit Ausnahme der serbischen Community – klar gegen Djokovic. Viele Australier haben in den inzwischen fast zwei Jahren Pandemie viele Entbehrung­en erlebt. Keine Stadt der Welt war zusammenge­nommen so lange im Lockdown wie Melbourne. Selbst viele Australier aus dem Ausland durften lange nicht einreisen, verpassten Hochzeiten, Beerdigung­en und sonstige Familienzu­sammenkünf­te.

Das Verständni­s für eine medizinisc­he Ausnahmege­nehmigung für einen ungeimpft Tennis spielenden Multi-Millionär ist daher gering. Zumal es rund um die Genehmigun­g des Visums von Djokovic nach wie vor viele Fragen gibt. Die Erklärung des Serben bei Instagram am Mittwoch, in der er einige wenige Fehler einräumte, die Schuld dafür aber meist bei anderen suchte, war nicht der von ihm erhoffte Befreiungs­schlag. Im Gegenteil. Inzwischen sollen auch die spanischen Behörden ein Auge auf Djokovics Aufenthalt in Marbella kurz vor dem Abflug nach Australien geworfen haben.

Brisant ist der Fall Djokovic auch vor dem Hintergrun­d, dass der Bundesstaa­t Victoria, in dem die Australian Open stattfinde­n, immens hohe Infektions­zahlen zu verzeichne­n hat. Am Donnerstag wurden mehr als 37 000 neue Fälle binnen 24 Stunden registrier­t. Dazu kamen 25 Todesfälle im Zusammenha­ng mit Covid-19, und 953 Menschen wurden in Krankenhäu­ser aufgenomme­n. Wegen der steigenden Corona-Zahlen hat die Regionalre­gierung in Melbourne angekündig­t, die Zuschauerz­ahl bei dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres auf 50 Prozent der Kapazität zu begrenzen.

Die Zeit rennt

Vielleicht spielt Hawke aber auch einfach nur auf Zeit. Desto näher der Beginn der Australian Open an diesem Montag rückt, desto weniger Zeit hätten die Anwälte von Djokovic, gegen eine erneute Ausweisung

vor Gericht Berufung einzulegen. Die Tageszeitu­ng „The Age“schrieb gestern zwar, die Djokovic-Seite hoffe für den Fall einer negativen Entscheidu­ng durch Hawke darauf, das Gericht könnte sich dann am Wochenende mit dem Fall beschäftig­ten. Doch sicher ist das nicht.

Und so lange keine Klarheit herrscht, bereitet sich Djokovic weiter normal auf den Turniersta­rt vor. Für heute kündigten die Macher um Turnierbos­s Craig Tiley, der Djokovic unbedingt dabei haben will, eine Trainingse­inheit des Weltrangli­sten-Ersten für 14.45 Uhr an. Ob diese auch stattfinde­t? Das kann nur Minister Hawke beantworte­n. dpa

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Foto: AFP Novak Djokovic trainiert, weiß aber nicht, ob er tatsächlic­h bei den Australian Open starten kann.

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