Auf Hafenkurs
Verfassungsreform: nächste Abstimmungshürde am 25. Januar
„Das Schiff, das vor 15 Jahren aufbrach, kommt seinem Hafen näher“, wiederholt Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) seine Beschreibung vom Oktober 2021, um den langwierigen Prozess der Verfassungsreform zu skizzieren, der vor der nächsten wichtigen Etappe steht: Am 25. Januar wird Mars Di Bartolomeo (LSAP) die Eckpunkte des Kapitels zu Staatsform, Monarchie und Regierung vorstellen, das dann in erster Lesung angenommen werden soll.
Neu ist dabei, dass sämtliche Aspekte zum Staatschef in einem Teilkapitel zusammengefasst werden. In Artikel 32 wird der Großherzog ausdrücklich als Staatschef bezeichnet. Der neue Verfassungstext reflektiere die Rolle des Staatschefs, wie sie der Großherzog heute bereits ausfülle, so Di Bartolomeo. Zu den Anpassungen gehört, dass die Regentschaft durch die Verfassung geregelt wird; bis dato war der Familienpakt ausschlaggebend. Dem Staatschef stehen eine Verwaltung – die Maison du Grand-Duc – sowie finanzielle Zuwendungen zu (Artikel 42) und er bleibt, unter der Verantwortung der Regierung, Kommandant der Streitkräfte.
Die Regierung wiederum kann Auslandseinsätze der Armee bewilligen und eine Kriegserklärung aussprechen, in beiden Fällen ist die Zustimmung der Abgeordnetenkammer nötig.
Der „état de crise“, zuletzt im März 2020 mit Beginn der Pandemie ausgerufen, bleibt bestehen, aus Artikel 32.4 wird lediglich Artikel 36. Soll der Notstand über zehn Tage hinausreichen, bedarf es weiterhin einer parlamentarischen Zustimmung von zwei Drittel der Deputierten.
In den Absätzen zur Staatsform wird in Artikel 2 die parlamentarische Demokratie verankert. Als staatliche Symbole finden Sprache, Hymne, Wappen und Fahne
Einlass in den Verfassungsentwurf und die Beteiligung Luxemburgs an der europäischen Integration wird in Artikel 5 festgehalten. Luxemburg wird als Hauptstadt mit Sitz der nationalen Institutionen verankert (Artikel 8).
Artikel 102 beinhaltet die Trennung von Kirchen und Staat, so wie sie 2015 vereinbart wurde. Die Gemeinden erhalten in Artikel 105 die Zusicherung finanzieller Mittel, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, und in Artikel 110 werden die Berufskammern aufgenommen, als fester Bestandteil des luxemburgischen Sozialmodells.
Ist dieses Kapitel verabschiedet, sind die Grundrechte und freiheiten mit Simone Beissel (DP) als Berichterstatterin sowie Parlament und Staatsrat (Berichterstatter: Charles Margue, Déi Gréng) an der Reihe – verbunden mit der gestern geäußerten Erwartung, dass das Schiff bis zum Ende dieser Legislaturperiode im sicheren Hafenbecken vor Anker gehen kann.
Der Justizrat und die Verfassung
Und wie geht es beim Justiz-Kapitel weiter? Nachdem der Text am 20. Oktober 2021 in erster Lesung verabschiedet wurde, steht das zweite Votum noch aus. Nachdem in der Zwischenzeit zwei Referendumsvorstöße an der vorgeschriebenen Zahl an Unterstützern scheiterten, sind sich die vier großen Parteien einig, auf dem parlamentarischen Weg fortzufahren.
Auf diesem Weg muss nun noch eine wichtige Hürde genommen werden: Die Gesetzentwürfe, mit denen der Conseil national de la Justice – der Justizrat ist in der Verfassung verankert, benötigt aber noch eine gesetzliche Grundlage – geschaffen und das Statut der Magistrate definiert wird, müssen am Krautmarkt verabschiedet werden. Zurzeit liegen die Änderungsanträge zur neuerlichen Begutachtung beim Staatsrat. Wie Léon Gloden (CSV), Berichterstatter zum Justiz-Teil der Verfassung, erklärt, sollen die Gesetzesvorlagen und die zweite Lesung der JustizReform zusammen erfolgen. Anschließend bleiben sechs Monate, bis die Verfassungsbestimmungen in Kraft treten; in dieser Zeit soll der nationale Justizrat dann betriebsbereit sein.
Eine Broschüre für jeden Haushalt Parallel zur gesetzgeberischen Arbeit bemüht sich die Abgeordnetenkammer um eine angemessene Aufklärung der Bürger – oder, um es mit den Worten von Fernand Etgen zu sagen: „Den Bürgern erklären, was sich an Bord des Schiffes befindet.“So geht kommende Woche eine Broschüre an alle Haushalte, in der die einzelnen Kapitel der Verfassungsreform vorgestellt und die Anpassungen erläutert werden. Das 32seitige Dokument ist in luxemburgischer, deutscher und französischer Sprache verfasst und „nüchtern und neutral“gehalten, wie Mars Di Bartolomeo betont.
Daneben soll in den Schulen über das neue luxemburgische Grundgesetz aufgeklärt werden; diese Mission soll in Zusammenarbeit mit dem Zentrum fir politesch Bildung umgesetzt werden.
Den Vorwurf einer unzureichenden Einbindung der Bürger lässt Fernand Etgen nicht gelten. Das Reformpapier sei das Ergebnis eines „ganz langen Prozesses“, in den auch die Bevölkerung eingebunden gewesen sei. Als Beispiel nennt er die 2015 lancierte „Är Virschléi“-Initiative, durch die rund 130 Ideen eingingen, von denen einige zurückbehalten wurden, etwa die Rechte der Kinder.
Das Schiff, das vor 15 Jahren aufbrach, kommt seinem Hafen näher. Fernand Etgen, Chamberpräsident