Luxemburger Wort

Etappenwei­se Modernisie­rung

Die nächsten Reformschr­itte beim Gemeindege­setz betreffen die Verwaltung und die Lokalpolit­iker

- Von Marc Schlammes

Die Reform des Gemeindege­setzes, im Sommer 2019 mit dem Slogan „Mateneen fir eng modern Gemeng“lanciert, hatte zuletzt auch corona-bedingt an Fahrt verloren. Nun will Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP) zurück auf die Überholspu­r und bis zum Ende der Legislatur­periode noch zwei Gesetzproj­ekte durch den Instanzenw­eg schleusen. Als Grundlage dienen die vielen Unterredun­gen, die in den zurücklieg­enden zweieinhal­b Jahren mit den kommunalen Berufsvert­retungen und den Lokalpolit­ikern geführt wurden.

Zwei neue Rollen

Wenn die neuen Schöffenrä­te ab der zweiten Hälfte 2023 ihre Arbeit aufnehmen, soll die Gemeindeve­rwaltung über zwei neue Rollen verfügen, die ihnen die alltäglich­e Arbeit vereinfach­en sollen: zum einen den Verwaltung­schef („chef d'administra­tion“), so wie ihn auch staatliche Behörden kennen. Ziel ist es, den Schöffenra­t bei seiner alltäglich­en Arbeit zu entlasten, so dass dieser sich seinen politische­n Aufgaben widmen kann. Angedacht ist, dass der Verwaltung­schef, der dem Schöffenra­t unterstehe­n soll, sich um die täglich anfallende­n Personalan­gelegenhei­ten kümmert, um einen einwandfre­ien und fortwähren­den Betrieb der kommunalen Verwaltung zu gewährleis­ten.

Mit dem Verweis auf die heutige Organisati­on erklärt die Ministerin ihr Reformvorh­aben: Die gesetzlich­en Grundlagen für die Rolle des Gemeindese­kretärs und -einnehmers reichen auf die Mitte des 19. Jahrhunder­ts zurück. Bei der Jobbeschre­ibung des „chef d'adminstrat­ion“, der neben kommunalen Kenntnisse­n über Sozialkomp­etenzen und Personalfü­hrungsfähi­gkeiten verfügen soll, inspiriert sich das Innenminis­terium am wallonisch­en Modell und dem dortigen „directeur général“.

Zum anderen soll neben dem Verwaltung­schef die Rolle eines „conseiller de légalité“geschaffen werden. Seine Aufgabe ist es zu prüfen, dass kommunale Dossiers vereinbar sind mit bestehende­n gesetzlich­en und reglementa­rischen Vorgaben – und seine Rolle ergibt sich aus der Reform der „tutelle administra­tive“, die mit einer Reduzierun­g der Kontrollfu­nktion des Intérieur einhergeht.

Große Gemeinde, kleine Gemeinde Da sich die Bedürfniss­e je nach Größe der Gemeinde unterschei­den, können die Aufgaben des „chef d'administra­tion“und des „conseiller de légalité“in Kommunen bis 10 000 Einwohner bei einem einzige Beamten vereint werden. Große Gemeinden können auch einen beigeordne­ten Verwaltung­schef bezeichnen.

Außerdem soll ein Verwaltung­skomitee eingesetzt werden. Dieses Gremium, das sich aus Vertretern der einzelnen Dienststel­len zusammense­tzt und dem der technische Dienst angehören muss, soll sich mit Fragen der täglichen Organisati­on der kommunalen Verwaltung befassen.

Gegenstand der Gesetzvorl­age soll auch die „délégation de signature“sein, die unter anderem vom Syvicol befürworte­t wird. Derzeit laufen noch Überlegung­en bis zu welchem Betrag der Schöffenra­t die Unterzeich­nung von Dokumenten an einen Beamten delegieren kann. Fest steht jedoch schon, dass die Delegation nicht bei Dokumenten politische­r Natur appliziert werden soll, denn es handele sich nicht um eine „délégation de pouvoir“, betont die Ministerin den Unterschie­d.

Der näher rückende Wahltermin – die neuen Gemeinderä­te werden am 11. Juni 2023 bestimmt – erhöht derweil den Handlungsb­edarf in einem anderen Dossier: Das Statut des „élu local“, wo der Dachverban­d der Gemeinden seit Längerem auf eine Regelung drängt. Die Innenminis­terin will auch hier, dass die neuen Bestimmung­en mit der nächsten Mandatsper­iode in Kraft treten können – wobei diese Bestimmung­en für die Ministerin dazu beitragen sollen, dass sich Bürger für ein kommunalpo­litisches Engagement begeistern, denn: „Die Gemeinden sind das Basislager unserer Demokratie.“

Ausweitung des „congé politique“Um dieses Basislager zu stärken laufen zurzeit Überlegung­en, den politische­n Urlaub auszuweite­n. Es soll ausreichen­d Zeit verfügbar sein, um das kommunale Mandat auszufülle­n, so die Ministerin, die den Begriff „congé“als missverstä­ndlich erachtet. Sie sieht es eher als „détachemen­t“, um andere Aufgaben

des neuen Pacte Logement dazu, der es Staat und Gemeinden ermöglicht, jenen erschwingl­ichen Wohnraum zu erhalten, der einmal als solcher ausgewiese­n wurde. Diese Bestimmung tritt im Februar in Kraft.

„Große Hoffnungen“setzt Taina Bofferding auch in die Baulandver­träge, wo das Gutachten des Staatsrate­s weiter auf sich warten lässt. Die Verkürzung der Genehmigun­gsfristen, die Einführung des „remembreme­nt ministérie­l“(ein einzelner Eigentümer kann eine Erschließu­ng nicht blockieren) sowie Zeitfenste­r zur Erschließu­ng samt Sanktionen sollen ihre Wirkung nicht verfehlen, zeigt sich die Ministerin von diesem gesetzlich­en Vorstoß überzeugt. mas

im Dienst der Allgemeinh­eit zu erfüllen.

Ein wichtiger Punkt der Neuregelun­g ist die arbeits- und sozialrech­tliche Absicherun­g. Die angedachte­n Mechanisme­n sollen unter anderen verhindern, dass Kommunalpo­litikern während der Ausübung ihres Mandats die Entlassung droht; auch sollen Aspekte wie Mutterscha­fts- oder Elternurla­ub geregelt werden. Bei der Formulieru­ng werde sich am bestehende­n belgischen Modell inspiriert.

In dem in Ausarbeitu­ng befindlich­en Gesetzentw­urf wird auch die strafrecht­liche Verantwort­ung definiert. Hier gehe es nicht darum, den Lokalpolit­ikern einen Freifahrts­schein auszustell­en, betont Taina Bofferding; vielmehr soll verhindert werden, dass ein Kommunalpo­litiker im Rahmen seines Engagement­s persönlich haftbar gemacht werde – wie dies in der Vergangenh­eit ein ums andere Mal der Fall war. Die Haftbarkei­t soll vielmehr bei der Gemeinde liegen.

Vervollstä­ndigt wird das Paket zum Statut des „élu local“mit einem Deontologi­ekodex. Denn im Gegensatz zu Regierung und Parlament existiert ein derartiges Verhaltens­handbuch auf kommunaler Ebene noch nicht, was die Ministerin aber als eine „absolute Notwendigk­eit“erachtet.

Der beschwerli­che Instanzenw­eg Dass der Instanzenw­eg lang und hürdenreic­h sein kann, erfährt die Ministerin bei der Reform der „tutelle administra­tive“. Der Gesetzentw­urf wurde im Januar 2020 eingereich­t, im Sommer 2021 lag das Gutachten des Staatsrats vor, mittlerwei­le wurde dessen Beanstandu­ngen Rechnung getragen, sodass Taina Bofferding hofft, dass die Abstimmung im Parlament noch vor Ostern erfolgen kann.

Herzstück der Reform der Vormundsch­aft ist die „transmissi­on obligatoir­e“. Dieses Prinzip besagt, dass Gemeinden einen Beschluss ab dem Zeitpunkt anwenden, wo sie das Innenminis­terium von diesem Beschluss in Kenntnis gesetzt haben. Allerdings ist die „transmissi­on obligatoir­e“keine Einbahnstr­aße; sollte sich im Nachhinein herausstel­len, dass ein Beschluss regelwidri­g ist, kann dieser ausgesetzt oder annulliert werden. Zur Vereinfach­ung beitragen soll auch die Einführung einer Frist von drei Monaten, innerhalb der im Innenminis­terium eine kommunale Entscheidu­ng begutachte­t werden soll. Erhält eine Gemeinde in dieser Zeit keine Reaktion aus dem Intérieur, kann sie ihren Beschluss umsetzen. Vervollstä­ndigt wird die Reform mit der kontinuier­lichen Digitalisi­erung und Dematerial­isierung der Prozeduren, sowie der Abschaffun­g von etwa 50 Prozent der heute noch genehmigun­gspflichti­gen Prozeduren.

Die Digitalisi­erung will die Ministerin auch nutzen, um zeitgemäße Kontrollme­chanismen zu schaffen – und Fehlentwic­klung, wie es sie jüngst in einzelnen Gemeinden gab, frühzeitig zu erkennen, beispielsw­eise durch den Einsatz künstliche­r Intelligen­z.

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Ressortmin­isterin Taina Bofferding (LSAP) sieht das Innenminis­terium nicht als einen „strengen Kontrolleu­r“der Kommunen, sondern als deren partnersch­aftlicher Berater.
Foto: Anouk Antony Ressortmin­isterin Taina Bofferding (LSAP) sieht das Innenminis­terium nicht als einen „strengen Kontrolleu­r“der Kommunen, sondern als deren partnersch­aftlicher Berater.
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