Omikron erreicht Peking
Drei Wochen vor der Winterolympiade ist dies eine heikle Nachricht
Bis auf den Namen wissen die Einwohner Pekings hervorragend über ihren ersten Omikron-Fall Bescheid: Seine Wohn- und Firmenadresse zirkuliert auf den sozialen Medien, genau wie sämtliche Restaurantbesuche und U-Bahnfahrten der vergangenen 14 Tage. Selbst jeder Gang zur öffentlichen Toilette ist in den Aufzeichnungen der Behörden penibel mit Minutenangaben vermerkt.
Erhöhte Alarmbereitschaft
Und dennoch kann die radikal transparente Kontaktnachverfolgung die Gretchen-Frage nicht beantworten: wo genau sich der Patient Null mit der hochinfektiösen Virus-Variante angesteckt hat. Schließlich hat er die Stadt seit über zwei Wochen nicht verlassen.
Seit Samstag also hat Omikron nun auch die Null-Covid-Festung Peking erreicht. Als politisches Machtzentrum der Volksrepublik versuchen die Autoritäten seit Ausbruch der Pandemie mit besonders erhöhter Alarmbereitschaft, die Hauptstadt des Landes virusfrei zu halten. Der jetzige Zeitpunkt, knapp drei Wochen vor
Beginn der Olympischen Winterspiele, ist besonders heikel.
Noch am Sonntag hat die Stadtregierung seine ohnehin strengen Beschränkungen für Einreisende aus dem Inland weiter verschärft. Musste man zuvor bereits einen negativen PCR-Test zwei Tage vor der Abfahrt absolvieren, ist nun auch noch ein weiterer Virustest 72 Stunden nach der Ankunft verpflichtend. Dementsprechend bildeten sich gestern trotz Minusgrade lange Menschenschlangen vor den örtlichen Testzentren. Von den 13 000 Verdachtspersonen des Patienten Null aus seiner umliegenden Nachbarschaft seien bislang jedoch sämtliche Tests negativ ausgefallen, berichteten die Staatsmedien gestern.
Während die Millionenstädte Tianjin und Xian aufgrund weniger Infektionen bereits einen flächendeckenden Lockdown implementierten, scheint Peking davon noch weit entfernt zu sein. Am Wochenende waren weiterhin die Bars und Nachtclubs der Stadt geöffnet, nur einige religiöse Stätten haben am Sonntag ihre vorübergehende Schließung bekannt gegeben.
Offensichtlich hat die Regierung Angst, das führende Wirtschaftszentrum
Nordchinas mit allzu drastischen Maßnahmen zu lähmen. Schließlich hatte erst am vergangenen Dienstag Goldman Sachs seine Wachstumsprognose für China für das laufende Jahr von 4,8 Prozent auf 4,3 Prozent korrigiert. Für die Volksrepublik, die noch vor kurzer Zeit zweistellige Wachstumsraten verzeichnen konnte, sind dies trübe Aussichten.
Feststeht: Weniger als drei Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele wird die radikale, aber bislang erfolgreiche Null Covid-Strategie des Landes auf ihre bisher härteste Probe gestellt. Gleichzeitig steht Anfang Februar ebenfalls das traditionelle Neujahrsfest nach dem Mondkalender an, bei dem mehrere hundert Millionen Chinesen ihre Familien besuchen.
Infektionszahlen noch niedrig
Die gute Nachricht ist: Noch sind die täglichen Infektionszahlen weiterhin verschwindend gering. Am Samstag meldeten die Behörden 104 lokale Fälle, am Sonntag gar nur 65. Doch Experten befürchten, dass Omikron mittelfristig auch mit Lockdowns und Grenzschließungen nicht einzudämmen ist.