Kunst kennt keine Grenzen
Der gebürtige Tscheche Ota Nalezinek hat sein Gastland Luxemburg gefeiert – nun ist er tot
Er hat in Luxemburg sein künstlerisches Arkadien gefunden, nachdem er 1969 die damalige Tschechoslowakei verlassen hatte und über Wien nach Luxemburg gekommen war. Ota Nalezinek, ein vielseitiger Künstler, der in vielen Techniken das Schöne feiern konnte und dabei vielen mit seiner oftmals naiven Malerei und seinen bunten Formen in Erinnerung bleiben wird, ist am Wochenende im Alter von 91 Jahren gestorben.
Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag war es für den Künstler beileibe keine einfache Entscheidung, seine Heimat zu verlassen. Geboren 1930 in Lomnice war er bereits 39 Jahre alt, als im August 1968 eine halbe Million Soldaten aus der Sowjetunion, Polen, Bulgarien und Ungarn in die Tschechoslowakei einmarschierten. Jede Hoffnung auf politische und gesellschaftliche Öffnung des Landes im Zuge des Prager Frühlings war damit im Keim erstickt.
Nach seiner Ausbildung an der renommierten Karls-Universität in Prag in Textilien und deren Restaurierung hatte Ota Nalezinek bis 1969 dort auch gelehrt. Ein Fortgehen war damals definitiv, so einfach zurückkehren ließ es damals sich nicht. Dennoch gab der Künstler seine sichere Stelle auf und wählte die ungewisse Zukunft. Luxemburg wurde seine Gastheimat, die er als ein idyllisches Land empfand, was er auch bis zuletzt auf eine jubilierende Art und mit viel Poesie und einer reich schillernden Farbpalette in all seinen Werken umschrieb.
Jedes Leben ist einmalig und angesichts der Ewigkeit ohne Gewicht, geradezu unerträglich leicht, sagt uns der tschechische Schriftsteller Milan Kundera in seinem Roman „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. Ota Nalezinek ist ein Beweis dafür, wie leicht ein Leben in die eine oder in die andere Richtung gehen kann. In Luxemburg hat der Künstler zunächst vor der Kathedrale während der Oktave versucht, Pilgern Bilder zu verkaufen, und wurde erst später ein etablierter Künstler des Landes und Mitglied des Cercle Artistique Luxembourg. 1976 bekam er den renommierten Prix Grand-Duc Adolphe, 1977 nahm er die Luxemburger Staatsbürgerschaft an.
Er war ein Freund von Robert Krieps
Mit seiner Staffelei auf der Straße hat ihn der frühere Minister Robert Krieps entdeckt und ihm auch spontan geholfen. Der Resistenzler war Gründer des „Comité de Solidarité avec la Tchécoslovaquie“.
Sein Sohn Tom erinnert sich mit etwas Wehmut an diese Zeit: „Ota war ein guter Freund meiner Familie“, sagte er gestern am Telefon, „er ist einer der wenigen Flüchtlinge aus der damaligen Tschechoslowakei, die nach dem Prager Frühling nach Luxemburg gekommen und auch hier geblieben sind. Er war oft bei uns zuhause, er ist mit uns in den Urlaub in die Schweiz gefahren, wo er sich voller Begeisterung der Landschaftsmalerei hingeben konnte.“
Natur, Stadt, Figuren – auf diesen drei Elementen beruht Nalezineks Bilderwelt und führt an die Grenzen von Realität und Fantasie. Mit seinem Talent als Illustrator hat der Künstler die Schönheit und das Malerische seines Gastlandes in Gemälden, Radierungen, Siebdrucken und Wandteppichen verewigt. Dabei hat er oftmals einen humorvollen und naiven
Blick auf die luxemburgischen Sitten und Gebräuche geworfen.
Er war zudem in seiner Kunst ein bewundernswerter Geschichtenerzähler, der seine grafischen Kreationen in märchenhafte und mythische Visionen verwandeln konnte. In seinen Bildern begegnet man immer wieder Drachen, Feen, tapferen Rittern, etwa Johann dem Blinden, schamlos üppigen Blumen und natürlich der stolzen Silhouette der Stadt Luxemburg, dem Gibraltar des Nordens, das von Dichtern und Künstlern mit romantischer Seele gepriesen wurde.
Johann der Blinde und die Schobermesse
Wer den Maler auf Kulturveranstaltungen oder Vernissagen getroffen hat, der weiß, dass dieser Mann, der zeitweilig in Bourglinster gelebt hat, auch sehr neckisch sein konnte. Sein Humor ist in seinen Werken spürbar. Seine Figuren hat er manchmal karikiert, damit sie etwas von ihrer Feierlichkeit verlieren. Mit Ironie, dieser feinen Form des Spottes, begegnete er Traditionen und Konventionen.
Es war für den gebürtigen Tschechen eine große Anerkennung, als er von 1978 bis 1983 jedes Jahr die Eingangspforte zur Schobermesse, jener lieben Tradition, die auf Johann den Blinden, Graf von Luxemburg und König von Böhmen, zurückgeht, konzipieren durfte.
„Inspiriert von der Luxemburger Realität hat Ota Nalezinek seine tschechischen Wurzeln dennoch nie vergessen“, würdigte am Sonntag der Botschafter der Tschechischen Republik in Luxemburg, Vladimir Bärtl, den verstorbenen auf Twitter. Damit hat er vollkommen Recht.