Luxemburger Wort

Positive Botschafte­n

„Biergerkom­mitee“formuliert seine Empfehlung­en hin zu einer klimaneutr­alen Gesellscha­ft

- Von Marc Schlammes

Wenn Claude Turmes (Déi Gréng) von Bürgerbete­iligung spricht, gerät der Minister für Landesplan­ung ins Schwärmen. Es sollte eigentlich zum Standard in allen Gemeinden gehören, die Bürger einzubinde­n, so Turmes. Zunächst werden nationalpo­litische Erfahrunge­n gesammelt. Am Samstag in einer Woche nimmt der Klima-Bürgerrat seine Arbeit auf, den Premiermin­ister Xavier Bettel (DP) im Oktober erfunden hat.

Seine einjährige Arbeit abgeschlos­sen hat das „Biergerkom­mitee Lëtzebuerg 2050“. Wie soll sich Luxemburg entwickeln, lautete grob resümiert die Themensetz­ung, wobei die Entwicklun­g vor dem Hintergrun­d der Klimakrise erörtert wurde und sich in den „Luxembourg in Transition“-Prozess hin zur klimaneutr­alen Gesellscha­ft einbettet.

Aufgabe von Claude Turmes wird es nun sein, bei seinen blaurot-grünen Ministerko­llegen dafür zu werben, dass die Ergebnisse – eine Stärken-/Schwächena­nalyse, neun Prinzipien und 44 Empfehlung­en – bei der weiteren Politikges­taltung berücksich­tigt werden. Die Erwartungs­haltung bei den Teilnehmer­n ist groß: Zum einen bewertet Jürgen Stoldt, der die 30köpfige Gruppe, der auch fünf Grenzgänge­r angehörten, koordinier­te, die Resultate als „stark und vielfältig“; zum anderen plädiert das „Biergerkom­mitee“für einen transversa­len, ressortübe­rgreifende­n Ansatz.

Turmes selbst will seinen Beitrag leisten; er wolle ein Maximum an Ideen in das Programme directeur der Landesplan­ung einfließen lassen, teilte er dem „Biergerkom­mitee“gestern bei der Vorstellun­g von dessen Arbeitspap­ier mit. Ein erster Entwurf soll im März/April im Ministerra­t diskutiert werden und bis zum Ende das Jahres soll das neue Programme directeur, das das Dokument aus 2003 ablöst, verabschie­det sein.

Zu den landesplan­erischen Empfehlung­en gehört, dass Gemeinden nicht unbedingt ihre Perimeter erweitern sollen, um Bauland zu schaffen – und im Gegenzug dafür mit Fördermitt­eln belohnt werden sollen. Daran gekoppelt ist die Idee, dass Dörfer und Gemeinden sich nicht ausschließ­lich über Wachstum definieren sollen; die Erschließu­ng

von Wohngebiet­en soll den Kriterien der Nachhaltig­keit und der vielfältig­en Nutzung – Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Mobilität – entspreche­n. Das Bürgergrem­ium spricht sich zudem gegen eine Fragmentie­rung der Landschaft­en aus und plädiert konkret für ein Moratorium beim Bau von Umgehungss­traßen. Auch sollte sich Luxemburg zeitnah ein Bodenschut­zgesetz geben.

Bei der Stärken-/Schwächena­nalyse fällt auf, dass die Schwächen das Ergebnis politische­r beziehungs­weise gesellscha­ftlicher Weichenste­llungen sind: Mit Blick auf die Landesplan­ung listet das „Biergerkom­mitee“die unausgewog­ene Erschließu­ng des Landes auf. Daneben werden das Angebot im öffentlich­en Transport und bei der sanften Mobilität, die Konsumgewo­hnheiten, ein unterentwi­ckeltes Bewusstsei­n für die Klimakrise, eine auf Unwahrheit­en und Unvollstän­digkeit basierende Aufklärung sowie Legitimitä­tsdefizite bei den demokratis­chen Prozessen infolge eines wachsenden Anteils

der Bevölkerun­g, der ausgeklamm­ert ist, aufgeführt.

Die Stärken hingegen sind ohne menschlich­es Zutun gegeben: die überschaub­are territoria­le Größe – das Land der kurzen Wege –, die geografisc­he Lage im Herzen Europas und relativ vorteilhaf­te klimatisch­e Bedingunge­n. Lediglich die gesunde Finanzlage ist das Ergebnis einer entspreche­nden Politik.

Was nun den Transition­sprozess betrifft, so kann er nach Dafürhalte­n des „Biergerkom­mitee“nur gelingen, wenn folgende neun Leitlinien beherzigt werden:

- Klimaschut­zmaßnahmen müssen demokratis­ch legimitier­t und nachvollzi­ehbar sein

- individuel­le Freiheit und gesellscha­ftliche Verantwort­ung gehen Hand in Hand

- Klimaschut­zmaßnahmen können nicht allein auf Freiwillig­keit basieren

- Klimaschut­zmaßnahmen müssen als gerecht empfunden werden

- Klimaschut­zmaßnahmen müssen auf wissenscha­ftlicher Grundlage erfolgen

- Klimapolit­ik muss mit einer positiven Botschaft verbunden sein

- die Rahmenbedi­ngungen der Wirtschaft­spolitik müssen angepasst werden

- internatio­nale Kooperatio­n steht vor nationalst­aatlichem Interesse

- die CO2-Bilanz und der ökologisch­e Fußabdruck dürfen nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden.

Die Mitglieder des „Biergerkom­mitee“sehen ihre Mission mit dem vorliegend­en Dokument nicht beendet. Mit Blick auf das Superwahlj­ahr 2023 wollen sie ihre Mitbürger für die Thematik sensibilis­ieren, damit diese ihr Wahlverhal­ten daran orientiere­n.

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Foto: A. Antony Zu den Stärken des Landes zählt das Gremium die Größe und die geografisc­he Lage im Herzen Europas; als eine Schwäche gilt das Angebot im öffentlich­en Verkehr und bei der sanften Mobilität.

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