Luxemburger Wort

Heulen und Zähneklapp­ern

- Von Marco Meng

Ein Schreckges­penst geht um: Die Inflation hat einen Rekordwert erreicht, das Geld verliert an Kaufkraft, alles wird, und zwar rasant, teurer. Ist jetzt der Damm um das viele billige Geld, das seit Jahren ausgeschwe­mmt wird, gebrochen? Warnungen, dass eine solche Entwicklun­g einsetzen wird, übten Kritiker der EZB-Politik schon lange – und wurden dafür meist nur milde belächelt. Fällt uns das jetzt auf die Füße? Der Grund für die Preissteig­erungen allenthalb­en hat nicht nur eine Ursache, und es scheint sich auch immer mehr die Annahme durchzuset­zen, dass es wohl doch kein vorübergeh­endes Phänomen ist: Wir werden die hohen Preise so schnell nicht los. Gerade wir in der Eurozone aber haben ein besonderes Problem. Den Krisenmodu­s, in dem sich die EZB seit der Euroschuld­enkrise befindet, hätte sie schon viel früher verlassen müssen. Jetzt haben wir die Pandemiekr­ise, in der sich die Euroländer weiter verschulde­n, um eine Pleitewell­e von Unternehme­n abzuwehren. Tatsächlic­h sind die Pleiten in vielen Branchen eher hinausgesc­hoben als dass sie verhindert werden. Derweil haben sich Staaten und auch mancher Investor längst daran gewöhnt, dass Schulden nichts kosten. „Die alte Welt wurde von einer irregeleit­eten Zentralban­kpolitik zerstört“, meint diesbezügl­ich der Ökonom Thomas Mayer, der einst Chefvolksw­irt der Deutschen Bank war.

Warum die Teuerung länger anhält? Am meisten getrieben wird die Inflation von den Energiepre­isen. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die in naher Zukunft spürbar sinken werden. Eher das Gegenteil dürfte der Fall sein – ein Preis, den wir alle angesichts der Energiewen­de zu zahlen haben. Die hohen Energiepre­ise verteuern alles, und gestiegene Kosten für Vorprodukt­e werden Unternehme­n an die Verbrauche­r weiterreic­hen. Ob sie sich das später noch leisten können, ein Haus zu bauen oder eine Wohnung zu kaufen, fragen sich nicht nur viele junge Luxemburge­r. Das heißt, die Entwicklun­g droht auch eine negative soziale Dimension anzunehmen. Dem gegenzuste­uern dürfte nun die vornehmste Aufgabe der Politik sein. Vor allem mittels Investitio­nen. Vielleicht ist es auch so, dass wir uns von dieser Art Wohlstand, in welchem sich „der Westen“in den 1980er, 90er und 2000er suhlte, verabschie­den müssen, so wie wir uns überhaupt von eingefahre­nen Denkschabl­onen, vor allem wirtschaft­lichen, verabschie­den müssen? Sollte die EZB den Zins anheben, reden wir übrigens von einem Anstieg von allerniedr­igstem Niveau. Die Kredite werden damit langsam teurer – sie werden zuerst einmal vor allem etwas weniger günstig.

Wie die EZB die Wende schaffen will, die sie letztlich doch irgendwann schaffen muss, weiß im Moment wahrschein­lich nicht einmal Madame Lagarde, die bekennt, dass sie die „Kollateral­schäden“fürchtet. Bei höheren Zinsen wird für viele Länder die Staatsvers­chuldung zur unerträgli­chen Last. Dabei ist fraglich, ob ein Rekordnied­rigzins ohne Kopplung an sinnvolle Investitio­nen wirklich das geeignete Mittel ist, die Wirtschaft anzukurbel­n. Lagarde geht davon aus, dass die Inflation „schrittwei­se im Laufe des Jahres 2022 sinken wird.“Ihr Wort in Gottes Ohr.

Die Geldpoliti­k ist festgefahr­en. Es braucht vor allem sinnvolle Investitio­nen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg