Grüne Kasse
Weil der Vorstand der deutschen Regierungspartei sich einen Corona-Bonus genehmigte, ermittelt nun der Staatsanwalt
Ob 1 500 Euro viel Geld sind oder wenig – ist relativ. Gemessen an dem, was in Deutschland als Existenzminimum zählt – 446 Euro pro Monat für Alleinstehende im vergangenen Jahr, seit 1. Januar sind es drei Euro mehr – sind 1 500 eine Menge. Ist die Bezugsgröße das Einkommen der Parteivorsitzenden der Grünen, sieht die Rechnung anders aus. Annalena Baerbock bekam 2021 als Bundestagsabgeordnete, nach eigenen Angaben, eine monatliche Diät von 10 012,89 Euro – aber kein Gehalt als Parteichefin. Ihrem Kollegen Robert Habeck, ohne Mandat, zahlte die Partei ein Äquivalent; so ist das bei den Grünen geregelt seit 2004 – so dass sie Habeck 2021 annähernd dasselbe überwiesen wie der Bundestag Baerbock. Gemessen daran sind 1 500 Euro ziemlich wenig.
Baerbock und Habeck und den weiteren vier Mitgliedern des grünen Bundesvorstands machen die exakt 1 500 Euro, die sie für 2020 jeweils als sogenannten „Corona-Bonus“erhielten, allerdings allerspätestens jetzt eine Menge Ärger. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin, so ihr Sprecher Martin Steltner, ermittelt „gegen die Mitglieder des Bundesvorstands der Partei Bündnis 90/Die Grünen wegen des Anfangsverdachts der Untreue“. Denn: Baerbock, Habeck, ihre Stellvertreterinnen Ricarda Lang und Jamila Schaefer, Bundesgeschäftsführer Michael Kellner und Schatzmeister Marc Urbatsch sind angezeigt worden.
Anzeigen nach Zeitungsberichten Der Anlass: Zeitungsberichte. Der Grund aber: Die sechs Bundesvorstandsmitglieder haben nicht nur den Mitarbeitern der Bundesgeschäftsstelle, sondern auch sich selbst für 2020 eine Sonderzahlung genehmigt – einen „CoronaBonus“. 1.500 Euro für jede und jeden. Im vergangenen Herbst wurde bekannt, dass die parteiinternen Rechnungsprüfer die Überweisung an die Spitzenfunktionäre beanstandet hatten. In ihrem Bericht schrieben sie laut „dpa“: Die Regeln der Partei hätten für die Vorstandsmitglieder allerhöchstenfalls 300 Euro hergegeben; so sei das „tariflich“fixiert. Und: „Eine finanzielle Regelung“sollte „nicht allein von den begünstigten Personen getroffen werden“.
Das fanden wohl auch Privatpersonen, die laut Generalstaatsanwaltschafts-Sprecher
Steltner daraufhin Baerbock, Habeck & Co. angezeigt haben. Das politisch interessierte breite Publikum hingegen wunderte sich: Zum zweiten Mal binnen weniger Monate hatten die Grünen eine Sonderzahlungs-Affäre am Hals.
Nummer eins ließ – mit ein paar weiteren Patzern – den grünen Traum vom Einzug ins Kanzleramt zur Illusion werden. Baerbock hatte als frisch gekürte Kanzlerkandidatin – von sich aus – zugegeben, dass sie Sonderzahlungen der Partei aus den Jahren 2018 bis 2020 nicht fristgerecht der Bundestagsverwaltung gemeldet hatte – die alle Nebeneinkünfte registriert. Damals ging es um gut 25 000 Euro: dreimal Weihnachtsgeld – und eben den „Corona-Bonus“. Baerbock bereute öffentlich. Und schwer. „Ich ärgere mich selber am meisten darüber“, sagte sie. Und habe selbstverständlich „den Fehler auch gleich korrigiert, als ich ihn erkannt habe“.
Die Konkurrenz – es war ja schon Wahlkampf – jubelte. Intern. Öffentlich mussten Olaf Scholz und Armin Laschet gar nicht mehr tun, als bedeutungsvoll über Baerbocks Malaise hinwegzuschweigen. Ausgerechnet die ewig Transparenz und Moral beschwörenden Grünen leisteten sich so ein Missgeschick.
Genervte Vorsitzende
Da ist es kein Wunder, dass Habeck – zwar längst Vorsitzender auf Abruf, aber, wie Baerbock, noch bis zum Parteitag am übernächsten Wochenende im Amt – auf die Ermittlungsnachricht ein bisschen ungnädig reagiert. Das Thema sei, sagt er am Donnerstag – als Klima-Minister zum Windrad-Überzeugungsbesuch in Bayern beim CSU-Ministerpräsidenten Markus Söder – leicht genervt, doch nun „mehrfach politisch durchgenudelt“. Die Ermittlungen seien „der ganz normale Dienstweg“. Im Übrigen: „Wir kooperieren vollumfänglich.“
Nun kann man sich fragen, weshalb die Partei nicht einfach von sich aus über die Ermittlungen informiert hat. Drei Sätze in einer Pressemitteilung – und gut. Denn nicht einmal die politische Konkurrenz glaubt an eine Anklage.
Ob die Parteibasis auch auf Petitessen-Kurs ist – wird sich allerspätestens beim Parteitag zeigen. Denn: Ricarda Lang – die sich um Baerbocks Nachfolge als Chefin bewirbt – gehört zu denen aus dem „Selbstbedienungsladen“namens Bundesvorstand. O-Ton grünes Hinterzimmer.
In denen der Anderen wird eher über eine „seltene Dummheit“gespottet. Und dann: 1 500 Euro! In politischen Kreisen, lernt man, ist das ein Klacks.
In politischen Kreisen, lernt man, sind 1 500 Euro ein Klacks.