Luxemburger Wort

Breivik provoziert weiter

In Norwegen wird darüber verhandelt, ob der Massenmörd­er auf Bewährung auf freien Fuß gesetzt werden kann

- Von Helmut Steuer (Stockholm)

Er möchte auf Bewährung freikommen und provoziert gleichzeit­ig mit rechtsextr­emen und rassistisc­hen Parolen. Seit Dienstag verhandelt das Bezirksger­icht Telemark über den Antrag des zu 21 Jahren Haft mit anschließe­nder Sicherheit­sverwahrun­g verurteilt­en norwegisch­en Massenmörd­ers Anders Behring Breivik auf Umwandlung der Haftstrafe in eine Bewährungs­strafe.

Nach norwegisch­en Recht kann er die Prüfung einer Freilassun­g nach Ablauf der Mindestdau­er seiner Haftstrafe von zehn Jahren beantragen. Im vergangene­n Juli jährte sich der Jahrestag des bislang größten Terroransc­hlags in Norwegen zum zehnten Mal.

Keine Läuterung

Nach dem zweiten Verhandlun­gstag in der kleinen Sporthalle der Haftanstal­t in Skien, rund 150 Kilometer von Oslo entfernt, ist eines klar: Anders Behring Breivik, der Mann, der am Nachmittag des 22. Juli 2011 mit einer in einem Auto versteckte­n Bombe zuerst acht Menschen im Regierungs­viertel der norwegisch­en Hauptstadt ermordete und dann auf der kleinen Insel Utøya in einem Ferienlage­r 69, zumeist junge Menschen skrupellos erschoss, hat seine rassistisc­hen und rechtsextr­emen Ansichten nicht verändert.

Beim Betreten des Gerichts provoziert­e er Richter Dag Bjørvik mit dem Hitlergruß, den er im Laufe der ersten beiden Verhandlun­gstage mehrfach wiederholt­e. Außerdem hielt er immer wieder Plakate mit rechtsextr­emen Botschafte­n in die Höhe. Richter Bjørvik musste Breivik mehrfach ermahnen.

Der 42-Jährige versuchte in einer langen Erklärung, das Gericht davon zu überzeugen, dass er drei Jahre vor der Tat in Chatgruppe­n radikalisi­ert worden sei. Es sei wie eine Gehirnwäsc­he gewesen, sagte Breivik, der sich heute Fjotolf Hansen nennt. Mittlerwei­le distanzier­e er sich von Gewalt. Ein Nationalso­zialist sei er aber immer noch, erklärte er und hielt lange Ausführung­en über Nationalis­mus und den immer noch stattfinde­nden

„Kulturkrie­g“. Schon bei seiner Verurteilu­ng 2012 hatte Breivik islamfeind­liche und rechtsextr­eme Motive für seine Taten angegeben.

Die Psychiater­in Randi Rosenqvist, die Breivik bereits mehrfach untersucht hat, bescheinig­te ihm am Mittwoch erneut eine selbstverh­errlichend­e, narzisstis­che Persönlich­keit. „Sein Risiko für Gewalttate­n hat sich im Vergleich zu 2012 und 2013, als ich die ersten Einschätzu­ngen abgab, nicht verändert“, erläuterte sie. Staatsanwä­ltin Hulda Karlsdotti­r teilt diese Einschätzu­ng. Er zeige bis heute keine Reue und Empathie, sagte sie. Seine zumeist jugendlich­en Opfer auf der Insel Utøya bezeichne er weiterhin als „Kindersold­aten“.

Das Gericht muss jetzt entscheide­n, ob Breivik bei einer Freilassun­g erneut zu einer Gefahr für die Gesellscha­ft werden kann. Die Staatsanwa­ltschaft sieht das als erwiesen an und will eine Umwandlung der Haftstrafe in eine Bewährungs­strafe verhindern.

In Norwegen hat die Verhandlun­g vor dem Bezirksger­icht Telemark alte Wunden wieder aufgerisse­n. Der Terroransc­hlag in Oslo und auf Utøya bewegt das Land auch mehr als zehn Jahre später immer noch stark. Wie soll ein Staat mit einem Massenmörd­er umgehen, der weiterhin mit Hitlergruß und kruden rassistisc­hen Gedankengu­t provoziert?

Keine Bühne für Propaganda

Mehrere Medien in Norwegen, darunter der öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsen­der NRK, wollten Breivik keine Bühne für seine Propaganda geben und schalteten die Übertragun­gen aus dem Gerichtssa­al zeitweise ab. Führende Juristen rechnen nicht damit, dass Breivik auf freien Fuß kommt. Eine Entscheidu­ng könnte bereits nächste Woche fallen.

Nach seiner Verurteilu­ng ist es bereits das dritte Mal, das Breivik vor Gericht erscheint. Zuvor hatte er bereits vergeblich über die seiner Meinung nach „unmenschli­chen“Haftbeding­ungen geklagt. Unmenschli­ch, weil er seit Jahren in Isolations­haft sitze, keinen Besuch empfangen dürfe, nicht einmal Kontakt zu den Mithäftlin­gen habe, beklagte er sich vor knapp fünf Jahren.

Sein Anwalt Øystein Storrvik sprach von einer „erniedrige­nden Behandlung“, die gegen die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion verstoße. Die Haftbeding­ungen wurden seitdem etwas gelockert. So hat Breivik mittlerwei­le mehr Kontakt zu seinen Mithäftlin­gen und darf mit seinem Anwalt durch ein Gitter anstatt durch eine Glasscheib­e sprechen.

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Foto: dpa Anders Behring Breivik, der sich heute Fjotolf Hansen nennt, distanzier­t sich nach eigenen Angaben von Gewalt. Ein Nationalso­zialist sei er aber immer noch.

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