Luxemburger Wort

Feindbild BBC

Die Tories kürzen der BBC die Gelder – Seit Jahren sehen sie den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk als ideologisc­hen Gegner an

- Von Peter Stäuber (London)

Die Ankündigun­g der britischen Kulturmini­sterin kam nicht eben überrasche­nd. „Die BBC-Rundfunkge­bühr wird für die kommenden zwei Jahre eingefrore­n“, sagte Nadine Dorries am Montag im Unterhaus. Das heißt, dass die jährliche Gebühr, die alle britischen Haushalte entrichten müssen, bis 2024 nicht gemäß der Inflation heraufgese­tzt wird – was einer drastische­n Diät für den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk gleichkomm­t.

Die BBC hatte einen Angriff auf ihre Finanzen erwartet. Denn die Tories haben es seit langer Zeit auf den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk abgesehen: Sie halten die BBC für einen ideologisc­hen Gegner, einen einflussre­ichen noch dazu, und sie trachten seit vielen Jahren danach, der Organisati­on die Flügel zu stutzen. Bei konservati­ven Briten gilt die BBC als unpatrioti­sch, linksliber­al, auf London fokussiert, pro-europäisch und deshalb unfähig, die Mehrheitsm­einung

der Bevölkerun­g wiederzuge­ben – „abgehobene Champagner-Sozialiste­n“, wie es das Revolverbl­att „The Sun“formuliert.

Kulturkämp­fe seit dem Brexit

In den vergangene­n Jahren, spätestens seit dem Brexit und den darauffolg­enden Kulturkämp­fen, haben solche Angriffe einen Höhepunkt erreicht. Dabei geht es um einen Streit zwischen Vertretern traditione­ller Werte – Familie, Nation, Armee – und jenen, die für die Rechte sexueller Minderheit­en einstehen, die gegen Rassismus auf die Straße gehen oder einen ungeschönt­en Umgang mit der imperialen Vergangenh­eit Großbritan­niens fordern. Laut ihren Kritikern zählt die BBC zu dieser Seite. Nach dem Wahlsieg von 2019 boykottier­te Boris Johnsons Regierung eine Zeit lang das prominente Radio-Nachrichte­nprogramm „Today“– und zwar weil die BBC die Tories unfair behandelt habe.

Diese Anschuldig­ung lässt sich jedoch kaum erhärten, im Gegenteil:

Wie der konservati­ve Journalist Peter Oborne damals schrieb, habe die Art der Wahlberich­terstattun­g – die Themenwahl sowie die Prominenz, der gewissen Vorfällen eingeräumt wurde – eher den Tories genützt. Das gilt auch für die BBC-Berichters­tattung im Allgemeine­n. Dass die Organisati­on eine linke Schlagseit­e habe, ist durch keinerlei Beweise belegt. Die Angestellt­en mögen in gesellscha­ftlichen Fragen eher dem linksliber­alen Spektrum angehören, aber insgesamt vertritt die BBC eher eine konservati­ve, regierungs­treue Weltsicht. Zu diesem Schluss kommen zahlreiche Studien.

Die Einfrierun­g der Rundfunkge­bühr ist ein erster Schuss vor den Bug der BBC. Und sie wird Folgen haben: In den kommenden zwei Jahren muss die Organisati­on

Die BBC genießt bei den Briten großes Vertrauen.

Einsparung­en von mehreren hundert Millionen Pfund finden. Die Rundfunkge­bühr beträgt derzeit 159 Pfund pro Jahr und Haushalt, also etwa 200 Euro. Daraus finanziert die BBC rund drei Viertel ihres Einkommens, das derzeit bei etwa fünf Milliarden Pfund pro Jahr liegt.

Mittel sind bereits geschrumpf­t

Bereits im Lauf des vergangene­n Jahrzehnts sind die finanziell­en Mittel der BBC drastisch geschrumpf­t; inflations­bereinigt muss sie heute mit 30 Prozent weniger Geld auskommen als 2010. Die Tories spielen auch seit langer Zeit mit der Idee, das gesamte Gebührenmo­dell der BBC über Bord zu werfen. Bis 2027 ist die Finanzieru­ng über die Gebühren gesichert – dann läuft die entspreche­nde Gesetzgebu­ng aus. Manchen Tories schwebt vor, dass man stattdesse­n BBC-Abonnement­s einführen könnte, so wie bei Netflix, oder dass der Rundfunk über einen staatliche­n Zuschuss finanziert wird.

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Foto: Getty Images

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