Luxemburger Wort

Ein „bisschen“Krieg

US-Präsident Joe Biden sorgt mit Äußerungen zu Ukraine-Konflikt für Irritation­en

- Von Thomas Spang (Washington)

Kurz vor der Krisenmiss­ion von US-Außenminis­ter Antony Blinken in Europa traf in Berlin ein geheimer Besucher ein. Ohne Kameras und Reporter im Schlepptau informiert­e der Direktor des Auslandsge­heimdienst­es CIA, Bill Burns, Bundeskanz­ler Olaf Scholz und seine deutschen Kollegen über die Lage in der Ukraine-Krise. Wie das „Wall Street Journal“exklusiv berichtet, ging es bei der Begegnung auch darum, Wladimir Putin eine geschlosse­ne Front der NATO zu präsentier­en.

In Washington besteht die Sorge, die Bundesregi­erung könnte bei Sanktionen gegen die Erdgasleit­ung Nord Stream 2 je nach Grad einer russischen Aggression gegen die Ukraine wackeln. Doch dann sorgte ausgerechn­et ein Ereignis in

Washington für Wirbel: Mit offenen Mündern verfolgten Experten im US-Außenminis­terium, wie am Mittwoch ausgerechn­et der eigene Präsident Verwirrung stiftete.

Biden plaudert munter aus dem Nähkästche­n

Falls sich Putin für einen „geringfügi­gen Einfall“entscheide, werde die NATO mit der Frage ringen, „was wir tun und was wir nicht tun sollen“, sagte Joe Biden bei einer zweistündi­gen Pressekonf­erenz im East Room des Weißen Hauses. Eine Reporterin hakte nach. Ob das gerade die Erlaubnis gewesen sei, ein bisschen Krieg in der Ukraine zu führen.

Das fragte sich auch die Regierung in Kiew, die statt einer Rückversic­herung durch den Führer der freien Welt einen Präsidente­n erlebte, der munter aus dem Nähkästche­n

plauderte.

Das fiel auch Experten auf, die vergangene Woche an einer Hintergrun­d-Unterricht­ung des Außenminis­teriums teilgenomm­en hatten. Darin bemühten sich hohe Mitarbeite­r der Regierung zu versichern, dass bei einer russischen Grenzverle­tzung keine Unterschie­de gemacht würden. „Eine Invasion ist eine Invasion ist eine Invasion“, formuliert­e ein Offizielle­r das Mantra der amerikanis­chen Krisendipl­omatie.

Eine Stunde nach dem Fauxpas Bidens bekräftigt­e seine Sprecherin Jan Psaki die offizielle Linie. Wenn irgendein russischer Truppentei­l die ukrainisch­e Grenze überschrei­te, werde „eine schnelle, schwerwieg­ende und geeinte Antwort der Vereinigte­n Staaten und unserer Verbündete­n erfolgen“. interner

Beratungen Nicht minder irritierte der US-Präsident seine Zuhörer mit der Feststellu­ng, dass Putin seiner Meinung nach in die Ukraine „eindringen wird. Er muss irgendetwa­s tun“. Der Kremlchef wolle keinen „ausgewachs­enen Krieg“, fügte Biden hinzu. Denn dies sei auch für der Ukraine weit überlegene Streitkräf­te wie die der Russen „kein Kinderspie­l“. Er denke, die Entscheidu­ng Putins „hängt davon ab, auf welcher Seite des Betts er morgens aufsteht“.

Auch das widersprac­h der Einschätzu­ng von CIA-Direktor Burns und der Geheimdien­ste, die bisher davon ausgegange­n waren, dass der russische Präsident noch keine Entscheidu­ng über einen Einmarsch getroffen hat.

Kritiker halten Biden vor, mit seinen Äußerungen Putin in die Hände gespielt zu haben. Der ranghöchst­e Republikan­er im Auswärtige­n Ausschuss des Repräsenta­ntenhauses, Michael McCaul, meinte, Putin dürfe nun davon ausgehen, „dass er mit mehr Aggression­en davonkommt“.

Weg für Waffenlief­erungen aus Baltikum frei gemacht

In dem Trubel um den Biden-Fauxpas ging unter, dass die US-Regierung am Mittwoch den Weg frei machte für Waffenlief­erung aus den baltischen Staaten an die Ukraine. Das Außenminis­terium erlaubte den Export von Anti-Panzerrake­ten des Typs Javelin und Stinger-Raketen.

„Sollte Russland in die Ukraine einmarschi­eren“, erklärte ein Sprecher des Ministeriu­ms, „werden wir den Ukrainern weiteres Verteidigu­ngsmateria­l bereitstel­len.“

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