Ein „bisschen“Krieg
US-Präsident Joe Biden sorgt mit Äußerungen zu Ukraine-Konflikt für Irritationen
Kurz vor der Krisenmission von US-Außenminister Antony Blinken in Europa traf in Berlin ein geheimer Besucher ein. Ohne Kameras und Reporter im Schlepptau informierte der Direktor des Auslandsgeheimdienstes CIA, Bill Burns, Bundeskanzler Olaf Scholz und seine deutschen Kollegen über die Lage in der Ukraine-Krise. Wie das „Wall Street Journal“exklusiv berichtet, ging es bei der Begegnung auch darum, Wladimir Putin eine geschlossene Front der NATO zu präsentieren.
In Washington besteht die Sorge, die Bundesregierung könnte bei Sanktionen gegen die Erdgasleitung Nord Stream 2 je nach Grad einer russischen Aggression gegen die Ukraine wackeln. Doch dann sorgte ausgerechnet ein Ereignis in
Washington für Wirbel: Mit offenen Mündern verfolgten Experten im US-Außenministerium, wie am Mittwoch ausgerechnet der eigene Präsident Verwirrung stiftete.
Biden plaudert munter aus dem Nähkästchen
Falls sich Putin für einen „geringfügigen Einfall“entscheide, werde die NATO mit der Frage ringen, „was wir tun und was wir nicht tun sollen“, sagte Joe Biden bei einer zweistündigen Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses. Eine Reporterin hakte nach. Ob das gerade die Erlaubnis gewesen sei, ein bisschen Krieg in der Ukraine zu führen.
Das fragte sich auch die Regierung in Kiew, die statt einer Rückversicherung durch den Führer der freien Welt einen Präsidenten erlebte, der munter aus dem Nähkästchen
plauderte.
Das fiel auch Experten auf, die vergangene Woche an einer Hintergrund-Unterrichtung des Außenministeriums teilgenommen hatten. Darin bemühten sich hohe Mitarbeiter der Regierung zu versichern, dass bei einer russischen Grenzverletzung keine Unterschiede gemacht würden. „Eine Invasion ist eine Invasion ist eine Invasion“, formulierte ein Offizieller das Mantra der amerikanischen Krisendiplomatie.
Eine Stunde nach dem Fauxpas Bidens bekräftigte seine Sprecherin Jan Psaki die offizielle Linie. Wenn irgendein russischer Truppenteil die ukrainische Grenze überschreite, werde „eine schnelle, schwerwiegende und geeinte Antwort der Vereinigten Staaten und unserer Verbündeten erfolgen“. interner
Beratungen Nicht minder irritierte der US-Präsident seine Zuhörer mit der Feststellung, dass Putin seiner Meinung nach in die Ukraine „eindringen wird. Er muss irgendetwas tun“. Der Kremlchef wolle keinen „ausgewachsenen Krieg“, fügte Biden hinzu. Denn dies sei auch für der Ukraine weit überlegene Streitkräfte wie die der Russen „kein Kinderspiel“. Er denke, die Entscheidung Putins „hängt davon ab, auf welcher Seite des Betts er morgens aufsteht“.
Auch das widersprach der Einschätzung von CIA-Direktor Burns und der Geheimdienste, die bisher davon ausgegangen waren, dass der russische Präsident noch keine Entscheidung über einen Einmarsch getroffen hat.
Kritiker halten Biden vor, mit seinen Äußerungen Putin in die Hände gespielt zu haben. Der ranghöchste Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, Michael McCaul, meinte, Putin dürfe nun davon ausgehen, „dass er mit mehr Aggressionen davonkommt“.
Weg für Waffenlieferungen aus Baltikum frei gemacht
In dem Trubel um den Biden-Fauxpas ging unter, dass die US-Regierung am Mittwoch den Weg frei machte für Waffenlieferung aus den baltischen Staaten an die Ukraine. Das Außenministerium erlaubte den Export von Anti-Panzerraketen des Typs Javelin und Stinger-Raketen.
„Sollte Russland in die Ukraine einmarschieren“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums, „werden wir den Ukrainern weiteres Verteidigungsmaterial bereitstellen.“