Eingesperrt im Spielwarenladen
Die Demos werden zunehmend gewalttätiger, darunter leidet das Leben in der Hauptstadt
Luxemburg. Als Kind in der Vorweihnachtszeit in einem Spielwarenladen eingesperrt zu werden, erscheint auf den ersten Blick wie ein Traum. Die Umstände, die am 4. Dezember dazu führten, waren allerdings ein Albtraum. Der Tag sollte zu einem Wendepunkt werden, seither sind die Coronaproteste öfters mit Gewalt verbunden.
An der Coronademo vom 4. Dezember nahmen 2 000 Personen teil, sie blieb vorerst friedlich. Gegen 15.30 Uhr brachen dann aber einige Demonstranten zum Weihnachtsmarkt auf. „Die Manifestanten lösten Absperrgitter, stiegen darüber oder warfen sie um, und gelangten so auf den Wintermarkt“, wird es die Polizei abends in ihrem Bericht beschreiben. Es sei zu „leichten Ausschreitungen“gekommen. Der Weihnachtsmarkt musste geschlossen werden, dadurch „verlagerte sich die Menge in verschiedene Richtungen und sorgte für Unruhe bei den Geschäftsleuten“.
Unruhe unter Geschäftsleuten
Bis zu diesem Wendepunkt war es eigentlich ein ganz normaler vorweihnachtlicher Samstag. In der Stadt gab es viele Besucher. Sie waren zum Einkaufen oder auf den Weihnachtsmarkt gekommen. Als sich dann die Hooligans und die Polizeibeamte Straßenkämpfe lieferten, war die weihnachtliche Stimmung wie weggeblasen. „Überall war Blaulicht zu sehen und Sirenen zu hören“, erinnert sich Christiane Schmit, Inhaberin des Spielwarengeschäftes Domino im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“. „Eine ganz komische Stimmung“, fährt sie fort. Während draußen Chinakracher und „Liberté, Liberté“-Rufe durch die Gassen halten, ging drinnen die Suche nach dem perfekten Weihnachtsgeschenk in die Endphase. „Dreimal wurde die Lage so brenzlig, dass wir die Türen abschließen mussten“erklärt Christiane Schmit.
„Die Situation ist komplett surreal“, meint André Simoncini, Hotelier, Galerist und Autor. „Die erste Demo war erschreckend“, erinnert sich auch Ingrid Anders von der Galerie Simoncini. Immer wieder gingen Demonstranten pöbelnd an dem großen Fenster der Galerie vorbei. „Wir baten unsere Gäste, Abstand zu halten und keinen Blickkontakt mit den Demonstranten zu suchen.“
Die Grenze zum Untragbaren sei mittlerweile überschritten, meint André Simoncini. „Es gibt keine rationalen Gründe, sich nicht impfen zu lassen“, meint er. „Jeder in unserer Gesellschaft muss mitmachen, um die Situation zu retten.“Und dennoch gäbe es viele Leute, die sich lieber mit der Polizei prügeln, statt sich immunisieren zu lassen.
Ein Ziel vieler Demonstranten ist die Chamber, dort wollen sie sich lauthals Gehör verschaffen. Das Bistrot de la Presse liegt direkt gegenüber. „Bei der ersten Demo bat die Polizei uns, auf unsere Teerassenstühle und Tische aufzupassen, damit diese nicht als Wurfgeschosse missbraucht würden“, erinnert sich der Wirt, Damien Aubergeon. Drei Mitarbeiter der Gaststätte wurden für die Bewachung der Terrassenmöbel abgestellt und hatten alle Hände voll zu tun.
Vor der zweiten Demo bat die Polizei, die Sitzmöbel zu entfernen. „Für Leute, die laut schreien, habe ich kein Verständnis“, sagt der Wirt. „Unsere Stammgäste kommen nicht mehr, sie haben Angst.“Demonstranten als Kunden? Das komme nicht vor. „2G+“, lautet die knappe Antwort.
Für die eingesperrten Kunden des Spielwarengeschäftes bot sich eine Gelegenheit, sich intensiv mit den neuesten Entwicklungen auf dem Spielzeugmarkt vertraut zu machen. „Die Kinder waren von dem, was draußen passierte, abgelenkt und haben nicht alles mitbekommen“, berichtet die Inhaberin. Die ruhigeren Momente wurden genutzt, um den Weg nach Hause anzutreten.
Ich habe auch die Freiheit, die Gäste zu bedienen und Geld zu verdienen. Victoria Muller, Managerin der Confiserie Namur Gare
Die Kunden kamen nicht mehr zurück. „Im Dezember hatten wir zwei sehr schlechte Samstage“, sagt die Unternehmerin. Diesen Monat sieht es nicht besser aus: „Was man für den Januar bereits sagen kann, ist, dass er extrem schlecht wird.“
Raymond Teisen gehört zu den Personen, die bereits seit dem Ausbruch der Pandemie die Innenstadt meiden. „Ich lebe im Altersheim und gehe quasi nicht mehr vor die Tür“, erklärt er. Am Dienstag stand jedoch ein wichtiger Termin an, das war der Grund, warum er dann doch auf dem Knuedler anzutreffen war. „Es ist nicht einfach, jedem gerecht zu werden“, meint er im Hinblick auf die Coronaregeln. Die Demonstranten, die alles kurz und klein hauen, sollten aber bitte zu Hause bleiben, meint er. „Ansonsten muss die Polizei ganz streng sein.“