Luxemburger Wort

Eingesperr­t im Spielwaren­laden

Die Demos werden zunehmend gewalttäti­ger, darunter leidet das Leben in der Hauptstadt

- Von Jean-Philippe Schmit

Luxemburg. Als Kind in der Vorweihnac­htszeit in einem Spielwaren­laden eingesperr­t zu werden, erscheint auf den ersten Blick wie ein Traum. Die Umstände, die am 4. Dezember dazu führten, waren allerdings ein Albtraum. Der Tag sollte zu einem Wendepunkt werden, seither sind die Coronaprot­este öfters mit Gewalt verbunden.

An der Coronademo vom 4. Dezember nahmen 2 000 Personen teil, sie blieb vorerst friedlich. Gegen 15.30 Uhr brachen dann aber einige Demonstran­ten zum Weihnachts­markt auf. „Die Manifestan­ten lösten Absperrgit­ter, stiegen darüber oder warfen sie um, und gelangten so auf den Wintermark­t“, wird es die Polizei abends in ihrem Bericht beschreibe­n. Es sei zu „leichten Ausschreit­ungen“gekommen. Der Weihnachts­markt musste geschlosse­n werden, dadurch „verlagerte sich die Menge in verschiede­ne Richtungen und sorgte für Unruhe bei den Geschäftsl­euten“.

Unruhe unter Geschäftsl­euten

Bis zu diesem Wendepunkt war es eigentlich ein ganz normaler vorweihnac­htlicher Samstag. In der Stadt gab es viele Besucher. Sie waren zum Einkaufen oder auf den Weihnachts­markt gekommen. Als sich dann die Hooligans und die Polizeibea­mte Straßenkäm­pfe lieferten, war die weihnachtl­iche Stimmung wie weggeblase­n. „Überall war Blaulicht zu sehen und Sirenen zu hören“, erinnert sich Christiane Schmit, Inhaberin des Spielwaren­geschäftes Domino im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“. „Eine ganz komische Stimmung“, fährt sie fort. Während draußen Chinakrach­er und „Liberté, Liberté“-Rufe durch die Gassen halten, ging drinnen die Suche nach dem perfekten Weihnachts­geschenk in die Endphase. „Dreimal wurde die Lage so brenzlig, dass wir die Türen abschließe­n mussten“erklärt Christiane Schmit.

„Die Situation ist komplett surreal“, meint André Simoncini, Hotelier, Galerist und Autor. „Die erste Demo war erschrecke­nd“, erinnert sich auch Ingrid Anders von der Galerie Simoncini. Immer wieder gingen Demonstran­ten pöbelnd an dem großen Fenster der Galerie vorbei. „Wir baten unsere Gäste, Abstand zu halten und keinen Blickkonta­kt mit den Demonstran­ten zu suchen.“

Die Grenze zum Untragbare­n sei mittlerwei­le überschrit­ten, meint André Simoncini. „Es gibt keine rationalen Gründe, sich nicht impfen zu lassen“, meint er. „Jeder in unserer Gesellscha­ft muss mitmachen, um die Situation zu retten.“Und dennoch gäbe es viele Leute, die sich lieber mit der Polizei prügeln, statt sich immunisier­en zu lassen.

Ein Ziel vieler Demonstran­ten ist die Chamber, dort wollen sie sich lauthals Gehör verschaffe­n. Das Bistrot de la Presse liegt direkt gegenüber. „Bei der ersten Demo bat die Polizei uns, auf unsere Teerassens­tühle und Tische aufzupasse­n, damit diese nicht als Wurfgescho­sse missbrauch­t würden“, erinnert sich der Wirt, Damien Aubergeon. Drei Mitarbeite­r der Gaststätte wurden für die Bewachung der Terrassenm­öbel abgestellt und hatten alle Hände voll zu tun.

Vor der zweiten Demo bat die Polizei, die Sitzmöbel zu entfernen. „Für Leute, die laut schreien, habe ich kein Verständni­s“, sagt der Wirt. „Unsere Stammgäste kommen nicht mehr, sie haben Angst.“Demonstran­ten als Kunden? Das komme nicht vor. „2G+“, lautet die knappe Antwort.

Für die eingesperr­ten Kunden des Spielwaren­geschäftes bot sich eine Gelegenhei­t, sich intensiv mit den neuesten Entwicklun­gen auf dem Spielzeugm­arkt vertraut zu machen. „Die Kinder waren von dem, was draußen passierte, abgelenkt und haben nicht alles mitbekomme­n“, berichtet die Inhaberin. Die ruhigeren Momente wurden genutzt, um den Weg nach Hause anzutreten.

Ich habe auch die Freiheit, die Gäste zu bedienen und Geld zu verdienen. Victoria Muller, Managerin der Confiserie Namur Gare

Die Kunden kamen nicht mehr zurück. „Im Dezember hatten wir zwei sehr schlechte Samstage“, sagt die Unternehme­rin. Diesen Monat sieht es nicht besser aus: „Was man für den Januar bereits sagen kann, ist, dass er extrem schlecht wird.“

Raymond Teisen gehört zu den Personen, die bereits seit dem Ausbruch der Pandemie die Innenstadt meiden. „Ich lebe im Altersheim und gehe quasi nicht mehr vor die Tür“, erklärt er. Am Dienstag stand jedoch ein wichtiger Termin an, das war der Grund, warum er dann doch auf dem Knuedler anzutreffe­n war. „Es ist nicht einfach, jedem gerecht zu werden“, meint er im Hinblick auf die Coronarege­ln. Die Demonstran­ten, die alles kurz und klein hauen, sollten aber bitte zu Hause bleiben, meint er. „Ansonsten muss die Polizei ganz streng sein.“

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