Lieber Leo, alles Gute
Der Tag vor 18 Jahren war ein besonderer Tag für mich. Ich wurde zum ersten Mal Großvater. Kaum war mein Enkel Leo auf der Welt, habe ich ihn in der Klinik besucht und seine winzigen Hände gestreichelt. Ich weiß noch, wie er meinen rechten Zeigefinger fest umklammerte. Damals schlossen wir einen Bund fürs Leben, gaben uns das Versprechen, immer füreinander da zu sein. Bisher hat das geklappt. Ich gehöre wohl – gemeinsam mit seiner Großmutter Rosi – zu den wenigen Großeltern, die ihre Enkel auf dem Weg des Älterwerdens begleiten können. Wir haben uns in all den Jahren nicht aus den Augen verloren, ob in den gemeinsamen Ferien in der Bretagne, dem Beginn der Schulzeit oder als Leo während eines Fußballspiels einen Elfmeter zielsicher verwandelte.
Ich habe natürlich die Zeitungen vom Tag seiner Geburt aufgehoben – das „Luxemburger Wort“ meldete damals eine neue Radaranlage für den Findel – und auch alle Zeugnisse und Urkunden, die so zusammenkamen. Bei einem landesweiten Essaywettbewerb kam er unter die zehn Besten. Einen Ehrenplatz erhielt die „Belobigung“seiner Schulleiterin aus dem Gymnasium, die ihm zu seinem besonders guten Zeugnis persönlich gratulierte: „Deine Noten zeigen Deine Begabung und Deine gewissenhafte Arbeitshaltung. Behalte Dir dieses vorbildliche Verhalten bei. Ich wünsche Dir weiterhin Freude am Lernen.“
Nun feiert Leo seinen 18. Geburtstag. Er hätte gerne seine Freunde zu einer großen Party eingeladen, allein die Verhältnisse, sie sind nicht so. Das Virus und seine Mutanten haben die Träume von Millionen Kindern in der ganzen Welt zerstört, deren Alltag bestimmt wird durch die Furcht vor Infektionen. In einem Jahr wird Leo sein Abitur ablegen. Was danach kommt, steht noch in den Sternen. Während eines Praktikums für eine Tageszeitung hat er die ersten Artikel geschrieben und sich in einer Agentur mit dem Thema KI – Künstliche Intelligenz – beschäftigt. Computerspiele zu entwickeln, auch das kann er sich gut vorstellen. Die Führerscheinprüfung hat er bereits mit 17 Jahren bestanden, ein eigenes Auto will er nicht. Für Eltern und Großeltern wird er einen Cocktail zum Geburtstag mixen. Er selbst bleibt lieber beim Wasser.