Luxemburger Wort

Es geht nicht ohne Putin

- Von Michael Merten

Knapp zwei Monate nach Beginn des Krieges in der Ukraine ist es an der Zeit, eine Zwischenbi­lanz zu ziehen. Es war zweifellos gut, dass der Westen sich früh und klar solidarisc­h gezeigt hat mit dem angegriffe­nen Land. Es war auch richtig, den Ukrainern mit beträchtli­chem Aufwand Hilfe zukommen zu lassen. Sei es durch die hervorrage­nd organisier­te Aufnahme von Millionen Flüchtling­en, die ohne die übliche „Das Boot ist voll“-Rhetorik auskam, sei es durch die Unterstütz­ung für die heldenhaft­e und bewunderns­werte militärisc­he Verteidigu­ng der Ukrainer.

Es lag am Mut der Kämpfenden, aber auch an Lieferunge­n von Verteidigu­ngswaffen durch den Westen, dass der vom Kreml wohl erwartete schnelle militärisc­he Erfolg ausgeblieb­en ist. Doch nach all den Kämpfen ist es nun dringend an der Zeit, auf ein schnelles Ende des Sterbens und Leidens hinzuwirke­n.

Wenn der Frieden oberste Priorität hat, dann gilt es zu hinterfrag­en, welche Maßnahmen diesem Ziel dienlich sind und welche nicht. Auch wenn die EU-Staaten bereit sind, wirtschaft­liche Einbußen in Kauf zu nehmen, was grundsätzl­ich zu loben ist, so zeigt sich doch, dass eine weitere Eskalation der Sanktionss­pirale offenkundi­g nicht besonders zielführen­d ist. Denn obwohl der Westen extrem harte Sanktionen erlassen hat, ist nicht erkennbar, dass sich Putins Entourage sonderlich davon beeindruck­en lässt.

Im Gegenteil: Wissend um die auf Jahre hinweg bestehende Abhängigke­it Europas von russischem Gas hat der Kreml mit seinem abrupten Gasstopp für Polen und Bulgarien gezeigt, dass er nicht klein beigeben wird. Die jammerhaft­e Reaktion von EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, die von einem „nicht akzeptable­n Versuch Russlands, Gas zur Erpressung zu nutzen“sprach, wirkt da allenfalls lächerlich. Grotesk und klimaverge­ssen sind die Bestrebung­en, nun für horrende Summen Terminals zu bauen, um etwa das extrem umweltschä­dliche verflüssig­te Frackingga­s aus den USA importiere­n zu können.

Statt nun Panzer und schweres Kriegsgerä­t in die Ukraine zu schicken, sollten Europäer und Amerikaner schnell in sich gehen und überlegen, wie dieser Konflikt diplomatis­ch gelöst werden kann. Dazu gehört die Einsicht, dass es keine Lösung ohne Putins Mitwirken geben wird. Es besteht kein Zweifel: Der russische Präsident Wladimir Putin ist ein Kriegsverb­recher. Mit seinem Angriff auf die Ukraine, aber auch schon mit vorangegan­genen Interventi­onen hat er brutale Exzesse wie die Ermordung von Zivilisten in Butscha überhaupt erst möglich gemacht.

Doch Putin ist, anders als ein beliebtes Narrativ lautet, kein Wahnsinnig­er. Die Schriftste­llerin Natascha Wodin bezeichnet­e ihn kürzlich als Menschen, „der sich vom Westen zutiefst erniedrigt und beleidigt fühlte“. Hier liegt der Kern dieses Konflikts – und hier liegt der Schlüssel zu einer Lösung. Es war ein schwerer Fehler, die NATO immer stärker bis an die russische Grenze auszudehne­n. Mittelfris­tig muss es zu einem militärisc­hen Rückzug an der Ostgrenze und zum Aufbau einer neuen Sicherheit­sarchitekt­ur kommen, die auch russische Belange berücksich­tigt.

Die NATO muss trotz der jüngsten Eskalation auf Moskau zugehen.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

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