Schatten über der ÖVP
Korruptionsvorwürfe und Comeback-Gerüchte um Ex-Kanzler Kurz lasten auf der österreichischen Regierungspartei
Es ist das westlichste österreichische Bundesland und gilt als das eigenständigste – hinter dem Arlberg liegt aus Sicht der Vorarlberger der Rest Österreichs, vor dem trennenden Gebirge liegt eben Vorarlberg, das sich der benachbarten Schweiz schon näher fühlt. Und es ist, abgesehen von Wien, das kleinste österreichische Bundesland – aber macht der Regierungspartei ÖVP in Wien momentan die größten Sorgen.
Die Volkspartei kommt zurzeit nicht aus den Korruptionsschlagzeilen, auch Monate, nachdem Sebastian Kurz erst als Kanzler und dann auch als Parteichef das Handtuch geworfen hat. Gegen ihn und eine Reihe seiner Vertrauten ermittelt nach wie vor die Korruptionsstaatsanwaltschaft (falsche Zeugenaussage, Untreue) in Postenschacherund Inseratendeal-Causen.
Politaffäre im „Ländle“Mit Karl Nehammer als neuem Parteichef hätte Ruhe einkehren sollen. Aber dann platzte eine Politaffäre im von der ÖVP regierten „Ländle“, wie Vorarlberg genannt wird: Unternehmen sollen regelrecht genötigt worden sein, überteuerte Inserate in der Zeitung des Wirtschaftsbundes, einer Teilorganisation der ÖVP, zu schalten. Aus der Kasse des Blattes sollen dann auch Wahlkämpfe der Landes-ÖVP finanziert worden sein.
Wirtschaftsbund-Obmann Hans Peter Metzler und Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler traten nach mehreren Schrecksekunden zurück, aber die Vorwürfe ließen nicht nach. Im Zuge einer Steuerprüfung stellte sich eine möglicherweise nicht korrekte Versteuerung heraus, Nachzahlungen von 1,3 Millionen Euro und ein
Strafverfahren drohen. Auch persönliche Bereicherung steht im Raum.
Und dann die Bombe: In einer eidesstattlichen Erklärung gab ein – anonymer – Vorarlberger Unternehmer
an, Landeshauptmann Markus Wallner selbst habe bei einem Betriebsbesuch um Inserate für besagtes Magazin geworben und Gegenleistungen in Aussicht gestellt.
Die Rücktrittsaufforderungen der Opposition und ein Misstrauensantrag, über den im Mai abgestimmt wird, quittierte Wallner mit einem klaren Dementi: „Ich habe nie in meinem Leben persönlich ein Inserat verkauft“, die Behauptungen seien eine Lüge. Er denke nicht daran, zurückzutreten.
Aber der Sumpf, der da im Ländle offenbar gang und gäbe war, fällt zunehmend auf Wallner zurück. Und er wirft einen Schatten auf den Parteitag der Bundes-ÖVP Mitte Mai, auf dem Kanzler Karl Nehammer zum ÖVP-Chef gewählt werden soll.
Gerüchteküche brodelt
Den anderen Schatten wirft Sebastian Kurz. Seit Tagen spekulieren Boulevardmedien über einen Besuch beim Parteitag, eine große Rede und überhaupt ein Comeback des gefallenen ÖVP-Stars. Werden doch die ersten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, etwa gegen Kurz‘ Finanzminister und Vertrauten Gernot Blümel, nach und nach eingestellt.
Kurz dementiert. Er sei „gerne dabei, wenn wir Geschlossenheit zeigen und Karl Nehammer in seiner Arbeit als Parteiobmann und Bundeskanzler unterstützen“, ließ er via Facebook wissen. Kurz hat ja inzwischen als „globaler Stratege“bei Thiel Capital, einer Firma des deutschstämmigen USInvestors, Exzentrikers und Trump-Freundes Peter Thiel angeheuert, nicht in einer Million Jahren wolle er zurück in die Politik.
Aber die Spekulation, ob nicht jetzt, aber in ein paar Jahren wieder Kurz ante portas steht, ist eröffnet. Und auch wenn er keine Rede auf dem ÖVP-Parteitag halten wird, so wird er auf der Bühne ein paar Fragen eines Moderators beantworten – und allein die Frage, wer mehr Applaus bekommen wird, Kurz oder Nehammer, lastet so wie die Vorarlberger Malaise schwer auf dem Neuaufbruch der Partei und dem Parteitag.