Luxemburger Wort

Der Vater, der Filius und der fragile Friede

Die Bevölkerun­g des Tschads hofft bisher vergebens auf den versproche­nen demokratis­chen Wandel

- Von Markus Schönherr

Kurz nachdem er das Parlament aufgelöst und die Verfassung des Landes außer Kraft gesetzt hatte, verkündete Tschads Übergangsp­räsident freie Wahlen. Eineinhalb Jahre sollte es dauern, bis die Demokratie wiederherg­estellt ist. Aber jetzt steht der Übergangsp­rozess auf dem Spiel. Und ein unerwartet­er Vermittler tritt auf den Plan.

„Die Stabilität des Tschads ist enorm wichtig für die Sahelregio­n und Zentralafr­ika“, erzählt Mauro Garofalo. Er ist Leiter des Büros für Internatio­nale Beziehunge­n bei Sant’Egidio. Die katholisch­e Gemeinscha­ft in Rom will Tschads politische Gegner an einen Tisch bringen. Nach dem Treffen mit Präsident Mahamat Idriss Déby Itno im April betonte Garofalo: „Dieser inklusive Dialog ist eine seltene Chance, wir dürfen sie nicht verspielen“.

Der Tschad befindet sich seit April 2021 im Ausnahmezu­stand. Damals rückten bewaffnete Rebellen immer näher an die Hauptstadt N'djamena heran, die staatliche Armee schlug sie zurück. An der Front kämpfte Präsident Idriss

Déby Itno. Er war nur Stunden zuvor zum erneuten Sieger der Präsidents­chaftswahl erklärt worden. Doch statt eine Siegesrede zu halten, starb der langjährig­e Staatschef im Gefecht. Kurz darauf putschte sich sein Sohn, Déby jr., mithilfe des Militärs an die Staatsspit­ze.

„Seit dem Tod des Präsidente­n hofft das Land auf einen Wandel“, sagt Remadji Hoinathy, Sahel-Experte

am panafrikan­ischen Institut für Sicherheit­sstudien (ISS). Die mehr als 16 Millionen Einwohner des Tschads nehmen den Übergangsp­räsidenten beim Wort, dass es spätestens 18 Monate nach dem Machtwechs­el zu demokratis­chen Wahlen komme. Doch der Experte ist skeptisch: „Offenbar ist die Wahrschein­lichkeit, diesen Übergang zu erreichen, viel geringer als ursprüngli­ch gedacht“.

Die Frist endet in weniger als sechs Monaten. Immer noch streiten Dutzende politische und militärisc­he Gruppen um die Macht im Land. Um sie zu versöhnen, kündigte Déby jr. einen „nationalen Dialog“an. Nach einer ersten Verschiebu­ng soll dieser am 10. Mai starten. Schon die Vorgespräc­he in Katar drohten zu scheitern, da die Opposition dem derzeit herrschend­en Militärrat „böse Absichten“vorwarf. Politikexp­erte Hoinathy macht „beide Seiten“für den Stillstand verantwort­lich. Den ersten Schritt müsse aber die Übergangsr­egierung tun. „Demokratie steht nicht wirklich auf der Agenda“, so Hoinathy.

„Komplizier­ter Prozess“Unter diesen Vorzeichen reiste im April eine Delegation von Sant’Egidio von Rom nach N'djamena. Im Gepäck: Das Wissen um den Ernst der Lage und reichlich Optimismus. „Wir wollen dem Tschad helfen, einen guten Übergangsp­rozess zu erreichen und abzuschlie­ßen“, so Vermittler Garofalo. Er spricht von einem „komplizier­ten Prozess“, der Militärfüh­rer, Politiker und die Zivilgesel­lschaft berücksich­tige. Schon im Januar trafen sich die Streitpart­eien mit Vertretern der katholisch­en Laienorgan­isation in Rom.

„Niemand ist perfekt für eine solch komplizier­te Situation wie jene im Tschad ausgerüste­t“, räumt Garofalo ein. Jedenfalls habe Sant’Egidio Neutralitä­t auf seiner Seite. Und die Erfahrung von 30 Jahren Konfliktbe­wältigung in Afrika. Die Organisati­on vermittelt­e etwa zwischen den bewaffnete­n Gegnern in Mosambik. 1992 beendeten diese den Bürgerkrie­g durch den „Friedensve­rtrag von Rom“. Erneut wurde eine „Erklärung von Rom“im Jahr 2020 unterzeich­net – diesmal besiegelte sie das Ende vom Blutvergie­ßen im Südsudan.

Politikexp­erte Hoinathy attestiert Sant’Egidio die nötige Erfahrung in der Friedensar­beit. Optimistis­ch zeigt er sich über die Tatsache, dass Präsident Déby die Vermittler­rolle der Katholiken akzeptiert und schätzt. Über deren Erfolg entschiede­n am Ende aber die politische­n und militärisc­hen Machthaber: Legen Sie Aufrichtig­keit an den Tag, wollen sie eine demokratis­che Zukunft? Oder setzen sie weiter auf „politische Manöver und Strategien, um an der Macht zu bleiben“?

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Foto: AFP Der Präsident des Tschads, Mahamat Idriss Déby Itno, kündigte einen „nationalen Dialog“an.

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