Der Vater, der Filius und der fragile Friede
Die Bevölkerung des Tschads hofft bisher vergebens auf den versprochenen demokratischen Wandel
Kurz nachdem er das Parlament aufgelöst und die Verfassung des Landes außer Kraft gesetzt hatte, verkündete Tschads Übergangspräsident freie Wahlen. Eineinhalb Jahre sollte es dauern, bis die Demokratie wiederhergestellt ist. Aber jetzt steht der Übergangsprozess auf dem Spiel. Und ein unerwarteter Vermittler tritt auf den Plan.
„Die Stabilität des Tschads ist enorm wichtig für die Sahelregion und Zentralafrika“, erzählt Mauro Garofalo. Er ist Leiter des Büros für Internationale Beziehungen bei Sant’Egidio. Die katholische Gemeinschaft in Rom will Tschads politische Gegner an einen Tisch bringen. Nach dem Treffen mit Präsident Mahamat Idriss Déby Itno im April betonte Garofalo: „Dieser inklusive Dialog ist eine seltene Chance, wir dürfen sie nicht verspielen“.
Der Tschad befindet sich seit April 2021 im Ausnahmezustand. Damals rückten bewaffnete Rebellen immer näher an die Hauptstadt N'djamena heran, die staatliche Armee schlug sie zurück. An der Front kämpfte Präsident Idriss
Déby Itno. Er war nur Stunden zuvor zum erneuten Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt worden. Doch statt eine Siegesrede zu halten, starb der langjährige Staatschef im Gefecht. Kurz darauf putschte sich sein Sohn, Déby jr., mithilfe des Militärs an die Staatsspitze.
„Seit dem Tod des Präsidenten hofft das Land auf einen Wandel“, sagt Remadji Hoinathy, Sahel-Experte
am panafrikanischen Institut für Sicherheitsstudien (ISS). Die mehr als 16 Millionen Einwohner des Tschads nehmen den Übergangspräsidenten beim Wort, dass es spätestens 18 Monate nach dem Machtwechsel zu demokratischen Wahlen komme. Doch der Experte ist skeptisch: „Offenbar ist die Wahrscheinlichkeit, diesen Übergang zu erreichen, viel geringer als ursprünglich gedacht“.
Die Frist endet in weniger als sechs Monaten. Immer noch streiten Dutzende politische und militärische Gruppen um die Macht im Land. Um sie zu versöhnen, kündigte Déby jr. einen „nationalen Dialog“an. Nach einer ersten Verschiebung soll dieser am 10. Mai starten. Schon die Vorgespräche in Katar drohten zu scheitern, da die Opposition dem derzeit herrschenden Militärrat „böse Absichten“vorwarf. Politikexperte Hoinathy macht „beide Seiten“für den Stillstand verantwortlich. Den ersten Schritt müsse aber die Übergangsregierung tun. „Demokratie steht nicht wirklich auf der Agenda“, so Hoinathy.
„Komplizierter Prozess“Unter diesen Vorzeichen reiste im April eine Delegation von Sant’Egidio von Rom nach N'djamena. Im Gepäck: Das Wissen um den Ernst der Lage und reichlich Optimismus. „Wir wollen dem Tschad helfen, einen guten Übergangsprozess zu erreichen und abzuschließen“, so Vermittler Garofalo. Er spricht von einem „komplizierten Prozess“, der Militärführer, Politiker und die Zivilgesellschaft berücksichtige. Schon im Januar trafen sich die Streitparteien mit Vertretern der katholischen Laienorganisation in Rom.
„Niemand ist perfekt für eine solch komplizierte Situation wie jene im Tschad ausgerüstet“, räumt Garofalo ein. Jedenfalls habe Sant’Egidio Neutralität auf seiner Seite. Und die Erfahrung von 30 Jahren Konfliktbewältigung in Afrika. Die Organisation vermittelte etwa zwischen den bewaffneten Gegnern in Mosambik. 1992 beendeten diese den Bürgerkrieg durch den „Friedensvertrag von Rom“. Erneut wurde eine „Erklärung von Rom“im Jahr 2020 unterzeichnet – diesmal besiegelte sie das Ende vom Blutvergießen im Südsudan.
Politikexperte Hoinathy attestiert Sant’Egidio die nötige Erfahrung in der Friedensarbeit. Optimistisch zeigt er sich über die Tatsache, dass Präsident Déby die Vermittlerrolle der Katholiken akzeptiert und schätzt. Über deren Erfolg entschieden am Ende aber die politischen und militärischen Machthaber: Legen Sie Aufrichtigkeit an den Tag, wollen sie eine demokratische Zukunft? Oder setzen sie weiter auf „politische Manöver und Strategien, um an der Macht zu bleiben“?