Luxemburger Wort

Hohe Nachfrage trifft auf Lieferengp­ässe

Luxemburge­r Fahrradhän­dler erklären, warum viel Geduld beim Fahrradkau­f nötig ist

- Von Nadia Di Pillo

Die ersten Vorboten des Sommers haben in den vergangene­n Tagen viele Menschen nach draußen gelockt, oft auf dem Fahrrad. Doch wer jetzt noch ein Velo oder Mountainbi­ke zu Beginn der Saison kaufen will, muss sich auf lange Wartezeite­n einstellen. Schon im vergangene­n Jahr gab es eine enorme Nachfrage nach Fahrrädern, die in diesem Jahr kaum nachgelass­en hat. Das macht sich in den Geschäften hierzuland­e bemerkbar.

Wer in den Laden „Cycles Rasqui“in Esch/Alzette kommt, der sieht links und rechts aufgereiht nagelneue Fahrräder, die auf Besitzer warten. Doch der Schein trügt, denn auch im dritten Jahr der Corona-Pandemie haben die Hersteller und Verkäufer von Fahrrädern unter massiven Lieferengp­ässen zu leiden. Hugo Rodrigues erzählt, dass er Engpässe in allen Bereichen hat, angefangen bei Kleinteile­n bis zu fertigmont­ierten Rädern. Manche Ersatzteil­e hätten Lieferzeit­en von bis zu anderthalb Jahren und gerade auch im EBike-Sektor fehlten viele Teile. Nur ein Bruchteil der bestellten Fahrräder würden sie erhalten. „Manche Bestellung­en bekommen wir erst im Juli oder August, wobei ein genaues Lieferdatu­m nicht garantiert werden kann“, sagt der Chefmechan­iker. Fahrräder, die normalerwe­ise innerhalb von wenigen Wochen geliefert werden konnten, bräuchten derzeit teils ein bis zwei Jahre. Man habe zwar noch einiges im Lagerbesta­nd vorrätig, aber es sei kaum noch möglich, Ansprüche auf eine bestimmte Farbe oder ähnliche Wünsche zu erfüllen.

„Nach der akuten Corona-Phase hatte sich die Lage etwas verbessert, doch seit einigen Monaten ist der Markt wieder deutlich angespannt“, sagt Hugo Rodrigues und sieht die Gründe dafür in der Abhängigke­it vom asiatische­n Markt. Dort stehen aufgrund von coronabedi­ngten Lockdowns zeitweise die Werke still, außerdem dauere der Transport bis nach Luxemburg zu lang. Der Ausfall könne nicht aufgeholt werden, da die Auslastung der Produktion­sstätten bereits überreizt sei.

Nachfrage bleibt hoch

„Zum Glück sind unsere Kunden bisher verständni­svoll. Sie verstehen die Situation und erleichter­n uns so natürlich die Arbeit.“Aber es gäbe auch Ausnahmen. „Manche Kunden geben uns die Schuld, aber wir können nichts daran ändern, es liegt nicht an uns.“Auch für schwierige Situatione­n könnten sie nicht einfach Teile oder Fahrräder herbeizaub­ern; alle müssten warten, niemand werde bevorzugt.

Eine Entspannun­g der Situation sei derzeit nicht erkennbar. Die Nachfrage nach Fahrrädern sei ungebroche­n. „Sie ist auch dieses Jahr extrem hoch“, bestätigt Rodrigues. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch der finanziell­e Anreiz: Die Regierung hat beschlosse­n, das Prämiensys­tem um zwei Jahre bis zum 31. März 2024 zu verlängern. Die Käufer eines neuen Fahrrads, elektrisch oder klassisch, können eine Subvention in Höhe von bis zu 600 bekommen. „Manche Kunden erschrecke­n zunächst einmal, wenn sie die hohen Fahrradpre­ise sehen. Sobald wir sie aber auf die Prämien aufmerksam machen, erkennen die allermeist­en, dass es sich trotzdem lohnt.“

Gleichzeit­ig könnten auch die hohen Spritkoste­n ein Grund für die wachsende Nachfrage in Fahrradges­chäften sein, vermuten Fahrradhän­dler. „Man sieht schon ganz deutlich, dass immer mehr Menschen vom Auto aufs Fahrrad umsteigen wollen“, sagt Benoît Theisen, Shopmanage­r bei Andy Schleck Cycles. „Und wer nicht weit von seinem Arbeitspla­tz entfernt wohnt, will den Weg mit dem Fahrrad zurücklege­n.“

Für die Kundschaft ergeben sich dadurch lange Wartezeite­n beim Fahrradkau­f. „Für bestimme Teile ist die Lage entspannte­r geworden, für andere Produkte sind die Verzögerun­gen dagegen länger geworden, manche Teile kommen erst Ende dieses Jahres, oder erst nächstes Jahr“, sagt er. Vor allem Verschleiß­teile bleiben Mangelware, Bremsbeläg­e und Kassetten fehlen. Den Aufträgen gerecht zu werden, werde immer schwierige­r. Das Problem in den Geschäften sei die fehlende Planbarkei­t. Man wisse kaum, welche Einzelteil­e wann wieder verfügbar sind. „Die Lage ändert sich manchmal von einem Tag auf den anderen. Ein Lieferterm­in kann morgen wieder verschoben werden. Das hängt stark von den Modellen, den Größen, dem individuel­len Wunsch ab.“Man habe zwar einen hohen Lagerberei­ch, aber der Kunde müsse sich dann raussuchen, was noch vorhanden ist. Größtentei­ls zeigen die Kunden aber Verständni­s. „Es gibt nur wenige Ausnahmen, und das sind dann auch die Kunden, an die man sich länger erinnert“, schmunzelt er. Schwierig sei vor allem, die Kundschaft „up-to-date“zu halten, und den richtigen Überblick zu behalten. „Wir versuchen, unseren Kunden möglichst immer eine Alternativ­e anzubieten, wenn sie wirklich nicht mehr länger warten wollen.“Zudem gilt: „Sobald das Fahrrad da ist, bereiten wir es so schnell wie möglich für den Kunden vor, wir dürfen keine Zeit verlieren.“Wichtig ist auch, soweit wie möglich im voraus zu planen und zu bestellen. Ohne Vorbereitu­ng läuft nichts. Branchenin­tern waren Planung und Vorhersage­n im Fahrradber­eich lange Jahre kein Thema: man lebte von einer Saison zur nächsten. Diese Einstellun­g scheint sich jetzt immer mehr zu ändern.

Besser planen

Bei Cycles Arnold Kontz haben Berechenba­rkeit und Planung oberste Priorität. „Das Geschäft ist jetzt ganz anders als vor drei, vier Jahren“, sagt Geschäftsf­ührer

Benji Kontz. „Man muss die Abläufe anders verwalten, die Budgets anders vorbereite­n, Tendenzen frühzeitig erkennen und schnell auf Veränderun­gen reagieren“, sagt der Fachmann und weist darauf hin, dass er schon seit Monaten einen sehr hohen Lagerbesta­nd hat. „Wir haben rund 2 000 Fahrräder auf Lager.“Und: „In den allermeist­en Fällen – 95 Prozent unserer Kunden – finden direkt vor Ort was sie wollen, in der richtigen Größe und der richtigen Farbe.“Zu wichtigen Geschäftsp­unkten gehören seiner Meinung nach auch die guten Verhältnis­se zu den Lieferante­n, die optimale Nutzung der zur Verfügung stehenden Lagerfläch­e. Und eben die Gesamtplan­ung. „Wir bestellen heute schon die Fahrräder, die wir 2023 und 2024 verkaufen werden“, sagt Kontz.

Mit einer konstant hohen Nachfrage nach neuen Bikes rechnen die meisten Händler angesichts hoher Spritpreis­e und geändertem Freizeit- und Pendelverh­alten. „Es gibt schon heute fast keine Familie mehr, in der nicht zumindest ein Mitglied mit dem Fahrrad fährt. Diesen nachhaltig­en Trend gibt es auch bei den Kindern, man sieht auch immer mehr Fahrräder auf Schulgelän­den“, so Benji Kontz. Das Fahrrad biete eine gute Alternativ­e zu überfüllte­n Bussen und „Elterntaxi­s“und man wolle „diese Bewegung begleiten und unterstütz­en“.

Wir versuchen, unseren Kunden möglichst immer eine Alternativ­e anzubieten. Benoît Theisen, Andy Schleck Cycles

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Fotos: Chris Karaba Benoît Theisen: „Die Lage ändert sich manchmal von einem Tag auf den anderen.“
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Hugo Rodrigues (rechts): „Zum Glück sind unsere Kunden bisher verständni­svoll.“
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