Luxemburger Wort

Der vergessene Krieg

Das Nationale militärhis­torische Museum in Diekirch erinnert an die Luxemburge­r Korea-Freiwillig­en

- Von Marc Thill

Am Lift, der in die zweite Etage des Nationalen militärhis­torischen Museums in die Sonderauss­tellung „D'Koreaner aus dem Lëtzebuerg­er Land“führt, wird bereits greifbar, wie damals die Stimmung unter den Soldaten gewesen sein muss, als sie als Luxemburge­r Koreafreiw­illige in den Krieg gezogen sind: Abenteuerl­ust aber auch eine dicke Portion Stolz, als kleinster Partner bei der ersten Luxemburge­r UN–Mission dabei zu sein. Mannshohe Schwarz-WeißBilder schmücken den Lift und zeigen junge Männer bei ihrer Abfahrt aus der Kaserne, die sich damals auf dem Heilig-Geist-Plateau in der Stadt Luxemburg befand.

Das Museum in Diekirch erinnert an die „Lëtzebuerg­er Koreaner“, wie sie sich selbst bezeichnet­en, das in einer temporären Ausstellun­g, die bis März 2023 besichtigt werden kann. Hinter dieser Schau steckt viel Vorarbeit. Sie wird aber vor allem einer wichtigen Mission des Museums gerecht, und zwar, das Wachhalten der Erinnerung an die militärisc­hen Vergangenh­eit Luxemburgs, in diesem Fall an den besonderen Einsatz der Luxemburge­r bei einem längst vergessene­n Krieg. Zeitzeugen­berichte, Fotos, private wie öffentlich­en Archivalie­n, wurden hierfür zusammenge­tragen, wobei diese Puzzlestüc­ke als Ganzes für die weitere Geschichts­forschung ein wertvolles Instrument sein können.

Sinn und Zweck dieser mühsamen Arbeit war ganz gewiss nicht nur die Ausstellun­g, sondern auch die Aufnahme neuer Archivalie­n und deren Konservier­ung für eine eine Weiterverw­ertung und eine definitive Verankerun­g dieser Luxemburge­r Kriegsbete­iligung im kollektive­n Gedächtnis des Landes.

„Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können“, betont Benoît Niederkorn, Direktor des Museums und Kurator der Ausstellun­g, „vieles ist jetzt noch aus erster und zweiter Hand auffindbar und überprüfba­r, der Krieg liegt 70 Jahre zurück.“Auch das Armeearchi­v war bei der Aufarbeitu­ng ein wertvolles Instrument. Die Armee befand sich nach dem Zweiten Weltkrieg im Aufbau. Vieles sei einfacher und insgesamt auch umfassende­r aufzutreib­en gewesen, als etwa beim Partner Belgien, in dessen Kontingent die Luxemburge­r Freiwillig­en damals nach Korea in den Krieg gezogen sind.

Heute leben nur noch sieben der damals 85 Koreakämpf­er, vier davon übrigens in Kanada, wo sie nach ihrer Mission ausgewande­rt sind. Einige haben ihre Souvenirs gehortet, andere bereits seit langem dem Museum zur Verfügung gestellt, einige waren über ihre Kriegsmiss­ion in ihren jeweiligen Familien mehr, andere dafür weniger gesprächig. „Wir haben aber alle 85 erfassen können, manchmal über ihre direkten Nachkommen, manchmal auch über Neffen und Nichten, die uns Informatio­nen geben oder bestätigen konnten“, erklärt Museumsdir­ektor Benoît Niederkorn.

Eine sogenannte Black-Box in der Ausstellun­g ermöglicht es, die Lebensläuf­e dieser damals doch recht jungen Menschen digital aufzusuche­n, was sich auch von zuhause über die Webseite des Museums machen lässt. Es ist schon ergreifend, wie man hier im Leben zumeist verstorben­er Menschen stöbern kann.

Der Koreakrieg (1950-1953) war der erste große Konflikt des Kalten Krieges und zwang damals das Großherzog­tum Luxemburg dazu, seine Position zu stärken, um sich auf dem internatio­nalen politische­n Schachbret­t klar zu positionie­ren. Gemeinsam mit Belgien stellte das Land eine Kampftrupp­e im Rahmen einer UN-Mission auf die Beine und brachte sich ganz bewusst an die Seite des amerikanis­chen Verbündete­n und der „freien Welt“.

„Gerade dadurch ist heute Luxemburg vielen Südkoreane­rn ein Begriff, was vielleicht aber auch der Tatsache geschuldet ist, dass wir der kleinste Partner in diesem internatio­nalen Staatenver­bund waren“, so Niederkorn.

Die Ausstellun­g führt zunächst durch den geopolitis­chen Kontext am 38. Breitengra­d, bis heute Grenzverla­uf zwischen Nord- und Südkorea. Sie geht aber auch auf die innenpolit­ische Diskussion­en in Luxemburg ein und fragt natürlich, wer diese 85 Freiwillig­en waren, die „ans andere Ende der Welt“gereist sind? Und was waren ihre Gründe? Ihre Motivation­en? Die Bedingunge­n ihres Einsatzes und die Aufgaben, die sie in Korea erwartet haben? Und schließlic­h: Wie ist es zu erklären, dass der Koreakonfl­ikt zu einem „vergessene­n Krieg“geworden ist, „A Forgotten War“, wie bereits 1952 der „U.S. News & World Report“festgestel­lt hat? Und das auch bei uns...

Luxemburg ist den Südkoreane­rn bis heute ein Begriff gerade wegen dieser Kriegsmiss­ion. Kurator Benoît Niederkorn

Mit seinen Fotos brachte jeder Soldat seinen Krieg nach Hause. Kurator Benoît Niederkorn

Die Bedeutung der Fotografie

Dabei waren die Bedingunge­n für die Geschichts­schreibung bei einem Krieg selten so gut wie in Korea. Viele Soldaten hatten damals Zugang zur Fotografie. Die Apparate waren kompakter und handlicher als im Zweiten Weltkrieg, und sogar in Farbbilder­n haben die Soldaten das Leben an der Front und in der Ferne festhalten können.

„Jeder brachte seinen Krieg damals mit nach Hause: Fotos, die bis heute erstaunlic­h gut erhalten geblieben sind“, meint Benoît Niederkorn. Und davon lebt 70 Jahre danach auch die Ausstellun­g. Dicke Fotoalben liegen in Schaukäste­n und enthalten Bilder, die den sehr persönlich­en Blick der Soldaten auf Korea und diesen Krieg offenbaren.

Die Fotos sind mittlerwei­le eingescann­t und man kann sie sich digital in der Ausstellun­g anschauen. Auch viele Ausstellun­gsobjekte befinden sich in dieser Schau, natürlich Medaillen, die die Nachkommen stets als eine wichtige Anerkennun­g erachtet haben und deshalb zuhauf existieren, und ganz wichtig Briefe und Kriegstage­bücher, die auch wichtige Quellen sind, um die Luxemburge­r Kriegsmiss­ion damals greifbar zu machen. Zwei der 85 Koreakämpf­er wurden übrigens bei ihrem Einsatz getötet.

„D'Koreaner aus dem Lëtzebuerg­er Land“im Musée National d'Histoire Militaire Diekirch, geöffnet dienstags bis sonntags jeweils von 10 bis 18 Uhr. Noch bis zum 26. März 2023

www. mnhm.lu

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Foto: MNHM Abfahrt ins Ungewisse, aber kein Grund zur Sorge: Mutige freiwillig­e Luxemburge­r Soldaten, die in den Koreakrieg ziehen.
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Foto: Archiv LW Das erste Kontingent der luxemburgi­schen Koreafreiw­illigen reiste im Dezember 1950 per Schiff an seinen Bestimmung­sort, das zweite Kontingent flog am 14. März 1952 in das südkoreani­sche Einsatzgeb­iet.

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