Mit dem Fahrrad in den Regenbogen
Freiwillige sammeln mehr als 250 Fahrräder und verteilen sie an Flüchtlinge
Luxemburg. „Die Kinder denken ebenso wie wir ständig an ihre Heimat, an den Krieg, an ihre Freunde, die sie in der Ukraine zurücklassen mussten“, sagt Mohamed Ouahrani. Er ist vor gut einem Monat mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter aus dem Kriegsgebiet nach Luxemburg gekommen.
Die Familie findet im Großherzogtum vor allem die Sicherheit, die sie gesucht hat. Für ihr Kind braucht es aber mehr als das. „Es ist wichtig, dass unsere Kinder ein möglichst normales Leben führen können“, fährt Mohamed fort. „Kinder brauchen das unbedingt“. Ein Teil dieser Normalität, sagt er, führe über ein Fahrrad, das die Familie von der Initiative „Riding the Rainbow“erhalten hat. Die Familie ist eine von mehr als 250, denen in den vergangenen Wochen ein Fahrrad, ein Tretroller, ein Skateboard oder ein Dreirad vermittelt werden konnte. Und das sowohl für Kinder als auch für Erwachsene.
Das Fahrrad steht für die Kriegsgeflüchteten für mehr als nur für Freizeitbeschäftigung. Es steht für Freiheit und auch dafür, trotz alltäglicher Horrornachrichten kurze unbeschwerte Momente erleben zu können. „Die Menschen aus den Kriegsgebieten dieser Welt und insbesondere die Kinder sind schwer traumatisiert“, erklärt Emanuele Santi. Er ist der Gründer der Initiative. „Die Fahrräder ermöglichen einen Neustart. Denn tatsächlich leben viele Geflüchtete derzeit auf Campingplätzen, in Unterkünften, die abgelegen liegen oder schlecht an den öffentlichen Transport angebunden sind.“
Ein Symbol für den Neustart
Das Fahrrad ermögliche so vielen von ihnen überhaupt erst wieder einer Arbeit nachgehen zu können. „Es wird zum Symbol für diesen Neustart, genau wie der Regenbogen, den wir nun im Namen unserer Vereinigung tragen“, fährt Emanuele fort.
Das komme aus der Dankesbotschaft einer Mutter, deren Kind ein Fahrrad erhalten habe. „Sie sagte, ihr habt meinem Kind nicht nur ein Fahrrad gegeben, sondern ihm das bunte Licht eines Regenbogens geschenkt, nach all den Dramen der vergangenen Monate. Endlich habe die Tochter etwas Schönes, an dem sie ihre neue Lebenssituation festmachen könne“, erläutert Emanuele.
Das habe die Macher der Initiative so sehr berührt, dass sie diese dann auch von „Gift a bike“in „Riding the rainbow“ungetauft hätten. „'Riding the Rainbow' soll zu einem neuen Typ von Solidarität führen“, meint Emanuele, der seit fast zehn Jahren bereits die Solidaraktion „Afrilanthropy“betreibt, sowie auch andere Integrationsprojekte etwa im Sportbereich ins Leben gerufen hat. „Wir haben inzwischen Kontakte in die Schweiz und nach Italien geknüpft und hoffen, dass wir unser Solidaritätsmodell 'Made in Luxembourg' auch ins Ausland exportieren können. Damit auch dort Menschen in Not geholfen werden kann.“
Neubeginn auf drei Kontinenten
Aber wie kam es eigentlich zu der Fahrradaktion? „Ich habe mit meiner Familie auf drei Kontinenten gelebt“, holt der gebürtige Römer aus. „Zehn Jahre in Afrika, dann in den USA und seit fünf Jahren leben wir in Luxemburg. Meine beiden Söhne, einer ist in Nordafrika geboren, der andere in den USA, sind es gewohnt, umzuziehen und Freunde hinter sich zu lassen. Ich habe schnell gemerkt, dass ihr eigenes Fahrrad ihnen immer Halt gegeben hat. Es war etwas, das sie mitnehmen konnten, das ihnen gehörte und mit dem sie ihre neue Umgebung entdecken konnten.“Das habe den Kindern immer wieder den Übergang zu einem neuen Lebensabschnitt erleichtert.
Dann sei es auch so, dass viele Menschen seit Jahren Fahrräder in der Garage herumstehen hätten. „Die schlafen dann dort vor sich hin, sei es, weil die Kinder für ihr Fahrrad irgendwann zu groß sind, weil die Menschen sich ein neueres Modell zugelegt haben oder schlicht nicht mehr Fahrrad fahren“, führt der 46-Jährige aus.
Ihr habt meinem Kind nicht nur ein Fahrrad geschenkt, sondern ihm das bunte Licht eines Regenbogens geschenkt, nach all den Dramen. Ukrainische Mutter