Luxemburger Wort

Mit dem Fahrrad in den Regenbogen

Freiwillig­e sammeln mehr als 250 Fahrräder und verteilen sie an Flüchtling­e

- Von Steve Remesch

Luxemburg. „Die Kinder denken ebenso wie wir ständig an ihre Heimat, an den Krieg, an ihre Freunde, die sie in der Ukraine zurücklass­en mussten“, sagt Mohamed Ouahrani. Er ist vor gut einem Monat mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter aus dem Kriegsgebi­et nach Luxemburg gekommen.

Die Familie findet im Großherzog­tum vor allem die Sicherheit, die sie gesucht hat. Für ihr Kind braucht es aber mehr als das. „Es ist wichtig, dass unsere Kinder ein möglichst normales Leben führen können“, fährt Mohamed fort. „Kinder brauchen das unbedingt“. Ein Teil dieser Normalität, sagt er, führe über ein Fahrrad, das die Familie von der Initiative „Riding the Rainbow“erhalten hat. Die Familie ist eine von mehr als 250, denen in den vergangene­n Wochen ein Fahrrad, ein Tretroller, ein Skateboard oder ein Dreirad vermittelt werden konnte. Und das sowohl für Kinder als auch für Erwachsene.

Das Fahrrad steht für die Kriegsgefl­üchteten für mehr als nur für Freizeitbe­schäftigun­g. Es steht für Freiheit und auch dafür, trotz alltäglich­er Horrornach­richten kurze unbeschwer­te Momente erleben zu können. „Die Menschen aus den Kriegsgebi­eten dieser Welt und insbesonde­re die Kinder sind schwer traumatisi­ert“, erklärt Emanuele Santi. Er ist der Gründer der Initiative. „Die Fahrräder ermögliche­n einen Neustart. Denn tatsächlic­h leben viele Geflüchtet­e derzeit auf Campingplä­tzen, in Unterkünft­en, die abgelegen liegen oder schlecht an den öffentlich­en Transport angebunden sind.“

Ein Symbol für den Neustart

Das Fahrrad ermögliche so vielen von ihnen überhaupt erst wieder einer Arbeit nachgehen zu können. „Es wird zum Symbol für diesen Neustart, genau wie der Regenbogen, den wir nun im Namen unserer Vereinigun­g tragen“, fährt Emanuele fort.

Das komme aus der Dankesbots­chaft einer Mutter, deren Kind ein Fahrrad erhalten habe. „Sie sagte, ihr habt meinem Kind nicht nur ein Fahrrad gegeben, sondern ihm das bunte Licht eines Regenbogen­s geschenkt, nach all den Dramen der vergangene­n Monate. Endlich habe die Tochter etwas Schönes, an dem sie ihre neue Lebenssitu­ation festmachen könne“, erläutert Emanuele.

Das habe die Macher der Initiative so sehr berührt, dass sie diese dann auch von „Gift a bike“in „Riding the rainbow“ungetauft hätten. „'Riding the Rainbow' soll zu einem neuen Typ von Solidaritä­t führen“, meint Emanuele, der seit fast zehn Jahren bereits die Solidarakt­ion „Afrilanthr­opy“betreibt, sowie auch andere Integratio­nsprojekte etwa im Sportberei­ch ins Leben gerufen hat. „Wir haben inzwischen Kontakte in die Schweiz und nach Italien geknüpft und hoffen, dass wir unser Solidaritä­tsmodell 'Made in Luxembourg' auch ins Ausland exportiere­n können. Damit auch dort Menschen in Not geholfen werden kann.“

Neubeginn auf drei Kontinente­n

Aber wie kam es eigentlich zu der Fahrradakt­ion? „Ich habe mit meiner Familie auf drei Kontinente­n gelebt“, holt der gebürtige Römer aus. „Zehn Jahre in Afrika, dann in den USA und seit fünf Jahren leben wir in Luxemburg. Meine beiden Söhne, einer ist in Nordafrika geboren, der andere in den USA, sind es gewohnt, umzuziehen und Freunde hinter sich zu lassen. Ich habe schnell gemerkt, dass ihr eigenes Fahrrad ihnen immer Halt gegeben hat. Es war etwas, das sie mitnehmen konnten, das ihnen gehörte und mit dem sie ihre neue Umgebung entdecken konnten.“Das habe den Kindern immer wieder den Übergang zu einem neuen Lebensabsc­hnitt erleichter­t.

Dann sei es auch so, dass viele Menschen seit Jahren Fahrräder in der Garage herumstehe­n hätten. „Die schlafen dann dort vor sich hin, sei es, weil die Kinder für ihr Fahrrad irgendwann zu groß sind, weil die Menschen sich ein neueres Modell zugelegt haben oder schlicht nicht mehr Fahrrad fahren“, führt der 46-Jährige aus.

Ihr habt meinem Kind nicht nur ein Fahrrad geschenkt, sondern ihm das bunte Licht eines Regenbogen­s geschenkt, nach all den Dramen. Ukrainisch­e Mutter

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Foto: Ride the Rainbow Mittlerwei­le haben mehr als 250 Fahrräder über die „Riding the Rainbow“-Initiative den Besitzer gewechselt.
 ?? Foto: Emanuele Santi ?? Die Freude der Kinder hat immer mehr Freiwillig­e dazu bewegt, sich an der Initiative zu beteiligen.
Foto: Emanuele Santi Die Freude der Kinder hat immer mehr Freiwillig­e dazu bewegt, sich an der Initiative zu beteiligen.
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