Luxemburger Wort

Biden will Russland schwächen

Mit einem Hilfspaket von 33 Milliarden Dollar bereitet sich die US-Regierung auf eine mögliche Ausweitung des Ukraine-Kriegs vor

- Von Karl Doemens (Washington)

Zu Beginn der Rede stand ein Patzer. „Lange, bevor Russland seine brutale Invasion verloren ...“, setzte Joe Biden am Donnerstag im Roosevelt Room des Weißen Hauses an, um sich eilig zu korrigiere­n: „ ...begonnen hat.“

Es war ein Verspreche­r, wie er dem US-Präsidente­n öfter unterläuft. Aber möglicherw­eise auch ein unfreiwill­iger Einblick in einen Strategiew­echsel der Amerikaner im Ukraine-Krieg. „Ist es das Ziel der Vereinigte­n Staaten, dass die Ukraine Russland eine Niederlage beibringt?“, fragte später ein Reporter Bidens Sprecherin Jen Psaki. „Das hängt von der Definition ab“, antwortete diese vage. Auf Nachfrage setzte sie hinzu: „Es ist Sache der Ukrainer, das zu definieren“.

Die gewaltige Summe von 33 Milliarden Dollar, die der Präsident nun beim Kongress für Waffen und Wirtschaft­shilfe für die

Ukraine in den nächsten Monaten beantragt hat, verstärkt jedenfalls den Eindruck, dass sich Washington auf eine längere militärisc­he Auseinande­rsetzung einstellt. Gleichzeit­ig weitet sich der Kampf über die Kontrolle in der Ukraine aus: Die russischen Aktivitäte­n um Transnistr­ien und Moldau sind dafür ebenso Anzeichen wie die kaum verhüllten Drohungen Moskaus mit einem Nuklearsch­lag sowie die Einstellun­g der Gaslieferu­ngen an Polen und Bulgarien. Darauf reagieren die USA nun mit einer drastische­n Ausweitung ihres Engagement­s.

Langfristi­ge Strategie

„Die Kosten dieses Kampfes sind nicht niedrig“, sagte Joe Biden: „Aber das Einknicken vor einer Aggression würde uns deutlich teurer zu stehen kommen“. Die Aufwendung­en für die Freiheit und Sicherheit der Ukraine seien der Preis, den man zahlen müsse, „um die russische Aggression zu ahnden und das Risiko für künftige Konflikte zu verringern“.

In diesen Worten klingt an, was Bidens Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin zum Abschluss seines Besuches in Kiew am Montag bereits gesagt hatte: Washington will mit seiner massiven Militärhil­fe nicht nur akut der Ukraine beistehen. Es will zugleich Vorsorge für künftige Konflikte treffen: „Wir wollen Russland in einem Maße geschwächt sehen, das es ihm unmöglich macht, solche Dinge wie die Invasion in der Ukraine zu machen.“

Aufgebrauc­hte Mittel

Dafür will die Biden-Administra­tion enorme Mittel mobilisier­en. Erst im März hatte der Kongress ein Ukraine-Paket von 13,6 Milliarden Dollar beschlosse­n, das 3,5 Milliarden Dollar an Militärhil­fe beinhaltet­e. Diese Mittel sind nach der Lieferung von Haubitzen, gepanzerte­n Fahrzeugen, Boden-, Luft- und Panzerabwe­hrraketen sowie weiterem Gerät nun bis auf 250 Millionen Dollar aufgebrauc­ht. Deshalb dringt der Präsident auf die Bewilligun­g weiterer 33 Milliarden Dollar für das Ende September auslaufend­e Haushaltsj­ahr. Davon sollen 20 Milliarden Dollar in militärisc­hes Gerät fließen. Die überpartei­liche Zustimmung des Kongresses gilt als sehr wahrschein­lich, wobei sich die konkreten Zahlen noch verändern könnten.

Die Dimension dieser Ausgaben wird deutlich, wenn man sie mit den Militärhau­shalten der Ukraine und Russlands vergleicht. Nach Informatio­nen des Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stituts umfasste der Kiewer Etat im vorigen Jahr sechs Milliarden Dollar, der gesamte russische Verteidigu­ngshaushal­t 65 Milliarden Dollar. Für den Einsatz in Afghanista­n, wo die USA mit Tausenden Soldaten präsent waren, hatte Washington jährlich rund 40 Milliarden Dollar aufgewende­t.

Biden versichert­e noch einmal, dass er keine amerikanis­chen Truppen in die Ukraine senden werde. Die USA planten auch keinen Angriff auf Russland. Doch betonte er: „Die Welt muss und wird Russland zur Rechenscha­ft ziehen“. Mit Blick auf russische Äußerungen zu einem möglichen Einsatz von Nuklearwaf­fen konterte der Präsident: „Wir sind auf alles vorbereite­t, was sie tun“.

Die Kosten dieses Kampfes sind nicht niedrig. Aber das Einknicken vor einer Aggression würde uns deutlich teurer zu stehen kommen. US-Präsident Joe Biden

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