Geduldsspiel im Wilden Westen
„Outer Range“fordert den Zuschauer mit dem Genremix zwischen Ranchgeschehen und Mystery
„Outer Range“, eine vom amerikanischen Theaterautor Brian Watkins erdachte Amazon-Prime-Serie, wiegt ihr Publikum zunächst in falscher Sicherheit. Man wähnt sich hier anfangs auf vertrautem Terrain, nämlich dem der Abbotts, die gut und gerne als Paradebeispiel einer Familie im Western-Genre herhalten kann.
Costner – aktuell erfolgreich wie lange nicht sind. Doch dann taucht auf der Abbott-Ranch erst eine geheimnisvolle Camperin namens Autumn (Imogen Poots) und bald ein kaum weniger mysteriöses Bison mit zwei Pfeilen im Leib auf.
Schließlich entdeckt Royal auf seinem weitläufigen Anwesen auch noch ein riesiges, unheimliches und scheinbar bodenloses Loch. Und stellt, ohne hier zu viel zu verraten, bald fest, dass was oder wen man dort hinein schmeißt womöglich später anderswo wieder auftaucht.
„Lost“in Cowboystiefeln? Dass sich in diese vermeintlich geradlinige Western-Geschichte plötzlich Elemente eines MysteryThrillers à la „Lost“mischen, ist zunächst einmal so unerwartet wie erfreulich. Auch die deutsche Serie „Dark“kommt einem als Referenz in den Sinn, nicht zuletzt weil gleich in der ersten von acht Episoden aus dem Off über Chronos, den Gott der Zeit, sinniert wird, der – wie es hier heißt – mit seiner Sichel den Kosmos zwischen Erde und Himmel und damit dem Bekanntem und dem Unbekannten zerteilte. Wie so vieles in dieser Serie führt das allerdings erstmal zu nicht viel. Oder anders ausgedrückt: es dauert viel zu lange, bis irgendwas irgendwohin führt, so frustrierend schleppend ist hier das Tempo.
Nicht dass „Outer Range“nicht viel Gelungenes auffahren würde. Visuell ist die von Brad Pitts Firma Plan B produzierte Serie hochwertiger als vieles, was sich dieser Tage sonst streamen lässt; nicht zuletzt die Landschaftsaufnahmen haben Kinoformat, bloß in den Nachtszenen ist die Dunkelheit so übertrieben erdrückend, dass praktisch nichts zu erkennen ist.
Die eklektische Musik von Danny Bensi und Saunder Jurriaans („Ozark“, „Fear the Walking Dead“) greift originell die tonale Vielfalt des Genre-Mashups auf. Und das Ensemble rund um den Western-erfahrenen Josh Brolin lässt sich nichts zuschulden kommen, wobei vor allem Tamara Podemski als indigene, lesbische Deputy
Sheriff Joy bleibenden Eindruck hinterlässt. Umso bedauerlicher, dass aus seiner vielsprechend originellen Prämisse nicht mehr macht. Die Überraschungen und Twists kommen zu zögerlich und vor allem zu spät, stattdessen verliert sich „Outer Range“in Andeutungen, scheinbar wahllosen Verschrobenheiten (Noah Reid muss als Tillerson-Sohn ohne ersichtlichen Grund ständig singen) und mitunter arg gesteltzten Monologen, die Watkins’ TheaterHerkunft in Erinnerung rufen.
Dass man sich über weite Teile mehr für die (inter-)familiären Konflikte und darin verwobene, meist nur angedeutete Überlegungen zu Themen wie Glauben, Männlichkeit und Einsamkeit interessiert als die Frage, was es nun mit dem Furcht einflößend in der Prärie klaffenden Loch auf sich hat, erscheint als vertane Chance – und stellt die Geduld der Zuschauerinnen und Zuschauer gehörig auf die Probe.
Alle acht Folgen der ersten Staffel sind auf Amazon Prime verfügbar.