Luxemburger Wort

Privatsphä­re ist anders

- Parallelen zu anderen Kriminalit­ätsfeldern

Ich war vor Kurzem in einer Apotheke und habe mir die Frage gestellt: Wie unangenehm ist es eigentlich, dass die „Bestellung“eines Kunden von jedem im Raum gehört werden kann? „Dieses Mittel ist gegen Ihre Hämorrhoid­en, aber wenn Sie es zwei Mal am Tag nehmen, sollte es besser werden“: Ja, ich weiß, das ist jetzt überspitzt ausgedrück­t, aber dieses erfundene Beispiel könnte durchaus so vorkommen. Und diese und andere Informatio­nen gehen eigentlich keinen etwas an. Ich will auch betonen, dass ich hier den Apothekern keinen Vorwurf mache. Was wäre die Lösung: individuel­le, abgeschlos­sene Kabinen für die Kunden? Das wäre wohl organisato­risch

Was wäre die Lösung: individuel­le Kabinen für die Kunden?

für keinen Apotheker zu stemmen. Aber ich finde schon, dass man sich darüber einmal kurz Gedanken machen soll. Einfacher zu lösen ist dieses Problem wohl in einer Bank. Auch wenn es nicht mehr viele richtige Bankschalt­er gibt, ist es doch recht gefährlich, wenn jemand eine hohe Summe Geld abheben will: „Bitte geben Sie mir 10 000 Euro und machen

Sie das Geld in einen Briefumsch­lag.“So passiert in einer Bankfilial­e, wo der Schalter sehr nahe an einem chilligen Warteberei­ch liegt. Diese offenen Räume sind ja schön und gut, aber Privatsphä­re ist anders. Das Gefühl beobachtet zu werden, habe ich auch manchmal im Supermarkt. Also eigentlich müsste ich schreiben: Ich schaue mir auch schon mal die Einkäufe des Kunden vor mir an. Im Gegenzug mache ich mir aber auch diese Gedanken: „Was denken die Leute über meine Einkäufe?“Aber diese Frage sollte mich eher zum Ergebnis führen, dass meine Einkäufe eventuell doch nicht so gesund sind, wie sie vielleicht sein sollten ... David

Die Polizei reagiert mit verstärkte­r Präsenz auf die Ankunft der Bandidos im Bahnhofsvi­ertel. Bei der Einweihung­sfeier des Clublokals am 23. April gab es sowohl ein sichtbares als auch ein nicht sichtbares Aufgebot. de dabei durch Hammerschl­äge lebensgefä­hrlich verletzt.

Im Juni 2020 haben Mitglieder eines Clubs mit dem Namen Vakeso Drom MC nahe Mons einen Mordanschl­ag auf den Präsidente­n der örtlichen Hells Angels und dessen Begleiter verübt. Beide überlebten die Schüsse unverletzt.

Der eigentlich in der breiten Öffentlich­keit kaum bekannte Rockerclub Vakeso Drom MC gilt aber in Belgien als besonders gewaltbere­it und offensiv. Die Gruppe ist – und da wird es interessan­t – sehr eng mit dem Bandidos MC verknüpft. Und insbesonde­re mit dem Kapitel aus Nivelles.

Der Gründer von Vakeso Drom MC ist vorliegend­en Informatio­nen zufolge der Vater des Präsidente­n

von Bandidos MC Nivelles – jenem Club, in dem die neuen Luxemburge­r Bandidos in den vergangene­n sechs Monaten Prospects waren, also Anwärter auf eine Vollmitgli­edschaft.

Der Luxemburge­r Polizei sind diese Erkenntnis­se aus Belgien bestens bekannt, wie zwei Kriminalbe­amte im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“bestätigen. „Genau wie die Rockergrup­pen sind auch wir bestens internatio­nal vernetzt“, erklärt ein spezialisi­erter Ermittler. „Es ist klar, die Luxemburge­r Bandidos haben sozusagen ihre Lehre in einem Umfeld gemacht, das ein anderes Terrain ist, als jenes in Luxemburg – und sie haben sicher auch dort Kontakte geknüpft.“

Was nun deren konkrete Absichten in Luxemburg sind, ist hingegen weit weniger gewiss. „Dass sie sich ausbreiten wollen, Platz einnehmen, liegt auf der Hand“, fährt der Beamte fort. „Sie wissen, wie sie auftreten, welches Image sie von sich geben wollen und wie sie dieses Bild vermitteln.“Wie die Gegenseite, die Luxemburge­r Hells Angels, damit umgeht, müsse man abwarten.

Hells Angels setzen auf Gegenpropa­ganda

Offensicht­lich ist aber, dass auch die Hells Angels in sozialen Medien ihre Präsenz und ihren territoria­len Anspruch in Luxemburg demonstrie­ren. Etwa indem sie in den vergangene­n Wochen auffällig häufiger in sozialen Medien Fotos der Veranstalt­ungen in ihrem Clubhaus, der RockBox in den Rives de Clausen, verbreitet­en. Gezeigt werden wie im Rockermili­eu üblich umfangreic­he Gruppenfot­os, auf denen ihre genretypis­chen Lederkutte­n mitsamt Aufnähern zur Schau getragen werden. Besonders an den Fotos von der Clausener Partymeile ist, dass nicht nur Kutten eines Kapitels zu sehen sind, sondern eine auffallend große Vielfalt an Patches: rund 100 Höllenenge­l aus der ganzen Welt, dazu Dutzende Freunde und Supporter. Die Botschaft scheint unmissvers­tändlich: Wir sind hier, wir sind viele und wir haben Freunde.

Als am Samstag vor zwei Wochen das neue Bandidos-Vereinshei­m in der Rue de Strasbourg in Anwesenhei­t der ranghöchst­en europäisch­en Bandidos eingeweiht wurde, war auch die Polizei an vorderster Front dabei. Und das mit einem Aufgebot in Uniform und einem weniger sichtbaren Dispositiv. „Wir waren vorbereite­t“, meint der spezialisi­erte Ermittler. „Auch auf eine mögliche Reaktion der Gegenseite“, bestätigt er auf Nachfrage. „Und das sowohl im Bahnhofsvi­ertel als auch in einem großen Hotel in Dommelding­en, wo zahlreiche Bandidos-Gäste aus dem Ausland untergebra­cht waren.“Mehr will er nicht dazu verraten.

„Den Online-Beef, die Provokatio­nen in sozialen Medien, sollte man aber auch nicht überbewert­en“, hebt der Ermittler hervor. „Es gibt Rockergrup­pen, die existieren nur dadurch, dass sie Fotos von ihren Ausflügen zu 40 in einer Einkaufstr­aße veröffentl­ichen. Dann verschwind­en sie wieder in der Bedeutungs­losigkeit.“Oder sie ärgern die Konkurrenz eben mit lustigen Bildchen aus dem Internet.

Was die europäisch­e BandidosFü­hrung außer einer reinen Standortbe­setzung damit im Schilde führt, dass sie den Ex-Hells-Angels-Mitglieder­n und deren Unterstütz­ern erlaubt hat, in Luxemburg eine Ortsgruppe zu gründen, ist noch ungewiss. Man behalte die Situation in jedem Fall im Auge.

„Wenn sich Hinweise auf Straftaten ergeben, werden diese verfolgt“, betont der Kriminaler­mittler. „Das ist evident.“– „Es kann auch sein, dass alles nur eine Prestige-Frage ist“, gibt sein Kollege zu bedenken. „Jetzt sind die Bandidos im ganzen Benelux-Raum vertreten. Aber dann stellt sich wiederum die Frage, welchen Beitrag das Luxemburge­r Kapitel zu leisten hat. Oder vielleicht sagt man sich auch, Luxemburg ist so klein, da ist ohnehin nicht viel zu holen.“Das sei ja auch bei den Hells Angels bislang so gewesen.

Die Polizeiarb­eit im Rockerbere­ich unterschei­de sich nicht viel von jener in anderen Bereichen, fährt der Kollege fort. „Wir erhalten häufig Hinweise zu irgendwelc­hen Leuten, die aber strafrecht­lich nicht unbedingt von Bedeutung sind. Dann bleibt nichts anderes übrig, als das zur Kenntnis zu nehmen, sich mit ausländisc­hen Behörden auszutausc­hen, die Lage zu analysiere­n und die Situation im Blick zu behalten. Das ist ganz sicher auch die Phase, in der wir uns derzeit befinden.“

Im Terrorbere­ich sei das gang und gäbe. Wichtig sei es dabei, nicht zu weit in der Überwachun­g zu gehen, um Bürgerrech­te nicht zu gefährden und doch aufmerksam genug zu bleiben, um gegebenenf­alls präventiv eingreifen zu können. Die Polizei ist in der Vergangenh­eit auch schon proaktiver vorgegange­n.

So waren beim Benelux Run der Hells Angels im Jahr 2010 in Contern tagelang sämtliche Zufahrtsst­raßen blockiert und jedes einzelne Fahrzeug durchsucht worden. Die Betroffene­n waren längst vorgewarnt. Dass letzten Endes keine Straftaten festgestel­lt wurden, galt damals auch als Erfolg.

Sowieso: Es wäre falsch, zwangsläuf­ig von kriminelle­m Intentione­n

der Rockergrup­pen auszugehen. Denn auch das ist nur ein Teil dieser Welt. Und wenn diese Schattense­ite bis in Erscheinun­g tritt, dann unterschei­det sie sich kaum von anderen Strukturen im Bereich der organisier­ten Kriminalit­ät. So wie in Belgien und dort auch im Dunstkreis des neuen Luxemburge­r Bandidos Kapitels.

Eine Schattenwe­lt, wie eine andere

„Die Rocker, die es in Luxemburg gibt, sind generell bislang nicht als sonderlich kriminell aufgefalle­n“, meint auch der spezialisi­erte Ermittler der Kriminalpo­lizei, auf den Kontext angesproch­en. „Die Frage ist eigentlich eher: Warum will jemand zu einer derartigen Gruppe gehören? Meiner Auffassung nach liegt die Motivation der Beteiligte­n nicht unbedingt darin, kriminell zu werden. Vielmehr suchen diese Leute eine Zugehörigk­eit zu etwas, zu dem man ansonsten keinen Zugang hat und einen Rückhalt, den sie vielleicht sonst nicht hatten.“Und sie nehmen dafür in Kauf, dass in diesem Umfeld alles seinen Preis hat.

Ganz allgemein könne man aber festhalten, dass die Mitgliedsc­haft in einer derartigen Bruderscha­ft sicher auch Vorzüge habe, die ebenfalls für Kriminelle verlockend sein können, betont der Ermittler. Die Einstellun­g gegenüber dem Gesetz, die Regeln, die darauf ausgelegt sind, die Gruppe zu schützen, der langwierig­e Prozess, den es braucht, um vollwertig­es Mitglied zu werden, das verschwieg­ene und verschloss­ene Milieu.

Für alle anderen Beteiligte­n, die die unsichtbar­e Grenze nicht überschrei­ten, sind es schlicht Motorradcl­ubs mit etwas altertümli­ch anmutenden Riten und Regeln. Der Flirt mit der Schattenwe­lt gehört aber dazu. Die Folgen auch.

Den Online-Beef, die Provokatio­nen in sozialen Medien, sollte man nicht überbewert­en. Spezialisi­erter Ermittler

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg