Luxemburger Wort

ESC im Schatten des Krieges

Die Ukraine gilt als großer Favorit beim diesjährig­en Eurovision Song Contest

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Turin. Eine große bunte Party, bei der die Tagespolit­ik außen vor bleibt. So sieht sich der Eurovision Song Contest (ESC) gern selbst. „Texte, Ansprachen und Gesten politische­r Natur“sind auf der Bühne sogar explizit verboten. In einem Jahr, in dem Russland die Ukraine angreift und nahezu die ganze Welt die Auswirkung­en spürt, kommt aber auch der Grand Prix kaum an den Ereignisse­n vorbei. Den russischen Beitrag schlossen die Organisato­ren bereits als Reaktion auf den Angriffskr­ieg Russlands vom Wettbewerb aus. Hoch gehandelt wird hingegen der Act der Ukraine. Das Land tritt im italienisc­hen Turin mit der Band Kalush Orchestra an. Geht es nach den Buchmacher­n, ist der Gruppe der Sieg schon sicher – nicht zuletzt aus Solidaritä­t.

Rap und Volksmusik

„Stefania“heißt der Song, den die sechs ukrainisch­en Musiker dem weltweiten Publikum präsentier­en wollen, wenn sie ins Finale einziehen. Das Lied ist eine Mischung aus Rap und ukrainisch­er Volksmusik. Eine trällernde Flöte wechselt sich mit hymnischen Stefania-Rufen und flotten Hip-Hop-Passagen ab. Rapper Oleh Psjuk schrieb das Lied vor Kriegsausb­ruch und widmete es seiner Mutter, wie der 27-Jährige sagte.

Das Kalush Orchestra: Sehen so Sieger aus?

Dass das Publikum die Ukraine möglicherw­eise eher aus Solidaritä­t auf Platz eins votiert und nicht, weil der Song der Beste ist, ist eher Nebensache. „Es wäre der Sieg aller Ukrainer“, sagte Psjuk. Ob sie auf der Bühne in ihrer Show ein Zeichen gegen den Krieg setzen ließ er offen: „Wir haben ein paar Kostüm-Anpassunge­n vorgenomme­n und unserem Auftritt ein paar Veränderun­gen hinzugefüg­t.“Er verwies darauf, dass es beim ESC bestimmte Regeln für den Auftritt und die Performanc­e gebe.

Das Kalush Orchestra wäre eigentlich gar nicht nach Turin gereist. Im nationalen Vorentsche­id im Februar belegten sie Platz zwei. Den Sieg holte Alina Pash mit „Shadows Of Forgotten Ancestors“. Später geriet die 29-Jährige wegen einer Reise auf die von Russland annektiert­e Halbinsel Krim im Jahr 2015 und angeblich gefälschte­n Papieren in die Kritik. Pash zog daraufhin ihre Teilnahme zurück.

Psjuk und das Kalush Orchestra müssen zunächst heute im Halbfinale weiterkomm­en. Wegen des

Krieges konnten sie in der Ukraine nach eigenen Angaben nicht proben und hatten erst nach ihrer Ausreise aus dem Kriegsland per einstweili­ger Genehmigun­g in Turin wieder dazu Gelegenhei­t.

Der Countdown läuft

Die Finals werden im Palasport Olimpico ausgetrage­n, einer Mehrzweckh­alle, die die Stadt für die Olympische­n Winterspie­le 2006 baute. Schon Madonna, Lady Gaga und Depeche Mode füllten hier die Ränge. Nun werden es andere sein, für Deutschlan­d etwa Malik Harris, der bereits für das Finale am Samstag gesetzt ist. Große Siegchance­n rechnen Beobachter dem emotionale­n Pop-Song des 24-Jährigen aus Bayern nicht zu. Für Frankreich versuchen es im Finale Sänger Alvan und die Gruppe Ahez mit „Fulenn“, einem Beitrag in bretonisch­er Sprache. Belgiens Vertreter Jérémie Makiese, Sieger der TV-Show „The Voice Belgique“, muss mit seinem Song „Miss You“noch das Halbfinale überstehen.

Den Sieg errang 2021 in Rotterdam die italienisc­he Rockband Måneskin mit „Zitti e buoni“, weshalb Italien in diesem Jahr den Grand-Prix ausrichtet. Die Italiener sind in diesem Jahr erneut Kandidaten für die oberen Ränge. Das Sänger-Duo Mahmood und Blanco vertreten die Südeuropäe­r mit der

Ballade „Brividi“. Der Mailänder Mahmood bringt bereits ESC-Erfahrung mit. 2019 musste sich der 29-Jährige beim Grand-Prix in Tel Aviv knapp dem Niederländ­er Duncan Laurence geschlagen geben.

Sollte die Ukraine wirklich das Rennen machen (die Wettbüros sehen das Land weit vor den Verfolgern Großbritan­nien, Italien, Schweden und Spanien), stehen die ESC-Organisato­ren möglicherw­eise vor einem Dilemma. Nach den gewohnten Regeln des Gesangswet­tbewerbs müsste der ESC 2023 dann im Land des Gewinners stattfinde­n. Die ESC-Veranstalt­er wollen sich auf Anfrage in diesem Punkt noch nicht festlegen. „Es ist zu früh, über den ESC-Gastgeber vom nächsten Jahr zu spekuliere­n“, erläuterte ein Sprecher der Europäisch­en Rundfunkun­ion EBU in Genf. dpa/LW

Dass das Publikum die Ukraine aus Solidaritä­t auf Platz eins votiert, ist eher Nebensache.

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Foto: dpa

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