Luxemburger Wort

Am richtigen Ort „Ja“sagen

Hochzeiten und zivile Partnersch­aften können nun auch an anderen Orten als dem Gemeindeha­us gefeiert werden

- Von Florian Javel

Ob Traditione­n im Laufe der Zeit einen gesellscha­ftlichen Wandel durchlaufe­n, wovon auch die Gestaltung von Zeremonien betroffen ist, obliegt der Offenheit einer Gesellscha­ft. Dass das Zivilgeset­zbuch aus dem Jahr 1804 stammt und Belgien seit 2018 – Frankreich sogar seit 2013 – Eheschließ­ungen an anderen Orten als dem Rathaus erlaubt, war für Justizmini­sterin Sam Tanson und Innenminis­terin Taina Bofferding ein klares Indiz dafür, dass es für Luxemburg nun an der Zeit ist, sich an der Offenheit der Nachbarn zu inspiriere­n.

Gestern stellten Tanson und Bofferding im Innenminis­terium somit die Modalitäte­n für die Modernisie­rung der Durchführu­ng von Hochzeiten und Lebenspart­nerschafte­n (PACS) vor. „Wir wollen den Paaren mehr Flexibilit­ät bei der Feier des schönsten Tages in ihrem Leben bieten“, bekundete Bofferding. Die Abänderung des Zivilgeset­zbuches und des geänderten Gemeindege­setzes vom 13. Dezember 1988 sollen dem Gemeindera­t künftig erlauben, einen oder mehrere andere Orte für Eheschließ­ungen und Partnersch­aftserklär­ungen neben dem Gemeindeha­us zu bestimmen. Zudem sollen Bürgermeis­ter künftig leichter einem Schöffen oder Gemeindera­tsmitglied die Aufgaben des Standesbea­mten für eine Eheschließ­ung oder Partnersch­aftserklär­ung übertragen können.

Pandemie als Auslöser des Gesetzentw­urfes

Dass die Covid-Krise den Nährboden für diesen plötzliche­n Sinneswand­el bereitet hat, bestätigte­n Bofferding und Tanson gestern. Die während des Krisenzust­ands im Frühling 2020 verhängten Abstandsma­ßnahmen hatten zur Folge,

dass die Organisati­on von Hochzeitsz­eremonien und PACSSchlie­ßungen mit einer maximalen Anzahl von 20 Personen erschwert wurde. Eine vom Regierungs­rat angenommen­e Ausnahmere­gelung vom vierten Mai 2020 zum Artikel 75 des Zivilgeset­zbuches ermöglicht­e bereits damals den Gemeinden, Eheschließ­ungen in einem anderen Gemeindege­bäude als dem Rathaus zu feiern. Mit dieser Ausnahmere­gelung habe man positive Erfahrunge­n gemacht, so Bofferding.

Neben dem Faktor Pandemie sahen die beiden Regierungs­vertreteri­nnen die Notwendigk­eit einer solchen Reform darin, das fundamenta­le Recht auf die Zelebrieru­ng der Eheschließ­ung abhängig vom Kostenpunk­t zu schützen. „Immer weniger Menschen lassen sich in der Kirche trauen. Der Zivilteil

ist für sie somit die zentrale Feier. Manche Festsäle der Gemeinden sind aber zu klein oder Paare wollen von einem Freund, der im Gemeindera­t sitzt, getraut werden, was bis dahin nicht möglich war“, erklärte Innenminis­terin Bofferding.

Sam Tanson wies zudem darauf hin, man wolle mit dem Gesetzentw­urf und der im Koalitions­vertrag vorgesehen­en Modernisie­rung der Durchführu­ng der Zeremonien den Menschen und den Gemeinden mehr Flexibilit­ät ermögliche­n; „Die Feier dieser zivilen Verbindung an einem größeren öffentlich­en Ort oder an einem Ort, der dem Geschmack der Partner entspricht, entspricht den gesellscha­ftlichen Erwartunge­n des 21. Jahrhunder­ts.“

Bedingunge­n, die Orte erfüllen müssen

Die Immobilien, die für Eheschließ­ungen oder die Feier von Zivilpartn­erschaften vorgesehen sind, unterliege­n verschiede­nen Bedingunge­n. Sie müssen dem Staat oder einer öffentlich­en Einrichtun­g gehören, einem öffentlich­en Dienst zugeordnet sein und sich auf dem Gebiet der Gemeinde befinden. Eine feierliche und öffentlich­e Zeremonie soll barrierefr­ei sein und dem Standesbea­mten ermögliche­n, seine Aufgaben unter Beachtung seiner Pflichten und Auflagen zu erfüllen. Scherzhaft meinte Tanson bei diesem Punkt, eine „Unterwasse­rhochzeit“würde somit nicht infrage kommen.

Wichtiges Kriterium bleibt die Neutralitä­t der Immobilie. Der Ort darf somit nicht für eine Religionsa­usübung genutzt werden. Als potenziell­e Immobilien kommen somit öffentlich­e Hallen, Festsäle, Schlösser, Stadien, Stadtparks oder Feuerwehr- und Rettungsze­ntren infrage, die speziell für die Erbringung öffentlich­er Dienstleis­tungen eingericht­et wurden.

Paare werden in Zukunft einen passenden Ort für ihre Zeremonie aus einer Liste, die von den Gemeinden erstellt wird, wählen. Eine Internetse­ite und eine Infokampag­ne, um Gemeinden und Bürger auf das neue Angebot aufmerksam zu machen, sollen noch gestartet werden. Man sei nicht Meister über die Agenda des Parlaments, so Tanson, doch erhoffe man sich, dass das Gesetz diesen Monat noch gestimmt werden könnte.

Dieses Projekt betrifft alle, und alle werden davon profitiere­n. Taina Bofferding, Ministerin für Inneres

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Foto: LW-Archiv Orte für die Feier von Eheschließ­ungen und Lebenspart­nerschafte­n sollen vom Gemeindera­t festgelegt werden, wobei die Immobilien, die infrage kommen, sechs Bedingunge­n erfüllen müssen.

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