Luxemburger Wort

Volle Auftragsbü­cher, gestoppte Projekte

Die Gewinne sprudeln bei Paul Wurth, aber 40 Prozent des Neugeschäf­ts kommt 2021 von russischen Kunden

- Von Thomas Klein

Auf den ersten Blick sind die Zahlen, die Paul Wurth vorlegt, hervorrage­nd. Das Ergebnis war 2021 mit einem Gewinn von 23,7 Millionen so gut wie seit zehn Jahren nicht mehr. Das verkündet der Anlagenbau­er gestern auf seiner Jahrespres­sekonferen­z. Vor allem im Vergleich zu 2020, das sehr von den Auswirkung­en der CoronaKris­e geprägt war, stellt das einen deutlichen Zugewinn dar. Im Vorjahr erwirtscha­ftete das Unternehme­n einen Profit von gerade einmal 4,9 Millionen nach 14,4 Millionen im Jahr 2019.

Die Umsätze sind hingegen weiter rückläufig. Sie betrugen 392,3 Millionen Euro im vergangene­n Jahr nach 403,7 im Vorjahr und 479,2 im Jahr 2019. Die Fluktuatio­nen in Umsatz und Gewinn liegen in der Natur des Projektges­chäftes, erklärt Georges Rassel, CEO von Paul Wurth.

Niederlass­ung in Mariupol

Die Auftragsbü­cher sind zwar mit einem Volumen von 884,2 Millionen Euro so voll wie selten zuvor; allein 2021 kamen Aufträge im Wert von 641 Millionen Euro hinzu. Allerdings schränkt Rassel ein, dass etwa 40 Prozent der Neuaufträg­e aus Russland kommen und daher erstmal auf Eis liegen. So kommen beispielsw­eise zwei Großaufträ­ge vom russischen Magnitogor­sk Iron & Steel Works des Oligarchen Viktor Raschnikow, der auf der Sanktionsl­iste der EU steht. Ob und wie es mit diesen Projekten weitergeht, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, so Rassel, auf die Bilanz würden sich die potenziell­en Ausfälle aber wohl erst im kommenden Jahr niederschl­agen.

Paul Wurth ist von dem Konflikt betroffen, da das Unternehme­n traditione­ll in beiden Ländern

tätig ist. „In Übereinsti­mmung mit der Politik unserer Muttergese­llschaft haben wir unsere Aktivitäte­n in Russland eingefrore­n, und bis auf sicherheit­skritische Wartungsar­beiten werden keine weiteren Arbeiten durchgefüh­rt“, so Rassel. „Darüber hinaus hält sich das Unternehme­n an alle internatio­nalen und EU-Sanktionen.“Auch im stark umkämpften Mariupol habe Paul Wurth eine Niederlass­ung mit fünf Mitarbeite­rn gehabt, die aber inzwischen evakuiert worden seien. Drei weibliche Mitarbeite­r arbeiten inzwischen in Luxemburg.

Es ist der erste Jahresberi­cht seitdem Paul Wurth vollständi­g in die deutsche SMS Gruppe integriert wurde. „Seither hat sich die Arbeitswei­se unserer Organisati­on stark verändert. Unabhängig davon fühlen wir uns dem Standort Luxemburg verpflicht­et und der geplante Neubau unseres Firmensitz­es ist ein Zeichen für die Verbundenh­eit mit unserem Großherzog­tum“, sagte Rassel gestern. Das Unternehme­n wird in der Rue de l'Aciérie im Stadtteil ‚Nei-Hollerich‘ in der Hauptstadt einen neuen „Paul Wurth-Campus“errichten.

Das Gebäude soll auf dem Gelände der ehemaligen Gießerei und Werkstatt entstehen. Entworfen wurde der Bau von Metaform Architects und das Projekt wird vom hauseigene­n Bauentwick­ler Geprolux durchgefüh­rt.

Hoffen auf die gründe Wende

Großes Wachstumsp­otenzial sieht das Unternehme­n weiterhin in der Transforma­tion des Stahlsekto­rs, der für etwa sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwort­lich ist. Um den Sektor klimaneutr­al zu machen, seien alleine in Europa Investitio­nen von 100 Milliarden Euro notwendig. Alle technische­n Kompetenze­n für diesen Umbau seien innerhalb von Paul Wurth vorhanden, sagt Rassel. In der SMS Gruppe sei Paul Wurth das erklärte Zentrum für die Dekarbonis­ierung von Stahl und wasserstof­fbasierte Lösungen.

Durch den Ukraine-Krieg und den damit verbundene­n Verwerfung­en auf dem Energiemar­kt erwartet er sich auch eine zusätzlich­e Dynamik in der Energiewen­de, wovon Paul Wurth profitiere­n könne. Als Beispiele nannte er eine deutlich effiziente­re Elektrolys­eMethode zur Erzeugung von Wasserstof­f, die das Start-up Sunfire entwickelt hat, an dem Paul Wurth beteiligt ist, oder ein Projekt in Norwegen zur Herstellun­g synthetisc­hen Flugzeugbe­nzins.

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Paul Wurth-Chef Georges Rassel kann für 2021 sehr gute Zahlen vorlegen.
Foto: Anouk Antony Paul Wurth-Chef Georges Rassel kann für 2021 sehr gute Zahlen vorlegen.
 ?? Foto: Paul Wurth ?? In der Rue de l'Aciérie im Stadtteil ‚Nei-Hollerich‘ soll der neue „Paul Wurth-Campus“entstehen.
Foto: Paul Wurth In der Rue de l'Aciérie im Stadtteil ‚Nei-Hollerich‘ soll der neue „Paul Wurth-Campus“entstehen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg