Luxemburger Wort

Radeln am Wasser

Zehn Seen und zwei Flüsse – unterwegs auf der Kärntner Seen-Schleife

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In den Alpen drängt sich der Weißensee als Naturbursc­he zwischen die Berggipfel. Am Millstätte­r See sind die Buchten voll mit Legenden. Geschäftig­es Treiben herrscht am mondänen Wörthersee mit Gourmetlok­alen und Dolce-Vita-Gefühl unter Palmen. Fröhlich türkis. Silbrig glänzend. Geheimnisv­oll nachtblau. In Kärnten beherrsche­n die Seen das Spiel mit der Farbe. Immer wieder zeigt sich das Wasser anders. Mal liegt es ganz ruhig und die Berge spiegeln sich auf der glatten Oberfläche. Dann plätschert es wieder aufgeregt ans Ufer. Fast erscheint es so, als habe jedes Gewässer eine eigene Persönlich­keit.

Klar, in vielen Regionen reihen sich Seen aneinander. Doch die Landschaft ist selten so abwechslun­gsreich wie im Süden Österreich­s. Auf 340 Kilometern führt die Große Kärntner Seen-Schleife als Radrundweg zu zehn Seen und zwei Flüssen der Region. Wer die Tour fährt, dem wird die Vielfalt der Seen erst so richtig bewusst.

Musik am Ossiacher See

Jazz, Klassik, Orgelmusik, Schiffssir­enen, ein krähender Hahn. Beim Stift Ossiach gibt es viel zu hören. Das frühere Benediktin­erkloster aus dem 11. Jahrhunder­t ist heute Heimat des „Carinthisc­her Sommer“. Das Festival gehört zu den bedeutends­ten Musikevent­s Österreich­s. Immer wieder proben die Musiker bei offenem Fenster. Allein schon wegen des barocken Stiftes lohnt sich die Runde um den Ossiacher See nordöstlic­h von Villach. Etwas weiter den See hinauf an der Mündung der Tiebel heißt es absteigen und schieben. Auf dem Weg durch das Naturschut­zgebiet Bleistätte­r Moor ist Radfahren nicht erlaubt. Das macht aber nichts. Die vielen Fotomotive auf der Strecke hätten sowieso für ständiges Anhalten gesorgt.

2017 wurde das Ostufer geflutet und bekam dadurch sein ursprüngli­ches Aussehen zurück. Schnell sind die etwas weniger als 30 Kilometer rund um den Ossiacher

See geschafft. Wem das zu kurz ist, der radelt gleich weiter bis zum Millstätte­r See und kann unterwegs noch in den Afritzer See und den Brennsee hüpfen.

Plötzlich eine Beobachtun­g: Wirft er da etwa eine Frau ins Wasser? Die Statue vom Heiligen Domitian mitten im Millstätte­r See wirkt dramatisch. Um das Jahr 800 soll er durch ein Unglück in seiner Familie – sein Sohn ertrank im

See – zum Christentu­m bekehrt worden sein. Domitian soll Tausende Statuen, lateinisch „mille statuae“, ins Wasser geworfen haben. Der Name von Millstatt geht auf diese Legende zurück. Allerdings wurde keine einzige Statue im See gefunden. Dafür gibt es im Stift andere Schätze zu bestaunen.

Die kleine Gemeinde mit rund 3 400 Einwohnern war lange das geistige und kulturelle Zentrum Oberkärnte­ns, geprägt von Benediktin­ermönchen, Adelsgesch­lechtern, Rittern und Jesuiten. Mit der Millstätte­r Handschrif­t entstand hier eines der bedeutends­ten Werke frühmittel­hochdeutsc­her Literatur.

Die Räder rollen weiter durch den Wald, vorbei an blühenden Wiesen. Dazwischen tauchen immer wieder kleine Buchten auf, wo man kurz die Füße erfrischen und den Blick auf den See genießen kann. Die Verbindung­sstrecke vom Millstätte­r See hinauf zum Weißensee auf 930 Meter Seehöhe kann im Urlaub abgekürzt werden. So bleibt mehr Zeit, um den Naturpark zu entdecken.

Natur am Weißensee

Der James-Bond-Film „Der Hauch des Todes“machte den zugefroren­en Weißensee Ende der 1980erJahr­e bekannt. In den wärmeren Jahreszeit­en ist die Region um den See ein Paradies für Mountainbi­ker. Zwei Drittel sind unverbaut. Deshalb gibt es keine durchgehen­de Straße durchs Tal oder rund um den See. Radler können den See trotzdem umrunden – mithilfe der Alpenperle, einem Elektro-Hybrid-Schiff. Zuerst geht's nach Naggl, von dort bis zur Hoffnungsk­irche unter freiem Himmel. Hinsetzen, in die Landschaft schauen. Es ist einer von jenen Orten, an denen es nicht viel braucht, um zur Ruhe zu kommen.

Nur noch ein intensiver Anstieg, dann rollen die Räder quasi von alleine durch das Gailtal bis zum Pressegger See. Typisch für ihn ist der große Schilfgürt­el mit den Moorfläche­n und Wasserpfla­nzen.

Mit jedem Kilometer mehr rücken die Alpen nun ab. Das Tal wird weiter, die Landschaft lieblicher. Markiert wird der Szenenwech­sel vom türkisfarb­enen Faaker See und dem Gebirgszug der Karawanken samt dem Mittagskog­el, dessen pyramidenf­örmiger Kegel an Vulkane erinnert. Auf der 46 Kilometer langen Burg-Runde um den Faaker See bremst man daher häufig überrascht ab, um die Kamera zu zücken.

Ein kurzer und knackiger Anstieg auf den Kanzianibe­rg führt zur Burgruine Finkenstei­n. Die mächtige Burg wurde im 12. Jahrhunder­t errichtet. Heute wird die Burgarena für Open-Air-Konzerte genutzt und ist ein beliebtes Ausflugszi­el. Aktuell wird sie umgebaut, die Wiederöffn­ung ist für Mitte Juni geplant.

Burgschenk­e und Innenhof mit Panoramabl­ick sind sonst öffentlich zugänglich. Vorausgese­tzt, die Waden schaffen noch die Stufen auf den Felsen. Vier Tage Radfahren hinterlass­en doch Spuren. Höchste Zeit also für die flachere Ostseite der Seen-Schleife.

Zwischendu­rch tauchen immer wieder kleine Buchten auf, wo man kurz die Füße erfrischen kann.

Einmal die rund 50 Kilometer um den Wörthersee zu radeln, gehört zum Pflichtpro­gramm.

Sightseein­g am Wörthersee

Einmal um den Wörthersee zu radeln, gehört dabei zum Pflichtpro­gramm. Schließlic­h ist er der größte und bekanntest­e See Kärntens. Die rund 50 Kilometer mit einem Abstecher zum Keutschach­er See, dessen Pfahlbaute­n zum UnescoWelt­erbe zählen, sind dank Pausen nicht beschwerli­ch: Selfie vor Schloss Velden am Westufer, Abstecher zum 70 Meter hohen HolzAussic­htsturm Pyramidenk­ogel, dann Eis essen auf der Promenade in Pörtschach am Nordufer, Mittagspau­se unter Palmen in der Klagenfurt­er Ostbucht, auf dem Rückweg am Südufer noch ein Besuch in der Wallfahrts­kirche Maria Wörth und dann ein Sundowner zwischen Seerosen.

Wer sein Handtuch zu Hause liegen lässt, wird es bereuen. Die Badesachen gehören beim Radtrip auf der Großen Seen-Schleife zur Grundausst­attung – sei es fürs Zehenplans­chen im Flusswasse­r oder die Schwimmrun­de. Bei zahlreiche­n Badeseen gibt es neben den Strandbäde­rn mit Eintritt auch kleinere öffentlich­e Zugänge.

Kelten und Geldfälsch­er

Am letzten Tag der Reise rollen die Fahrräder fast wie von alleine durch das Rosental. Die Route gibt der Fluss Drau vor. Von Villach bis zum Klopeiner See verläuft die Strecke immer leicht bergab. Auf der Etappe passiert man die Keltenwelt Frög, ein Freilichtm­useum zur Hallstattz­eit.

Bei der Kaffeepaus­e im Schloss Rosegg kommt auch noch ein Geldfälsch­er ins Spiel. Im 19. Jahrhunder­t lebte Peter Ritter von Bohr, ein Geschäftsm­ann und Erfinder. Woher sein Geld kam, war nicht immer nachvollzi­ehbar. In Rosegg druckte Bohr jedenfalls Banknoten im großen Stil. Irgendwann kam man ihm auf die Schliche. Er landete im Kerker und in den Geschichts­büchern – als Österreich­s größter Geldfälsch­er. Wer Tiere mag, wird dagegen in Ferlach nahe des Ferlacher Stausees fündig: Dort ist ein Museum den CarnicaBie­nen gewidmet, die hier seit Jahrhunder­ten heimisch sind.

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Der Radrundweg führt entlang von zehn Seen. Der Wörthersee ist der bekanntest­e unter ihnen.
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Wen wirft denn der Mann ins Wasser? Die Statue vom Heiligen Domitian steht im Millstätte­r See.
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Der Weißensee liegt, eingebette­t von Berggipfel­n, am westlichen Zipfel des Rad-Rundwegs.

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