Neue Landwirtschaft
Wegen der blockierten ukrainischen Schwarzmeerhäfen können Getreideund Ölsaaten ihren Weg nicht mehr zu den Verbrauchern finden, und die Preise für Stickstoff-Dünger gehen durch die Decke: Viel zu besprechen hatten darum die Landwirtschaftsminister der sieben größten Industriestaaten, als sie sich am Freitag und Samstag trafen. Tatsächlich müssen wir unsere Lebensmittelversorgung und -produktion auf den Prüfstand stellen. Nachhaltig ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation nachkommt, ohne die künftigen Generationen zu gefährden – eine Definition, die einst aus der Forstwirtschaft kam. Doch wie kann die Ernährungssicherheit gewährleistet werden, wenn die Weltbevölkerung schneller wächst als Ackerund Weideflächen? Und was nützt eine klimaschonende Landwirtschaft, wenn sie mit sozialen Konflikten einhergeht und sich eine Hunger-Katastrophe in gerade den Ländern anbahnt, in denen Armut und Bevölkerungswachstum am Größten sind? Dabei landet ein Großteil des Getreides, das weltweit auf den Feldern wächst, im Futtertrog. Die wachsende Zahl an Nutztieren wird von vielen Agrarökonomen kritisch gesehen. Sie fordern ein Umdenken in der Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben. Regenwald wird abgeholzt, um Soja anzupflanzen, das als Kraftfutter an Mastbetriebe geliefert wird. Bäume sind aber die natürlichen Klimaregulierer. Wir können nicht noch mehr Wald abholzen, um Weide- und Ackerflächen zu gewinnen. Forscher aus Finnland haben nun im Fachblatt „Nature Food“geschrieben, würde man in Europa die konventionelle fleischbasierte Kost durch eine ökologisch optimierte Ernährung ersetzen – dazu würden auch eiweißreiche Insekten gehören -, sänke sowohl der Land- als auch der Wasserverbrauch sowie der Ausstoß von Treibhausgasen um jeweils mehr als 80 Prozent. Darüber hinaus sagen Ernährungswissenschaftler, dass mehr Gemüse,
Obst, Nüsse und weniger Fleisch nicht nur gut für den Planeten, sondern auch für unseren Körper wären. Lebten 1970 rund vier Milliarden Menschen auf der Erde, so sind es jetzt fast acht. 2050 sollen es elf Milliarden sein. Die Nachfrage nach Lebensmitteln steigt damit. Zwar soll nach UN-Prognosen das Wachstum der Weltbevölkerung 2200 ihren Höhepunkt erreichen, aber bis dahin werden mehr Menschen auch mehr Ressourcen verbrauchen und mehr Treibhausgase produzieren. Zudem braucht eine größere Anzahl von Menschen auch mehr Platz. Wie also in Zukunft auf gleichbleibender Fläche mehr Nahrungsmittel produzieren? Damit die Erde uns auch in Zukunft ernähren kann, müssen die Industrienationen den Verzehr von Fleisch deutlich reduzieren – um mindestens 75 Prozent. Zu diesem Schluss kommt eine im April publizierte Studie der Universität Bonn. Idealerweise sollte der Fleischkonsum auf 20 Kilogramm pro Person im Jahr sinken – in Luxemburg sind es derzeit mehr als viermal so viel. Anatomisch gesehen ist der Mensch ein Allesfresser: Fleisch gehörte also immer dazu – allerdings in weit geringerem Maße als der bewegungsarme Durchschnittskonsument von heute zu sich nimmt.
Unseren Fleischkonsum müssen wir deutlich reduzieren.