„Ernte aus der Ukraine retten“
Die Ernährungssicherheit war beim G7-Agrarministertreffen das Hauptthema
Wegen des Ukraine-Kriegs steigen weltweit die Getreidepreise. Die Gruppe der G7 fordert darum Russland auf, die Blockade ukrainischer Getreideexporte zu beenden und will dabei helfen, Alternativwege zu finden. Nachdem es laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) beim Schienentransport über Rumänien wegen der unterschiedlichen Spurbreite der Bahnen Probleme gibt, wird nun die Ausfuhr über die baltischen Häfen geprüft. „Davon hängen auch die Preise ab, die Verbraucher weltweit zahlen müssen in den nächsten Monaten“, so der ukrainische Agrarminister Mykola Solskyj.
Der deutsche Agrarminister Cem Özdemir, der den Vorsitz des G7-Agrarministertreffens am Freitag und Samstag innehatte, wirft dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, gegen die Ukraine auch einen Wirtschaftskrieg zu führen. Der Kremlchef bediene sich einfach an den Weizenreserven
des Landes und setze Hunger gezielt als Waffe ein, indem der Export von Weizen aus der Ukraine mit Hafenblockaden verhindert werde. Verknappung und Erhöhung der Preise seien eine bewusste Kriegsstrategie. Die Welthungerhilfe warnte anlässlich des Toptreffens vor einem „noch drastischeren Anstieg“der Zahl der Hungernden. „Wir müssen damit rechnen, dass sich Brot, Brötchen und Baguette etwas verteuern. Aber das wird unsere Versorgungslage nicht bedrohen“, sagt der Agrarwissenschaftler Sebastian Hess von der Universität Stuttgart-Hohenheim der dpa. Wegen des Kriegs sitzen etwa 20 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine fest und fehlen auf dem Weltmarkt. Aggressor Putin spricht derweil von einem Ernterekord in Russland und sieht sich als Problemlöser bei der weltweiten Lebensmittelversorgung.
Die G7-Agrarministerrunde spricht sich für offene Märkte aus. Derweil hat Indien ein Exportstopp
für Weizen angeordnet. Indien ist weltweit zweitgrößter Weizenproduzent. „Wir haben alle miteinander, gerade die großen Exportnationen, auch eine Verantwortung für den Rest der Welt“, sagte Özdemir gestern nach Abschluss des Treffens mit seinen Amtskollegen.
Offene Märkte und vielfältigere Landwirtschaft
Nach dem Willen der Ressortchefs sollen die G7-Staats- und Regierungschefs nun über das Thema beraten. Indien ist beim Gipfel Ende Juni zu Gast. Der Höhenflug bei den Getreidepreisen bedroht insbesondere arme Länder, die auf Importe angewiesen sind. Die G7 sprechen sich darum grundsätzlich gegen Exportstopps aus und wollen die Preise für Produktionsund Lebensmittel stärker überwachen als bisher, dabei gehe es auch um Düngemittel.
Um besser vor Hungerkatastrophen geschützt zu sein, muss sich die Welt nach Ansicht der UN vielfältiger ernähren. Eine globale Hungerkrise durch den Krieg in der Ukraine drohe auch deshalb, weil sich der Markt auf drei Getreidesorten konzentriere – Weizen, Mais und Reis. Um diese Abhängigkeiten aufzulösen, brauche es neben regionaler, kleinbäuerlicher Landwirtschaft auch eine Rückbesinnung auf die Vielfalt von Nutzpflanzen.
Während sich in den letzten 60 Jahren die globale Bevölkerungszahl verdoppelt hat, hat sich zugleich die „Fleischproduktion“fast verfünffacht. Die Tierhaltung ist laut UN für fast so viel Treibhausgasemissionen verantwortlich wie der gesamte Verkehr weltweit.
Neben der Ernährungssicherung hat das sogenannten „G7 Agriculture Track“als Arbeitsschwerpunkte die Stärkung nachhaltiger, entwaldungsfreier Agrarlieferketten und die dauerhafte Reduktion des Einsatzes von Pestiziden sowie der Beitrag der Landwirtschaft zum Schutz von Klima und Biodiversität. Um den Ausfall der Einfuhren aus der Ukraine zu kompensieren, ist Brüssel aufgerufen, die 2023 greifende Vorgabe um ein Jahr zu verschieben, wonach der Anbau derselben Ackerpflanze zwei Jahre in Folge auf derselben Fläche zum Bodenschutz grundsätzlich nicht mehr möglich ist.
„Als luxemburgische Landwirtschaft begrüßen wir diese Entscheidung“, erklärt dazu Christian Wester, Präsident der Centrale paysanne. Das Hin und Her zeige aber auch, dass es der europäischen Landwirtschaft an einer langfristigen Ausrichtung fehle. „Agrarpolitik“, so Wester, „wird zur Zeit leider ohne Absprache mit dem Sektor gemacht.“