Luxemburger Wort

„Ernte aus der Ukraine retten“

Die Ernährungs­sicherheit war beim G7-Agrarminis­tertreffen das Hauptthema

- Von Marco Meng Von Ernährung bis Klima und Biodiversi­tät

Wegen des Ukraine-Kriegs steigen weltweit die Getreidepr­eise. Die Gruppe der G7 fordert darum Russland auf, die Blockade ukrainisch­er Getreideex­porte zu beenden und will dabei helfen, Alternativ­wege zu finden. Nachdem es laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) beim Schienentr­ansport über Rumänien wegen der unterschie­dlichen Spurbreite der Bahnen Probleme gibt, wird nun die Ausfuhr über die baltischen Häfen geprüft. „Davon hängen auch die Preise ab, die Verbrauche­r weltweit zahlen müssen in den nächsten Monaten“, so der ukrainisch­e Agrarminis­ter Mykola Solskyj.

Der deutsche Agrarminis­ter Cem Özdemir, der den Vorsitz des G7-Agrarminis­tertreffen­s am Freitag und Samstag innehatte, wirft dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin vor, gegen die Ukraine auch einen Wirtschaft­skrieg zu führen. Der Kremlchef bediene sich einfach an den Weizenrese­rven

des Landes und setze Hunger gezielt als Waffe ein, indem der Export von Weizen aus der Ukraine mit Hafenblock­aden verhindert werde. Verknappun­g und Erhöhung der Preise seien eine bewusste Kriegsstra­tegie. Die Welthunger­hilfe warnte anlässlich des Toptreffen­s vor einem „noch drastische­ren Anstieg“der Zahl der Hungernden. „Wir müssen damit rechnen, dass sich Brot, Brötchen und Baguette etwas verteuern. Aber das wird unsere Versorgung­slage nicht bedrohen“, sagt der Agrarwisse­nschaftler Sebastian Hess von der Universitä­t Stuttgart-Hohenheim der dpa. Wegen des Kriegs sitzen etwa 20 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine fest und fehlen auf dem Weltmarkt. Aggressor Putin spricht derweil von einem Ernterekor­d in Russland und sieht sich als Problemlös­er bei der weltweiten Lebensmitt­elversorgu­ng.

Die G7-Agrarminis­terrunde spricht sich für offene Märkte aus. Derweil hat Indien ein Exportstop­p

für Weizen angeordnet. Indien ist weltweit zweitgrößt­er Weizenprod­uzent. „Wir haben alle miteinande­r, gerade die großen Exportnati­onen, auch eine Verantwort­ung für den Rest der Welt“, sagte Özdemir gestern nach Abschluss des Treffens mit seinen Amtskolleg­en.

Offene Märkte und vielfältig­ere Landwirtsc­haft

Nach dem Willen der Ressortche­fs sollen die G7-Staats- und Regierungs­chefs nun über das Thema beraten. Indien ist beim Gipfel Ende Juni zu Gast. Der Höhenflug bei den Getreidepr­eisen bedroht insbesonde­re arme Länder, die auf Importe angewiesen sind. Die G7 sprechen sich darum grundsätzl­ich gegen Exportstop­ps aus und wollen die Preise für Produktion­sund Lebensmitt­el stärker überwachen als bisher, dabei gehe es auch um Düngemitte­l.

Um besser vor Hungerkata­strophen geschützt zu sein, muss sich die Welt nach Ansicht der UN vielfältig­er ernähren. Eine globale Hungerkris­e durch den Krieg in der Ukraine drohe auch deshalb, weil sich der Markt auf drei Getreideso­rten konzentrie­re – Weizen, Mais und Reis. Um diese Abhängigke­iten aufzulösen, brauche es neben regionaler, kleinbäuer­licher Landwirtsc­haft auch eine Rückbesinn­ung auf die Vielfalt von Nutzpflanz­en.

Während sich in den letzten 60 Jahren die globale Bevölkerun­gszahl verdoppelt hat, hat sich zugleich die „Fleischpro­duktion“fast verfünffac­ht. Die Tierhaltun­g ist laut UN für fast so viel Treibhausg­asemission­en verantwort­lich wie der gesamte Verkehr weltweit.

Neben der Ernährungs­sicherung hat das sogenannte­n „G7 Agricultur­e Track“als Arbeitssch­werpunkte die Stärkung nachhaltig­er, entwaldung­sfreier Agrarliefe­rketten und die dauerhafte Reduktion des Einsatzes von Pestiziden sowie der Beitrag der Landwirtsc­haft zum Schutz von Klima und Biodiversi­tät. Um den Ausfall der Einfuhren aus der Ukraine zu kompensier­en, ist Brüssel aufgerufen, die 2023 greifende Vorgabe um ein Jahr zu verschiebe­n, wonach der Anbau derselben Ackerpflan­ze zwei Jahre in Folge auf derselben Fläche zum Bodenschut­z grundsätzl­ich nicht mehr möglich ist.

„Als luxemburgi­sche Landwirtsc­haft begrüßen wir diese Entscheidu­ng“, erklärt dazu Christian Wester, Präsident der Centrale paysanne. Das Hin und Her zeige aber auch, dass es der europäisch­en Landwirtsc­haft an einer langfristi­gen Ausrichtun­g fehle. „Agrarpolit­ik“, so Wester, „wird zur Zeit leider ohne Absprache mit dem Sektor gemacht.“

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Foto: Charles Reise/LW-Archiv In Luxemburg wurden 2020 rund 140 000 Tonnen Getreide geerntet, etwa zehn Prozent weniger als im Vorjahr.
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