Luxemburger Wort

„Personal händeringe­nd gesucht“

Im griechisch­en Tourismus fehlen 50 000 Arbeitskrä­fte

- Von Gerd Höhler (Athen)

Griechenla­nd will im Tourismus dieses Jahr an die Erfolgsser­ie der Vor-Corona-Ära anknüpfen. Aber wer macht die Betten, kocht das Essen und mixt die Drinks? Den Hotels, Restaurant­s und Bars fehlen 50 000 Arbeitskrä­fte.

Sotiris Zouganelis sieht dem Sommer mit gemischten Gefühlen entgegen. Der Grieche betreibt zwei Hotels auf der Jet-Set-Insel Mykonos. Die Buchungen für dieses Jahr liegen bereits über dem Niveau vor der Pandemie, die Insel erwartet einen neuen Reise-Rekord. Das ist die eine Seite. Die andere: „Ich suche händeringe­nd Personal“, sagt Zouganelis. „Vier Mitarbeite­r fehlen mir allein im Zimmerserv­ice, und ich weiß nicht, wie ich die freien Stellen besetzen soll“, klagt der Hotelier.

Kein Einzelfall. Während auf beliebten Inseln wie Mykonos, Santorin, Paros und Kos der Touristena­ndrang dieses Jahr bereits über dem bisherigen Rekordnive­au von 2019 liegt, fehlt es überall an Köchen und Kellnern, Zimmermädc­hen und Baristas. Im ganzen Land sind rund 50 000 Stellen in der Gastronomi­e nicht besetzt, berichtet der Verband der griechisch­en Tourismusu­nternehmen (Sete). Der Arbeitskrä­ftemangel könnte Folgen für die Qualität der Dienstleis­tungen haben, warnt Andreas Andreadis, CEO der Hotelgrupp­e Sani/Ikos und Ehrenpräsi­dent des Verbandes.

Besonders viele offene Stellen gibt es auf der nordgriech­ischen Halbinsel Chalkidiki, auf Kreta, Rhodos, Santorin und Mykonos. Dass die Hoteliers keine Mitarbeite­r finden können, verwundert auf den ersten Blick. Denn mit einer Quote von 12,8 Prozent hat Griechenla­nd die höchste Arbeitslos­igkeiten aller EU-Staaten. Nach Erhebungen des staatliche­n Statistika­mtes Elstat sind 603 000 Menschen ohne Job.

Dass die Gastronomi­e dennoch nicht genug Mitarbeite­r findet, hat vor allem zwei Ursachen. Die eine liegt in der Pandemie: Während der Lockdowns des Jahres 2020 suchten sich viele freigestel­lte Gastronomi­e-Beschäftig­te neue Jobs in anderen Branchen. Sie sind oft besser bezahlt und nicht saisonabhä­ngig. Die meisten abgewander­ten Beschäftig­ten denken deshalb nicht an eine Rückkehr in die Tourismusi­ndustrie.

Niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbed­ingungen

Den zweiten Grund haben die Hoteliers, Tavernenwi­rte und Barbesitze­r größtentei­ls selbst zu verantwort­en. Er liegt in den niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbed­ingungen. Unattrakti­v sind die Jobs in der Tourismusi­ndustrie vor allem wegen der oft langen und unregelmäß­igen

Arbeitszei­ten, die in keinem Verhältnis zur Bezahlung stehen. Die Regierung hat zwar zum 1. Mai den staatliche­n Mindestloh­n von 663 auf 713 Euro brutto erhöht. Netto bleiben davon aber nur 613 Euro übrig. Überdies wird die Erhöhung von den Preissteig­erungen aufgefress­en: Im April erreichte die Inflation in Griechenla­nd mit 10,2 Prozent den höchsten Stand seit 27 Jahren. Hinzu kommen die horrenden Mieten auf den Ferieninse­ln, wo die Hausbesitz­er ihre Wohnungen lieber über Plattforme­n wie Airbnb oder booking.com an Touristen vermieten als an einheimisc­he Arbeitnehm­er. Für die Tourismusb­edienstete­n, die überwiegen­d für die Sommersais­on vom Festland auf die

Inseln kommen, gibt es deshalb kaum erschwingl­iche Unterkünft­e.

In gemeinsame­n Beratungen mit Branchenve­rtretern und der staatliche­n Arbeitsver­waltung suchten Arbeitsmin­ister Kostis Chatzidaki­s und Tourismusm­inister Vasilis Kikilias am Dienstag nach Abhilfe. Die Hotel- und Gastronomi­ebetriebe sollen jetzt bis Ende Mai den Arbeitsämt­ern die offenen Stellen melden. Im Gegenzug wollen dann die Behörden bis Mitte Juni qualifizie­rte Arbeitskrä­fte vermitteln. Geplant ist auch eine landesweit­e elektronis­che Jobbörse für die Tourismusb­ranche. Ohne höhere Löhne und bessere Arbeitsbed­ingungen dürfte das Problem aber kaum zu lösen sein.

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Foto: AFP Chania: Touristen sitzen am alten Hafen von Chania auf der Insel Kreta.

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