Luxemburger Wort

Drohbriefe: zwei Jahre Haft gefordert

37-jähriger Angeklagte­r reumütig – Anwalt stellt Unabhängig­keit der Richter infrage

- Von Steve Remesch

Luxemburg. „Jetzt, wo ich meine eigenen Worte höre, machen sie mir selbst Angst“, meinte jener Mann, der sich am Mittwoch vor Gericht verantwort­en musste, weil er im Juli und im Dezember 2021 anonyme Morddrohun­gen an Regierungs­mitglieder verschickt hatte.

Von den fünf Schreiben, die Fernando T. etwa an das Staatsmini­sterium, das Gesundheit­sministeri­um und die CNS verschickt hatte, beinhaltet­en zwei Umschläge zudem eine unbekannte Substanz, die eine sehr umfangreic­he Prozedur zur Gefahrenab­wehr zur Folge hatte.

In den Briefen bedrohte der Impf- und Maßnahmeng­egner nicht nur Xavier Bettel, dessen Lebensgefä­hrten und Angehörige zu töten, sondern auch Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert und insbesonde­re deren Töchter. „Ich stelle mir bereits ihre geköpften und in die Mosel geworfenen Körper vor“, schrieb er. Die Briefe beinhaltet­en zudem aneinander­gereihte und teils homophobe Beleidigun­gen. Weiter drohte er mit Anschlägen gegen Impf- und Testzentre­n.

Bedrohung wurde als ernst eingestuft

Diese Taten seien nur durch einen Kurswechse­l der Regierung in der Corona-Politik und einen sofortigen Rücktritt Xavier Bettels abzuwenden. Die anonymen und sehr präzisen Drohungen wurden nach einer Risikoeins­tufung sehr ernst genommen, erklärte ein Ermittler am Mittwoch im Prozess. Für die Betroffene­n und deren Umfeld, für die die Sicherheit­svorkehrun­gen drastisch erhöht werden mussten, habe dies erhebliche Einschränk­ungen mit sich gebracht. Zudem sei auch der Schutz und die Überwachun­g der Impf- und Testzentre­n erhöht worden.

Auf die Spur war die Polizei Fernando T. übrigens wegen zwei sprachlich­er Eigenheite­n gekommen. Auf Facebook hatte er unter Medienberi­chten unter einem Pseudonym – dem Namen einer tatsächlic­h existieren­den, aber völlig unbeteilig­ten Person – maßnahmenk­ritische Kommentare hinterlass­en.

Genau wie in den Drohbriefe­n schrieb er „M.me Lenert“, mit einem Punkt zwischen beiden M, wenn er sich an Paulette Lenert richtete. Außerdem war auch der völlige Verzicht auf Apostrophe­n eine Konstante sowohl in den Drohbriefe­n als auch in den Facebook-Kommentare­n.

Facebook übermittel­te der Polizei schließlic­h auf wiederholt­e Nachfrage eine zum Nutzername­n passende Telefonnum­mer – jene von Fernando T., welcher, als er bei der Arbeit von der Kriminalpo­lizei konfrontie­rt wurde, sofort ein Geständnis ablegte.

„Ich hatte einen schwachen Moment“

Im Prozess erklärte der 37-jährige Busfahrer, er habe einen schwachen Moment gehabt. Er habe die Einschränk­ungen wegen der Pandemie schlicht nicht mehr ertragen. Dass diese nicht die Schuld von Bettel oder Lenert seien, sondern eine Folge der Pandemie, das verstehe er heute. Was er getan habe, tue ihm leid. Er habe niemandem Angst machen wollen. Viel mehr hatte er im Prozess nicht zu sagen.

„Ihr Ziel war es, Menschen zu terrorisie­ren“, hielt ihm die Vertreteri­n der Anklage entgegen. „Das ist Terrorismu­s. Sie haben versucht, die Regierung zu erpressen, in dem Sie Angst verbreitet haben.“Jeder habe unter den pandemiebe­dingten Einschränk­ungen leiden müssen.

„Jeder hätte lieber ein normales Leben geführt, auch Paulette Lenert und Xavier Bettel“, führte die Anklägerin weiter aus. „Minister sind Menschen wie andere auch. Sie aber haben entschiede­n, sie ganz persönlich Angst und Terror auszusetze­n.“Und das nach langer Vorbereitu­ng und intensiven Internetre­cherchen zu den Betroffene­n.

„Justiz muss mit aller Strenge reagieren“

Es gebe keinen Zweifel daran, dass Fernando T. seine Taten bereue. Ebenso sei er bislang nie straffälli­g geworden. Dennoch seien seine Taten äußerst schwerwieg­end und die Justiz müsse mit aller Strenge auf solche Vorgänge reagieren. Deshalb forderte die Anklägerin dann eine Haftstrafe von 24 Monaten und eine der Tat entspreche­nde Geldstrafe.

Einer Teilbewähr­ung, möglicherw­eise unter Auflagen, widersetze sie sich nicht. Aus einer Aussage der ehemaligen Lebensgefä­hrtin des Angeklagte­n, die von der Verteidigu­ng eingebrach­t wurde, gehe hervor, dass Fernando T. wohl mental unstabil sei. Daher könne das Gericht etwa eine psychiatri­sche Behandlung zur Bedingung für eine Teilbewähr­ung machen, so die Vertreteri­n der Anklage.

Der Verteidige­r von Fernando T. hob indes hervor, sein Mandant habe niemandem schaden wollen. Er habe das Ausmaß der Konsequenz­en seiner Taten schlicht unterschät­zt. Den Worten Taten folgen zu lassen, habe er nie beabsichti­gt. Außerdem habe er inzwischen erfolgreic­h das Anti-Radikalisi­erungs-Programm von Respect.lu absolviert und sein früherer Arbeitgebe­r habe ihn nach einer zwischenze­itlichen Entlassung wieder eingestell­t. Das Gericht solle Milde walten lassen.

Ihr Ziel war es, Menschen zu terrorisie­ren! Anklägerin im Prozess

Zu Beginn des Verfahrens hatte der Verteidige­r von Fernando T. aber zunächst gleich drei Rechtsmitt­el eingebrach­t, die darauf hinausziel­ten, einen Prozess zu verhindern. „Mein Mandant hat ein Recht auf einen fairen Prozess vor einem unabhängig­en und unparteiis­chen Gericht“, stellte Me Edoardo Tiberi klar. „Das wird ihm aber verweigert.“Das Gericht müsse sich für inkompeten­t erklären.

Sowohl die Menschenre­chtskonven­tion wie auch die Grundrecht­echarta der EU sichere seinem Mandanten einen fairen Prozess vor unabhängig­en und unparteiis­chen Richtern zu. Das sei hier aber nicht der Fall. Die Nominierun­gsprozedur­en in der Luxemburge­r Justiz seien nämlich grundsätzl­ich nicht unabhängig von Exekutive. Deswegen gebe es einen Verstoß gegen die Gewaltentr­ennung.

Ferner bestimme die Verfassung, dass alle Menschen gleich vor dem Gesetz seien. Außenminis­ter Asselborn habe aber in einem Radiointer­view im vergangene­n März die Möglichkei­t erläutert, Wladimir Putin „physisch zu eliminiere­n“. Das sei nichts anderes, als das, was seinem Mandanten vorgeworfe­n würde. Asselborn hingegen würde aber im Gegensatz zu seinem Klienten nicht deswegen der Prozess gemacht.

Weiter erklärte Me Tiberi, der Code pénal habe keine legale Gültigkeit. Der letzte Artikel im Text, Art. 567, besage, dass „un arrêté (royal) grand-ducal déterminer­a l'époque de la mise à exécution du présent code“. Ein Arrêté grandducal dürfe aber nicht darüber bestimmen, wie ein Gesetz angewandt werde. Außerdem sei der Code pénal seit diesem Arrêté von 1879 inzwischen 471 Mal abgeändert worden. Das Luxemburge­r Strafgeset­z sei deswegen nicht legal und die Tatvorwürf­e seien aufgrund dessen zu annulliere­n.

Die Richter der 18. Strafkamme­r entschiede­n nach kurzer Beratung, in ihrem Urteil zu diesen Anträgen der Verteidigu­ng Stellung zu beziehen. Dieses ergeht am 16. Juni.

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Foto: Lex Kleren Das Urteil der 18. Strafkamme­r ergeht am 16. Juni.
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Fotos: A. Antony Als äußerst aggressiv und gefährlich beschrieb die Anklägerin die Drohungen gegen Xavier Bettel und Paulette Lenert.
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