Drohbriefe: zwei Jahre Haft gefordert
37-jähriger Angeklagter reumütig – Anwalt stellt Unabhängigkeit der Richter infrage
Luxemburg. „Jetzt, wo ich meine eigenen Worte höre, machen sie mir selbst Angst“, meinte jener Mann, der sich am Mittwoch vor Gericht verantworten musste, weil er im Juli und im Dezember 2021 anonyme Morddrohungen an Regierungsmitglieder verschickt hatte.
Von den fünf Schreiben, die Fernando T. etwa an das Staatsministerium, das Gesundheitsministerium und die CNS verschickt hatte, beinhalteten zwei Umschläge zudem eine unbekannte Substanz, die eine sehr umfangreiche Prozedur zur Gefahrenabwehr zur Folge hatte.
In den Briefen bedrohte der Impf- und Maßnahmengegner nicht nur Xavier Bettel, dessen Lebensgefährten und Angehörige zu töten, sondern auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert und insbesondere deren Töchter. „Ich stelle mir bereits ihre geköpften und in die Mosel geworfenen Körper vor“, schrieb er. Die Briefe beinhalteten zudem aneinandergereihte und teils homophobe Beleidigungen. Weiter drohte er mit Anschlägen gegen Impf- und Testzentren.
Bedrohung wurde als ernst eingestuft
Diese Taten seien nur durch einen Kurswechsel der Regierung in der Corona-Politik und einen sofortigen Rücktritt Xavier Bettels abzuwenden. Die anonymen und sehr präzisen Drohungen wurden nach einer Risikoeinstufung sehr ernst genommen, erklärte ein Ermittler am Mittwoch im Prozess. Für die Betroffenen und deren Umfeld, für die die Sicherheitsvorkehrungen drastisch erhöht werden mussten, habe dies erhebliche Einschränkungen mit sich gebracht. Zudem sei auch der Schutz und die Überwachung der Impf- und Testzentren erhöht worden.
Auf die Spur war die Polizei Fernando T. übrigens wegen zwei sprachlicher Eigenheiten gekommen. Auf Facebook hatte er unter Medienberichten unter einem Pseudonym – dem Namen einer tatsächlich existierenden, aber völlig unbeteiligten Person – maßnahmenkritische Kommentare hinterlassen.
Genau wie in den Drohbriefen schrieb er „M.me Lenert“, mit einem Punkt zwischen beiden M, wenn er sich an Paulette Lenert richtete. Außerdem war auch der völlige Verzicht auf Apostrophen eine Konstante sowohl in den Drohbriefen als auch in den Facebook-Kommentaren.
Facebook übermittelte der Polizei schließlich auf wiederholte Nachfrage eine zum Nutzernamen passende Telefonnummer – jene von Fernando T., welcher, als er bei der Arbeit von der Kriminalpolizei konfrontiert wurde, sofort ein Geständnis ablegte.
„Ich hatte einen schwachen Moment“
Im Prozess erklärte der 37-jährige Busfahrer, er habe einen schwachen Moment gehabt. Er habe die Einschränkungen wegen der Pandemie schlicht nicht mehr ertragen. Dass diese nicht die Schuld von Bettel oder Lenert seien, sondern eine Folge der Pandemie, das verstehe er heute. Was er getan habe, tue ihm leid. Er habe niemandem Angst machen wollen. Viel mehr hatte er im Prozess nicht zu sagen.
„Ihr Ziel war es, Menschen zu terrorisieren“, hielt ihm die Vertreterin der Anklage entgegen. „Das ist Terrorismus. Sie haben versucht, die Regierung zu erpressen, in dem Sie Angst verbreitet haben.“Jeder habe unter den pandemiebedingten Einschränkungen leiden müssen.
„Jeder hätte lieber ein normales Leben geführt, auch Paulette Lenert und Xavier Bettel“, führte die Anklägerin weiter aus. „Minister sind Menschen wie andere auch. Sie aber haben entschieden, sie ganz persönlich Angst und Terror auszusetzen.“Und das nach langer Vorbereitung und intensiven Internetrecherchen zu den Betroffenen.
„Justiz muss mit aller Strenge reagieren“
Es gebe keinen Zweifel daran, dass Fernando T. seine Taten bereue. Ebenso sei er bislang nie straffällig geworden. Dennoch seien seine Taten äußerst schwerwiegend und die Justiz müsse mit aller Strenge auf solche Vorgänge reagieren. Deshalb forderte die Anklägerin dann eine Haftstrafe von 24 Monaten und eine der Tat entsprechende Geldstrafe.
Einer Teilbewährung, möglicherweise unter Auflagen, widersetze sie sich nicht. Aus einer Aussage der ehemaligen Lebensgefährtin des Angeklagten, die von der Verteidigung eingebracht wurde, gehe hervor, dass Fernando T. wohl mental unstabil sei. Daher könne das Gericht etwa eine psychiatrische Behandlung zur Bedingung für eine Teilbewährung machen, so die Vertreterin der Anklage.
Der Verteidiger von Fernando T. hob indes hervor, sein Mandant habe niemandem schaden wollen. Er habe das Ausmaß der Konsequenzen seiner Taten schlicht unterschätzt. Den Worten Taten folgen zu lassen, habe er nie beabsichtigt. Außerdem habe er inzwischen erfolgreich das Anti-Radikalisierungs-Programm von Respect.lu absolviert und sein früherer Arbeitgeber habe ihn nach einer zwischenzeitlichen Entlassung wieder eingestellt. Das Gericht solle Milde walten lassen.
Ihr Ziel war es, Menschen zu terrorisieren! Anklägerin im Prozess
Zu Beginn des Verfahrens hatte der Verteidiger von Fernando T. aber zunächst gleich drei Rechtsmittel eingebracht, die darauf hinauszielten, einen Prozess zu verhindern. „Mein Mandant hat ein Recht auf einen fairen Prozess vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht“, stellte Me Edoardo Tiberi klar. „Das wird ihm aber verweigert.“Das Gericht müsse sich für inkompetent erklären.
Sowohl die Menschenrechtskonvention wie auch die Grundrechtecharta der EU sichere seinem Mandanten einen fairen Prozess vor unabhängigen und unparteiischen Richtern zu. Das sei hier aber nicht der Fall. Die Nominierungsprozeduren in der Luxemburger Justiz seien nämlich grundsätzlich nicht unabhängig von Exekutive. Deswegen gebe es einen Verstoß gegen die Gewaltentrennung.
Ferner bestimme die Verfassung, dass alle Menschen gleich vor dem Gesetz seien. Außenminister Asselborn habe aber in einem Radiointerview im vergangenen März die Möglichkeit erläutert, Wladimir Putin „physisch zu eliminieren“. Das sei nichts anderes, als das, was seinem Mandanten vorgeworfen würde. Asselborn hingegen würde aber im Gegensatz zu seinem Klienten nicht deswegen der Prozess gemacht.
Weiter erklärte Me Tiberi, der Code pénal habe keine legale Gültigkeit. Der letzte Artikel im Text, Art. 567, besage, dass „un arrêté (royal) grand-ducal déterminera l'époque de la mise à exécution du présent code“. Ein Arrêté grandducal dürfe aber nicht darüber bestimmen, wie ein Gesetz angewandt werde. Außerdem sei der Code pénal seit diesem Arrêté von 1879 inzwischen 471 Mal abgeändert worden. Das Luxemburger Strafgesetz sei deswegen nicht legal und die Tatvorwürfe seien aufgrund dessen zu annullieren.
Die Richter der 18. Strafkammer entschieden nach kurzer Beratung, in ihrem Urteil zu diesen Anträgen der Verteidigung Stellung zu beziehen. Dieses ergeht am 16. Juni.