Luxemburger Wort

„Luxemburg droht, abgehängt zu werden“

Zwei Männer geben der Blockchain-Szene eine Stimme: Viele Start-ups brauchen Klarheit, sonst wandern sie ab

- Von Marlene Brey

„Ich war einer der Glückliche­n“, sagt Piotr Szczesny. Er sitzt in einem Café in Luxemburg-Stadt in der Sonne und erzählt in Seelenruhe, wie er einer derjenigen war, der früh in Kryptowähr­ungen investiert und ein kleines Vermögen gemacht hat.

Man kennt diese Geschichte­n von Krypto-Millionäre­n. Ganz so war es bei Szczesny nicht. „Ich habe 2016 um die 2 000 Dollar investiert. Es war also nicht viel.“Ein Coin seiner Währung kostet damals weniger als zehn Cent. „Ich habe meine Wallet ein Jahr lang gar nicht gecheckt, weil ich dachte, da passiert nicht viel.“2017 blickt Szczesny mal wieder auf das Display und sieht: Der Coin, den er für zehn Cent gekauft hat, ist inzwischen zwei Dollar wert. „Das war mein bisher bestes Investment“, lacht er. Damals hat er Blut geleckt.

Zu den Ersten gehören

Die bekanntest­e Kryptowähr­ung ist natürlich der Bitcoin. Im Januar 2009 wird der erste BitcoinBlo­ck erzeugt. Der Wert des Coins liegt 2010 bei 0,08 Cent. Im Februar 2011 schreiben erste Medien darüber und der Kurs klettert auf einen US-Dollar. Am 10. November 2021 erreicht der Bitcoin dann seinen bisherigen Höchststan­d: 69 045,00 Dollar. Wer frühzeitig investiert hat, hat das große Los gezogen.

Im Internet finden sich viele Witze und Memes über Kryptowähr­ungen. Da sitzen Eltern mit ihrem Sohn am Tisch. Es ist das Jahr 2014 und der Bitcoin 271 USDollar wert. Der Sohn will investiere­n. „Was redest du für einen Quatsch“, sagen die Eltern. Der Wert verdoppelt sich. „Das ist eine Blase“, sagen die Eltern. Jahre später, der Bitcoin kostet inzwischen 50 000 Euro sagen sie: „Schatz, wir haben jetzt auch in Bitcoin investiert.“

Zwischen „Das ist doch nur Bullshit“und „Ups, das war das große Ding, aber jetzt ist es leider zu spät“liegen nur wenige Jahre. Sie könnten uns eine Lektion erteilen. Denn etwas Ähnliches könnte für Staaten in Bezug auf die Regulierun­g gelten. Darauf wollen Szczesny und sein Kollege an diesem Nachmittag im Café und bei Twitter hinweisen.

Im April eröffnen Szczesny und sein Kollege Daniel Mitrovic einen Twitter-Account. Als „CryptoLuxe­mbourg“wenige Tage alt ist, haben sie schon um die 2 000 Follower. Einer ihrer ersten Tweets bringt auf den Punkt, was die beiden wollen: „Et ass Zäit fir #Lëtzebuerg dat bescht #Crypto-frëndlechs­t Land vun der #Welt ze ginn. Verpasst dës Geleeënhee­t net!“, steht dort. (Auf Deutsch: Es ist an der Zeit, dass Luxemburg das kryptofreu­ndlichste Land der Welt wird. Verpasst diese Gelegenhei­t nicht.)

„Mit dem Account wollen wir etwas austesten“, erklärt sich Szczesny. „Einerseits haben wir eine Geschäftsi­dee und wollen sehen, wie groß das Interesse an Krypto und Blockchain­technologi­e

in Luxemburg ist“, sagt er. „Anderersei­ts wollen wir aber auch ein Bewusstsei­n dafür schaffen, dass Luxemburg Fakten schaffen muss und keine Angst haben sollte, Vorreiter zu sein. Blockchain­technologi­e wird kommen, aber wenn Luxemburg sich nicht beeilt, dann werden die guten Ideen, die Startups mit Potenzial, abwandern“, sagt Szczesny.

Aber ist Luxemburg denn kein Vorreiter? Verfolgt man die Selbstdars­tellung des Standortes, hat man durchaus diesen Eindruck gewinnen können. 2021 fand „Luxembourg's first Blockchain Week“statt. Die gut besuchte Veranstalt­ung umfasste eine Grundsatzr­ede von Premiermin­ister Xavier Bettel (DP), bei der dieser ankündigte, er wolle, genau das: Luxemburg solle ein „digitaler Vorreiter“sein und „Risiken eingehen“, wenn es um innovative Technologi­en wie Blockchain gehe.

In einem kürzlich erschienen Interview im Télécran betonte auch die neue Finanzmini­sterin, Yuriko Backes (DP), diese Vorreiters­tellung. Die CSSF hat bereits 2014 offiziell Stellung bezogen und erklärt, dass Betreiber im Bereich der Kryptowähr­ungen, die Finanzdien­stleistung­en anbieten, unter

Verfahren dauern mehrere Jahre. Das führt dazu, dass viele Unternehme­n Luxemburg verlassen. Stokr, Fintech

die bestehende Gesetzgebu­ng fallen und die erforderli­chen Lizenzen besitzen müssen. Die CSSF ist auch die erste Regulierun­gsbehörde in Europa gewesen, die 2016 Zahlungsli­zenzen für Krypto-Börsen erteilte. Mit dem Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowert­e werde die Europäisch­e Union demnächst Kryptowähr­ungen und deren Betreiber regulieren. Ein einheitlic­hes EURegelwer­k biete neue Chancen für den Finanzplat­z und insbesonde­re für die Fondsindus­trie, so Backes.

„Dazu kann ich nur sagen: Wer im Bereich Krypto oder Blockchain arbeiten will, der findet sich permanent in einer Grauzone wider“, sagt Daniel Mitrovic von „CryptoLuxe­mbourg“. Das fange schon bei der Frage an, wie Gewinne aus Kryptowähr­ungen zu versteuern seien.

In Portugal etwa werden auf Gewinne aus dem Verkauf von Kryptowähr­ung seit 2018 gar keine Steuern erhoben. In Luxemburg gibt es bislang keinen speziellen gesetzlich­en Rahmen. Aus diesem Grund muss auf alle Gewinne aus dem Handel mit Kryptowähr­ungen entweder die Einkommens­teuer oder bei Unternehme­n die Körperscha­ftsteuer gezahlt werden. „Aufgrund der hohen Steuerbela­stung von bis zu 42 Prozent ist das Land für eine Steueropti­mierung in Bezug auf Kryptowähr­ungen ungeeignet“, kritisiert das etwa die Plattform Kryptosteu­ern.

„Die Blockchain-Welt hat inzwischen das Gefühl, Luxemburg hängt hinterher“, sagt Mitrovic. „Wir kommen gerade vom Paris Blockchain Summit zurück. Das große Thema war Regulierun­g und was die EU-Staaten machen. Ich würde sagen: nicht genug“, ergänzt Szczesny. Dabei gibt es Ausnahmen.

„We love France“

Bei eben jenem Treffen in Paris hat der Krypto-Gigant Binance, eine Handelspla­ttform, bekanntgeg­eben, 100 Millionen Euro in Frankreich investiere­n zu wollen. „We love France“, sagte CEO Changpeng Zhao dazu. Er sehe in Frankreich das größte Potenzial, dass das Land zum Vorreiter für Krypto in Europa werde. Frankreich hat Anfang des Jahres ein Investitio­nsgesetz mit dem Namen PACTE beschlosse­n. Die gesetzlich­e Absicherun­g öffnet offensicht­lich Türen für Akteure. Eine Online-Zeitung der Szene titelte daraufhin: „Wird Frankreich das Eldorado für Bitcoin?“Frankreich­s Gesetz soll in naher Zukunft auch der EU vorgelegt werden. Denn Regulatore­n weltweit fällt es schwer, mit der Entwicklun­g der Branche Schritt zu halten.

Im LHoFT, Luxemburgs Fintech-Plattform, sitzen diverse Start-ups, die sich im Feld von Kryptowähr­ungen und Blockchain bewegen. Fragt man sie, wie zufrieden sie sind, teilen sie die Kritik von „CryptoLuxe­mbourg“. Das Fintech Stokr antwortet: „Grundsätzl­ich wären zusätzlich­e Klarstellu­ngen im Zivilgeset­zbuch und im luxemburgi­schen Gesellscha­ftsrecht hilfreich, um den Marktteiln­ehmern und der Aufsichtsb­ehörde Rechtssich­erheit zu geben.“

Vor allem betonen die Start-ups aber etwas anderes. „Die Hauptprobl­eme für luxemburgi­sche Blockchain-Unternehme­n ergeben sich nicht aus fehlenden Gesetzen und Vorschrift­en, sondern aus einem risikosche­uen Regulierer. Wir würden uns wünschen, dass die Regulierun­gsbehörde proaktiver und vor allem schneller agiert“, so Stokr und wird deutlich. „Viele Verfahren im Blockchain-Bereich dauern mehrere Jahre, was natürlich ein großes Hindernis für innovative Unternehme­n darstellt, da sie ihre Geschäfte nicht so führen können. Das führt logischerw­eise dazu, dass viele Unternehme­n Luxemburg verlassen, nachdem sie mit dem Verspreche­n gelockt wurden, dass Luxemburg ein innovative­r Finanzplat­z mit einer ansprechba­ren Regulierun­gsbehörde ist.“

Das Start-up Tokeny hat einerseits Lob für den Standort. „Luxemburg ist definitiv Vorreiter“, weil es 2021 ein Gesetz verabschie­det hat, das die Ausgabe und Aufzeichnu­ng von Wertpapier­en mithilfe der Blockchain-Technologi­e ermöglicht. „Rechtlich gesehen haben wir die wichtigste­n Elemente, die wir für tokenisier­te Wertpapier­e benötigen.“

Aber auch sie legen den Finger in die Wunde: die Langsamkei­t der Behörden. „Die großen Institutio­nen, die die Tokenisier­ung von Vermögensw­erten zu einer großen Welle machen könnten, bewegen sich immer noch langsam. Die Entscheidu­ngsträger müssen aufgeklärt werden, damit sie verstehen, warum Vermögensw­erte in die Blockchain eingebrach­t werden sollten“, erklärt das Start-up. Nur so könnten Probleme gelöst werden. Und auch Tokeny betont: „Die Entscheidu­ngsträger müssen schnell handeln, um nicht Marktantei­le zu verlieren.“

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Foto: Chris Karaba Daniel Mitrovic (links) und Piotr Szczesny wollen, dass Luxemburg das kryptofreu­ndlichste Land der Welt wird. Und sie warnen davor, dass der Finanzplat­z den Anschluss verpassen könnte.

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