Luxemburger Wort

Boris, der Brandstift­er

- Von Françoise Hanff

DBrüssel darf sich keinesfall­s von Johnson auf der Nase herumtanze­n lassen.

ieser Mann ist ein echter Überlebens­künstler. Mit einem blauen Auge und lediglich einer Geldstrafe ist der britische Premier bislang aus der peinlichen „Partygate“-Affäre um verbotene Lockdown-Partys herausgeko­mmen. Und bei den Kommunalwa­hlen Anfang Mai waren die Verluste für die konservati­ven Tories weniger heftig als befürchtet. Auch ist es ihm gelungen, mit beherzter Hilfe an die überfallen­e Ukraine sein angeschlag­enes Image aufzupolie­ren. Doch Boris Johnson wäre nicht Boris Johnson, wenn er nicht wieder zündeln würde.

Tatort ist dieses Mal die britische Provinz Nordirland. Dort hat die katholisch-republikan­ische Partei Sinn Féin die Wahlen gewonnen. Allerdings blockiert die protestant­ischunioni­stische Democratic Unionist Party (DUP) die Regierungs­bildung, weil ihr das Nordirland-Protokoll, das Teil des Brexit-Deals ist, ein Dorn im Auge ist. Das Protokoll verlegt die Zollgrenze in die Irische See und vermeidet somit eine harte Landgrenze und Kontrollen mit dem EU-Mitglied Irland. Die DUP, die eine Entfremdun­g von London befürchtet, fordert nun ein Ende der verhassten Vereinbaru­ng.

Diese explosive Gemengelag­e bietet dem Mann in Downing Street 10 eine willkommen­e Gelegenhei­t, sich wieder einmal als Hardliner zu profiliere­n und auf das Feindbild Brüssel einzudresc­hen. Es erlaubt ihm, einerseits von seinen Patzern abzulenken und anderersei­ts, die Reihen seiner eigenen Partei wieder – teilweise – zu schließen. Denn dort war er ob seiner Fehltritte arg unter Beschuss geraten. Mögliche Nachfolger hatten sich bereits in Stellung gebracht.

Vergangene Woche kündigte Außenminis­terin Liz Truss im Londoner Unterhaus ein Gesetzesvo­rhaben an, das die seit dem Brexit neu entstanden­en Handelsbar­rieren zwischen Nordirland und Großbritan­nien abbauen soll. Obwohl Truss betonte, dass das Vorgehen im Einklang mit internatio­nalem Recht stehe, entspricht dies nicht der Wahrheit. Es wäre vielmehr ein einseitige­r Bruch eines rechtlich bindenden internatio­nalen Handelsver­trags, den Johnson selbst mit der EU unterzeich­net und in den höchsten Tönen gelobt hatte.

Zum einen verspielt Johnson das bisschen Vertrauen, das er in Brüssel noch genießt. Zum anderen dürfte der geplante Rechtsbruc­h die internatio­nale Glaubwürdi­gkeit der britischen Regierung arg infrage stellen. Dabei hatte Johnson doch lukrative Deals mit anderen Ländern in Aussicht gestellt, sie sollten Teil der rosigen Post-Brexit-Zukunft sein. Doch vor allem ein heiß ersehntes Freihandel­sabkommen mit den USA ist nun ironischer­weise aufgrund der Eskalation im Streit um die Nordirland-Regelung in weite Ferne gerückt, wie Nancy Pelosi, die Sprecherin des US-Repräsenta­ntenhauses, am Donnerstag deutlich machte.

Johnsons Strategie ist bekannt. Mit Drohungen und Erpressung­sversuchen probiert er erneut, ein Maximum für sich und seine Regierung herauszusc­hlagen. Die EU darf sich von ihm jedoch keinesfall­s auf der Nase herumtanze­n lassen. Ein Handelskri­eg zu Zeiten steigender Inflation und drohender Rezession ist das Letzte, was beide Seiten gebrauchen können. Und das weiß Johnson auch.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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