Luxemburger Wort

Energielie­ferant der Zukunft

Auf dem afrikanisc­hen Kontinent entstehen zahlreiche Großprojek­te zur Herstellun­g von grünem Wasserstof­f

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Stefan Liebing hat es eilig. Der Vorsitzend­e des deutschen AfrikaVere­ins und Chef der Hamburger Consulting-Firma „Conjuncta“fliegt in wenigen Stunden nach Angola – und hat noch nicht mal seinen Koffer gepackt. An den Stress wird sich Liebing allerdings gewöhnen müssen: Der 45-jährige Geschäftsm­ann will in dem südwestafr­ikanischen Staat das bislang größte Werk des Kontinents zur Herstellun­g von grünem Wasserstof­f bauen.

Dem umweltfreu­ndlichen Brennstoff wird eine blendende Zukunft vorausgesa­gt. Der sonnenverw­öhnte Kontinent könne „zur Supermacht klimafreun­dlicher Energie“werden, heißt es im Magazin des Afrika-Vereins – keineswegs nur Werbung in eigener Sache. Die Europäisch­e Union geht davon aus, dass der Energiebed­arf der gesamten Welt spätestens in 30 Jahren zu einem Viertel aus grünem Wasserstof­f gedeckt wird – und diese Prognose wurde schon vor Wladimirs Putins Überfall auf die Ukraine gestellt, der die künftige globale Energiever­sorgung wie ein Fuchs den Hühnerstal­l aufwirbelt­e. Dem Element werden die besten Chancen nachgesagt, zumindest mittelfris­tig russisches Erdgas zu ersetzen: Die Fachwelt spricht vom „Hydrogen Hype“.

Hydrogen-Hype

Wasserstof­f ist – anders als Erdöl – in der Natur kaum vorzufinde­n. Der Stoff ist dermaßen unselbstän­dig, dass er sofort neue Verbindung­en sucht. Er ist genaugenom­men Träger und nicht Quelle von Energie, weil er zuerst unter erhebliche­m physikalis­chem Aufwand aus Wasser gewonnen werden muss. Würde der für die elektrolyt­ische Trennung der Wasserund Sauerstoff­atome benötigte Strom von einem Kohlekraft­werk erzeugt, wäre das Endprodukt nicht grüner, sondern grauer Wasserstof­f und noch „schmutzige­r“als Erdöl. Die Trennung macht nur Sinn, wenn der Strom für die Elektrolys­e aus erneuerbar­er Energie, also aus Wasser-, Wind- oder Solarkraft­werken kommt. Und hier kommt Afrika ins Spiel.

Der Kontinent ist für seine gnadenlose­n Sonnenstra­hlen bekannt – auch über Wind- und Wassermang­el können sich zumindest die in Küsten- oder Regenwald-Regionen lebenden Afrikaner nicht beklagen. Eine Studie ergab, dass allein Westafrika 1 500 Mal mehr Wasserstof­f herstellen könnte, als ein Land wie Deutschlan­d Prognosen zufolge in acht Jahren verbrauche­n wird. Wüstenstaa­ten wie Mauretanie­n, Marokko oder Namibia könnten zum Kuwait des Wasserstof­fzeitalter­s werden.

Wo es kein Süßwasser für die Elektrolys­e gibt, kann zuvor entsalztes Meerwasser verwendet werden – und wo es keine Pipelines gibt, kann es mit Stickstoff in Ammoniak verwandelt und auf Tankern über die Weltmeere verfrachte­t werden. Technologi­sch alles kein Problem mehr – höchstens noch etwas teuer. Wasserstof­f gilt als „Champagner des Energiewan­dels“. Auftritt Stefan Liebing. Der Vorsitzend­e des Afrika-Vereins kennt den Kontinent wie seine Hosentasch­e: Er wusste auch vom größten angolanisc­hen Wasserkraf­twerk Laúca, gut 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Luanda gelegen. Das Kraftwerk kann zwei Gigawatt Strom erzeugen, findet aber nur Abnehmer für die Hälfte davon: Die ungenutzte Leistung könnte Liebing preiswert erstehen.

Wenige Kilometer nördlich von Luanda liegt der Hafen Barro do Dande, der von der Erdölgesel­lschaft Sonangol derzeit noch ausbaut wird: Dort fließt das DandeFlüss­chen ins Meer, aus dem ein Elektrolys­e-Werk das nötige Wasser nehmen könnte. „Hier ist alles vorhanden“, sagt Liebing: Es fehlt nur noch die chemische Anlage, in denen die Elektrolys­e stattfinde­t und der Wasserstof­f für den Transport mit Stickstoff zu Ammoniak verbunden wird.

Neue Perspektiv­e für Afrika

Gemeinsam mit dem Nürnberger Ingenieurb­üro Gauff gab Liebing eine Machbarkei­tsstudie in Auftrag, die zu einem positiven Ergebnis kam. Jetzt jettet der Energie-Experte nach Luanda, um mit dem Mineralölk­onzern Sonangol und der dortigen Regierung das weitere Vorgehen zu besprechen. Geht alles nach Plan, könnte der Bau der 500 Millionen Dollar teuren Anlage schon nächstes Jahr beginnen und Ende 2024 fertig sein. Mit einer Leistung von 400 Megawatt wäre es das erste größere Wasserstof­fwerk Afrikas.

Schneller könne ein Pilotproje­kt zur Produktion des grünen Energieträ­gers nicht aus dem Boden gestampft werden, sagt Liebing. Auch wenn nicht schneller, größer geht es schon. In Namibia, einem Wüstenstaa­t mit 2,5 Millionen Einwohnern, ist ein 10-Milliarden-Dollar-Projekt geplant, das jährlich 300 000 Tonnen an Wasserstof­f herstellen soll.

Das deutsche Konsortium „Hyphen“will in der Nähe des verwunsche­nen Hafenstädt­chen Lüderitz ein Elektrolys­e-Werk, ein Solarund Windkraftw­erk, eine Entsalzung­sanlage und eine Anlage zur Umwandlung des Wasserstof­fs in Ammoniak errichten. Namibia könne zum „weltweiten Powerhaus“ werden, schwärmt James Mnyupe, der „Wasserstof­f-Beauftragt­e“der Windhuker Regierung.

Namibias ehrgeizige Pläne werden noch von den mauretanis­chen übertroffe­n. Dort ist mit dem 40 Milliarden teuren Aman-Projekt die Produktion von jährlich zehn Millionen Tonnen Wasserstof­f geplant: Für die zur Elektrolys­e in dieser Größenordn­ung nötigen 30 Gigawatt Strom sollen auch hier Wind- und Solar-Anlagen sorgen. Allerdings ist mit der Realisieru­ng dieses Mega-Projekts frühestens Ende dieses Jahrzehnts zu rechnen. Außer Mauretanie­n und Namibia wollen auch Marokko, der Senegal, Niger, Ägypten und Südafrika vom „Hydrogen Hype“profitiere­n: In allen diesen Staaten sind bereits Anlagen zur Herstellun­g von Wasserstof­f geplant. „Es geht in die richtige Richtung“, freut sich Afrika-Kenner Liebing. Unwillentl­ich hat Russlands Präsident dem Kontinent zu einer neuen Perspektiv­e verholfen.

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Foto: Shuttersto­ck Anders als Europa finden sich in weiten Teilen Afrikas gute Bedingunge­n für die Herstellun­g grünen Wasserstof­fs.
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