Luxemburger Wort

Afrika fühlt sich im Stich gelassen

Eigentlich sollte der Kontinent eine große Zukunft als globaler Impfstoff-Produzent haben – doch die Nachfrage bleibt aus

- Von Markus Schönherr (Pretoria)

Nur etwa 16 Prozent der afrikanisc­hen Bevölkerun­g sind bisher gegen das Corona-Virus geimpft. Seit Ausbruch der Pandemie arbeitet der Kontinent auf Hochtouren daran, seine eigene Impfstoffp­roduktion aufzubauen. Für Afrika gilt es, unabhängig zu werden von Spenden: Die kamen in den vergangene­n zwei Jahren zunächst gar nicht, später in nicht bewältigba­ren Mengen, und viel zu oft mit kurzem Ablaufdatu­m an. Nach Verhandlun­gen mit den PharmaRies­en und einem aufwendige­n Technologi­etransfer wäre jetzt eigentlich der Zeitpunkt da, die Produktion in Afrika anlaufen zu lassen. Einzig: Es fehlen die Bestellung­en.

„Verärgert“. So beschreibt Stavros Nicolaou die Gefühlslag­e eines ganzen Kontinents. Nicolaou ist leitender Angestellt­er für Handel bei Aspen, dem größten Pharmakonz­ern Afrikas. Das Unternehme­n galt mit seiner Produktion­sanlage in der südafrikan­ischen Hafenstadt Gqeberha (ehemals Port Elizabeth) als Hoffnungst­räger, was Afrikas Kampf gegen das Corona-Virus betrifft. 2020 unterzeich­nete Aspen einen Vertrag mit Johnson&Johnson über das sogenannte „Fill-and-Finish“seines Impfstoffs, die letzten wichtigen Schritte in der Produktion­skette. Ein Jahr später erhielt der südafrikan­ische Konzern die Lizenz, das Serum unter seinem eigenen Markenname­n,

Aspenovax, herzustell­en. Noch in der ersten Jahreshälf­te hätten massenweis­e Impfungen für den Kontinent vom Band gehen sollen. „Allerdings können wir die kommerziel­le Produktion erst starten, wenn wir Bestellung­en erhalten“, so Nicolaou.

Spielverde­rber Covax

Der Spielverde­rber heiß Covax. Über diese globale Impfinitia­tive, die einen gleichbere­chtigten Zugang für Entwicklun­gs- und

Schwellenl­änder sicherstel­len soll, beziehen die meisten afrikanisc­hen Staaten den Großteil ihrer Impfstoffe. Pharma-Riese Aspen fühlt sich im Stich gelassen. Neben Covax auch von der globalen Impfallian­z Gavi. „Als afrikanisc­her Kontinent gingen wir davon aus, dass wir in die Beschaffun­g der Impfungen mit einbezogen werden. Das ist jedoch nicht eingetrete­n“, sagt Nicolaou. Von Gavi hieß es, man sei angesichts eines Überangebo­ts derzeit nicht in der Position,

weitere Großmengen an Covid-Impfstoffe­n zu kaufen. Dabei hätte dies durch Voraussich­t leicht verhindert werden können, meint Insider Nicolaou: „Bei der Beschaffun­g wird für die nächsten zwölf Monate geplant. Covax, Gavi, die WHO – sie alle haben zugesagt, die Produktion in Afrika unterstütz­en zu wollen. Wer so handelt, sollte das auch in seine Vorbereitu­ngen mit einfließen lassen.“

Umdenken erforderli­ch

Lange könne man die sterile Vakzin-Produktion­sanlage nicht mehr stillstehe­n lassen, warnt Nicolaou. „Dann müssen wir auf die Herstellun­g von Narkosemit­tel umsatteln.“Das wäre ein gewaltiger Rückschrit­t für Afrika. Denn für den Kontinent galten Covid-Impfstoffe nur als Sprungbret­t für die Herstellun­g anderer Vakzine. Derzeit produziert Afrika nur ein Prozent seiner Impfstoffe selbst. Die Afrikanisc­he Union will diese Zahl bis 2040 auf 60 Prozent hochschrau­ben. Entspreche­nd äußerten Afrikas Staats- und Regierungs­chefs nun „ernsthafte Sorge“, dass die globalen Impfstoffb­eschaffer ausschließ­lich bei Produzente­n außerhalb Afrikas einkaufen.

Kopfzerbre­chen haben nicht nur die Politiker. Denn sowohl in Südafrika als auch in anderen Ländern am Kontinent arbeiten Pharmaunte­rnehmen akribisch daran, in den kommenden Jahren lokal Impfstoffe herstellen zu können. Im Februar gab die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) sechs afrikanisc­he Länder bekannt, die von einem Technologi­etransfer der Moderna-Formel profitiere­n sollen. Sie blicken nun mit Sorge auf Aspens Debakel.

Für Südafrikas Präsidente­n Cyril Ramaphosa und seine afrikanisc­hen Amtskolleg­en ist die Mission klar: Es gilt, die Impfstoffk­äufer zum Umdenken zu bewegen. Unterstütz­ung erhofft sich Nicolaou nach einem Staatsbesu­ch in Südafrika am Dienstag auch vom deutschen Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Deutschlan­d und andere europäisch­e Staaten müssten ihre „Stimme erheben“, um eine Impfstoffb­eschaffung aus Afrika zu fordern.

Als afrikanisc­her Kontinent gingen wir davon aus, dass wir in die Beschaffun­g der Impfungen mit einbezogen werden. Das ist jedoch nicht eingetrete­n. Stavros Nicolaou, leitender Angestellt­er beim Pharmaunte­rnehmen Aspen

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Foto: AFP Nur etwa 16 Prozent der afrikanisc­hen Bevölkerun­g sind bisher gegen das Corona-Virus geimpft.

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