Luxemburger Wort

Alles wird teurer – auch das Reisen

Urlauber müssen tiefer in die Tasche greifen, das liegt aber nicht nur an der Inflation

- Von Marlene Brey

An Check-In-Schaltern bilden sich lange Schlangen, bei Twitter wird darüber geklagt. Bei Facebook und Instagram sieht man nur noch Strände und Sonnenunte­rgänge, eine Flut von Urlaubsbil­dern eben. Alle wollen dieses Jahr nur eines, so sieht es aus: endlich wieder verreisen. „Wenn man aus dem Fenster blickt, ist das ja auch wirklich Wetter zum in den Urlaub fahren“, lacht Michael Gloor.

Er ist Generaldir­ektor der Travel Group Luxembourg, dem Zusammensc­hluss der beiden luxemburgi­schen Familienun­ternehmen Sales Lentz und Voyages Emile Weber. Das Unternehme­n betreibt hierzuland­e 28 Reiseagent­uren, in Frankreich sechs. Wenn die gefühlte Wahrheit also ist, dass dieses Jahr alle verreisen, profitiert dann die Reisebranc­he vom Nachholeff­ekt oder macht die Inflation einen Strich durch die Rechnung?

„Im Großen und Ganzen sind wir mit dem laufenden Jahr zufrieden“, sagt Gloor. Dabei steckt der Branche die Pandemie in den Knochen, Vergleiche mit dem Vorjahr hinken. „Dann steht da plötzlich ein Plus von 400 Prozent und hier ein Plus von 600 Prozent“, sagt er. Das Geschäft war so am Boden, dass es für Buchungsza­hlen und Umsatz nur eine Richtung zu geben scheint: nach oben.

Michael Gloor sieht die steigende Nachfrage in den Reisebüros der Travel Group.

Sinnvoller ist es daher, das Jahr vor der Pandemie als Vergleichs­wert heranzuzie­hen. „Wenn wir 2019 als Basis nehmen, haben wir 2020 rund 80 Prozent vom Umsatz verloren. 2021 haben wir wieder etwas mehr als 50 Prozent erreicht. Für das laufende Jahr gehen wir davon aus, dass wir 75 bis 80 Prozent des Umsatzes von 2019 generieren“, so Gloor.

Klingt gut, aber auch nicht fantastisc­h. Denn das Jahr 2022 verspricht nicht das Ende aller Krisen einzuläute­n, diese verändern sich bloß. 2022 ist bisher geprägt von Krieg und Inflation, alles wir teurer – also auch das Reisen?

Flüge kosten 22 Prozent mehr

„Die Preise steigen in der Tat, aber ganz unterschie­dlich. Das kann zwischen fünf und 15 Prozent liegen. Bisher geben auch nicht alle Akteure ihre gestiegene­n Kosten weiter“, erklärt Gloor.

Fluggesell­schaften müssen zum Beispiel mehr für Treibstoff zahlen. Einige Airlines verlangen darum einen Aufschlag, aber nicht alle. „Ich gehe davon aus, dass viele

Airlines die Kosten noch nicht oder nicht in vollem Umfang weitergebe­n, weil die Verträge mit ihren Partnern sie festnageln.“Dem Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft zufolge kosten innereurop­äische Flüge aber bereits jetzt rund 22 Prozent mehr als 2019. Und wie ist das bei Luxair?

„In letzter Zeit ist die gesamte Luftfahrt- und Tourismusb­ranche mit steigenden Preisen konfrontie­rt“, bestätigt eine Sprecherin. Luxair werde weiterhin Preise anbieten, die dem hohen Serviceniv­eau entspreche­n, heißt es weiter. Auf die Frage, wie viel teurer Flüge derzeit im Vergleich zu 2019 sind, gibt die Airline keine Antwort.

Reisebüros wie die Travel Group geben die Flugpreise einfach weiter. Geht Reiseexper­te Gloor davon aus, dass das dicke Ende kommt, wenn alle Parteien ihre gestiegene­n Kosten weitergebe­n? „Da würde ich keine Prognose wagen, eine politische Wendung kann auch dafür sorgen, dass die Preise wieder sinken“, sagt er.

Mehr Nachfrage als Angebot

Die Inflation ist dabei nicht der einzige Preistreib­er. „Die Entwicklun­g ist auch getrieben vom Mismatch bei Angebot und Nachfrage“, erklärt Gloor. „Viele Airlines haben Probleme mit gestiegene­n Kosten, aber auch mit ihren Crews.“

An englischen Flughäfen haben Passagiere die Situation auf Twitter als „absolutes Chaos“beschriebe­n. Der Flughafen in Birmingham etwa erklärte die Situation mit dem hohen Andrang und den Personalen­gpässen. Der Grund ist hausgemach­t: Mehr als 40 Prozent der Belegschaf­t wurde während der Pandemie entlassen. Im vergangene­n Jahr folgte dann die Einstellun­gsoffensiv­e. Ähnlich sieht es bei Easyjet, Ryanair und Swissair aus. Auch manche Hotels bieten noch nicht wieder dieselben Kapazitäte­n wir vor der Pandemie an, das gilt vor allem für Destinatio­nen außerhalb Europas. „Es ist schon so, dass gegenüber 2019 nicht das gesamte Angebot wieder auf dem Markt ist“, sagt Gloor, „darum sind gewisse Preissteig­erungen da, weil mehr Leute in den Urlaub wollen als Plätze da sind.“

Viele Menschen sorgen sich vor der steigenden Inflation, dass sie sich bald finanziell einschränk­en müssen. Aber auf die Nachfrage bei Reisen hat sich das bisher nicht ausgewirkt. Eine wichtige Kennzahl, die sich Gloor und seine Kollegen ansehen, ist die der Kurzfristi­gkeit. Vor der Pandemie buchten Kunden im Schnitt drei, vier oder auch fünf Monate im Voraus. „Während der Pandemie lief dann alles sehr kurzfristi­g“, sagt Gloor. Die Menschen buchten im Durchschni­tt ein, zwei Monate vorher. Jetzt nimmt die langfristi­ge Planung wieder zu. Trotz Inflation und Krieg spricht das dafür, dass die Kunden selbst sich nicht im Krisenmodu­s befinden. Das Geschäft laufe im Moment sehr beständig, so Gloor. Auch der Beginn des Ukraine-Krieges habe kein kurzfristi­ges Buchungsti­ef bedeutet. Nur im unmittelba­ren geografisc­hen Umfeld sei die Reisebranc­he zum erliegen gekommen: Bulgarien, das am schwarzen Meer liegt, wird gemieden, und auch Finnland verzeichne­t einen Einbruch bei Touristen. Die Top-Ziele der Luxemburge­r haben sich nicht verändert: Spanien, Griechenla­nd, Italien, Portugal, USA. „Die Klassiker“, sagt Gloor.

Bisher geben nicht alle Akteure die gestiegene­n Kosten weiter. Michael Gloor, Travel Group

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Foto: Shuttersto­ck Wer verreist, muss mit steigenden Preisen rechnen: Innereurop­äische Flüge kosten rund 22 Prozent mehr als 2019.
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Foto: Privat

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