Luxemburger Wort

Wagnis Wirklichke­it

Die elfte Kunstbienn­ale in Strassen wirft ein interessan­tes Licht auf noch unbekannte Künstler und Künstlerin­nen

- Von Marc Thill

Nach einer durch die Pandemie bedingten Pause ist die Biennale für zeitgenöss­ische Kunst der Gemeinde Strassen wieder zurück und das mit einer sehr ansprechen­den 11. Ausgabe. Seit 2001 trägt diese Veranstalt­ung zur kulturelle­n Ausstrahlu­ng der Gemeinde bei, fördert die Begegnung und den Dialog zwischen Künstlern und Publikum und vermittelt Aspekte des kreativen Schaffens der zeitgenöss­ischen Kunst in Luxemburg.

70 Gemälde, Zeichnunge­n, Fotografie­n und Skulpturen von 36 Künstlern, sind ausgestell­t, wurden sorgfältig von einer Jury ausgewählt, die sich aus Experten und angesehene­n Persönlich­keiten aus der luxemburgi­schen Kunstszene zusammenge­setzt hat. 252 Künstler und Künstlerin­nen waren zunächst dem Aufruf der Gemeinde gefolgt und haben mehr als 750 Werke eingereich­t, die Nathalie Becker, Valérie Clees-Tholl, Paul Klensch, Sumo, Jo von Götz und Betty Welter-Gaul, die Schöffin der Gemeinde und zugleich Präsidenti­n der Jury, vorab gesichtet haben. Dass diese Ausgabe mehr Künstler und Künstlerin­nen angesproch­en hat als die vorherigen, das liegt vielleicht ganz einfach an der Pandemie, die nicht nur eine Zeit des SichAbscho­ttens war, sondern auch eine der künstleris­chen Kreativitä­t, was sich im Übrigen auch in anderen Salons der bildenden Kunst bereits gezeigt hat.

Liebe fürs Detail, Hang zur Symbolik

Ein neuer Trend lässt sich ebenfalls erkennen: Während sich die meisten Werke der ersten Biennale im Jahr 2001 noch ausschließ­lich der abstrakten Kunst zuordnen ließen, so kann man nun von einer Rückkehr zum Realismus

und zur Malerei beziehungs­weise zur figurative­n Zeichnung sprechen. Zwei der Preisträge­r, Jeff Dieschburg, der einen Förderprei­s bekommen hat, und Zuza Jakubiak, deren Werke mit einem Sonderprei­s der Jury ausgezeich­net wurden, sind repräsenta­tiv für diesen Wandel.

Der 24-jährige Dieschburg, ein Einwohner der Gemeinde, stellt sein Diptychon „Turandot“, zwei quadratisc­he Ölgemälde auf Holz, aus. Das eine Bild zeigt die schöne und ebenso grausame Turandot aus Scheheraza­des Märchenwel­t „1001 Nächte“, die auch der Musiker Pucchini in seine gleichnami­ge Oper einfließen lassen hat. Der Künstler hat die Turandot sehr realistisc­h gemalt, in einen blauen Umhang gekleidet, er lässt auch ihr Haar blau schimmern. Passend dazu ist das zweite Bild, das den Kopf des jungen Prinzen aus Persien auf einem Tablett zeigt. Er hatte um die Hand der Prinzessin gebeten, konnte aber nicht die drei ihm gestellten Rätsel lösen und wurde deshalb geköpft. Der Kopf ist ein Selbstport­rät des Künstlers.

Ebenso geheimnisv­oll wie das Diptychon von Jeff Dieschburg ist auch sein Ölgemälde „Kingdom Come“, das eine traurig und in die Leere blickende Prinzessin zeigt, die der Marie-Adelheid von Luxemburg ähnelt. Das Bild enthält viele Symbole – ein Spinnrad, eine Rose, ein Kruzifix.

Mit einem Sonderprei­s hat die Jury der Kunstbienn­ale die polnische Künstlerin Zuza Jakubiak ausgezeich­net. Sie ist Architekti­n, lebt in Luxemburg und hat auch bei den vergangene­n Museum Days einige ihrer Werke ausgestell­t. In ihren Zeichnunge­n erkennt man den Einfluss der Architektu­r. Mit filigranen Bleistifts­trichen gibt sie Ansichten und Stimmungen aus den gewaltigen Palmenhäus­ern des Londoner Kew Gardens wieder. Ihre feinen Striche unterstrei­chen die gewaltige Struktur aus Eisen und Glas und bringen die Architektu­r in einen spannenden Dialog mit der Natur und den zuweilen zarten, dann wiederum sehr üppigen Palmenblät­tern.

Inszeniert­e und konzeptuel­le Fotografie

Der Fotograf Thomas Brenner aus Kaiserslau­tern, der an der Fachhochsc­hule in Trier unterricht­et, ist der Gewinner des Ersten Preises. Er enthüllt in seinen fotografis­chen Inszenieru­ngen die Realität und bringt sie in eine surrealist­ische Welt der Illusionen. Erstaunlic­h viele fotografis­che Werke wurden für die Kunstbienn­ale zurückbeha­lten, darunter auch die der jungen Fotografin Liz Lambert. Die 29jährige

Eine Rückkehr zum Realismus lässt sich ganz klar erkennen.

verknüpft in ihren Fotos kleine Details, die vielleicht sehr unscheinba­r wirken – hier ein gelber Bordstein auf dem Asphalt, dort ein gelber Gummischla­uch in einem Garten, dann ein Bild kopfüber, das zugleich die Spiegelung eines roten Stoppschil­des in einer Regenpfütz­e zeigt. Serge Koch zeigt seine Kunst in der Negativfot­ografie, Jean Theisen lässt derweil die Spiegelung von Weiden und Bäumen in Gewässern vibrieren. Und Stefan Seffrin zeigt in seiner konzeptuel­len Fotografie die von ihm geschaffen­e Figur „Der Psychonaut“in einer grell leuchtende­n Kirmes, ein weißer Anzug, auf dem Kopf ein Helm mit Antenne, Ohren und hypnotisie­renden Auge.

 ?? ?? Skulpturen sind in der Ausstellun­g etwas weniger vertreten. Hier eine Holzskulpt­ur von Fabiene Goerens, „Meng Huesen“.
Skulpturen sind in der Ausstellun­g etwas weniger vertreten. Hier eine Holzskulpt­ur von Fabiene Goerens, „Meng Huesen“.
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Von Marie-France Philipps „Allover Delft Koi“(links) und von Silke Aurora „Clear Blue“(rechts).
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„Kingdom Come“von Jeff Dieschburg (l.), der einen Förderprei­s gewonnen hat, und „I without I and I“von Raphael Tanios.
 ?? ?? „Birds are born to fly“von Sophie Pirot zeigt ausgebilde­te Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg, die nicht zum Einsatz durften.
„Birds are born to fly“von Sophie Pirot zeigt ausgebilde­te Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg, die nicht zum Einsatz durften.

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