Die Frage nach dem Geld
Nach dem Rücktritt des Präsidenten ist die personelle und finanzielle Zukunft von Jeunesse offen
Ist die Ära der Griechen bei der Jeunesse nun vorbei oder nicht? Nach dem überraschenden Rücktritt von Präsident Manthos Poulinakis bereitet sich Luxemburgs Fußball-Rekordmeister wieder einmal auf einen Neuanfang vor. „Es haben schon viele Präsidenten aufgehört“, erklärt Vorstandsmitglied Marc Theisen, „aber die Jeunesse lebt weiter“.
Poulinakis hatte sein Amt als Vereinsoberhaupt und Investor im Juli 2020 angetreten. Die gesteckten sportlichen Ziele hatte die Mannschaft seitdem allerdings verfehlt. „In letzter Zeit haben mich familiäre und berufliche Verpflichtungen dazu gezwungen, weit weg vom Team zu sein. Ich glaube, dass Jeunesse einen Präsidenten braucht, der täglich anwesend ist“, wird der Grieche in einer Mitteilung zitiert.
Dass Poulinakis den Aufwand rund um sein Amt beim Escher Club unterschätzt haben könnte, deutet Marc Theisen zumindest an: „Es gibt verschiedene Arten, einen Verein zu führen. Viele Präsidenten in Luxemburg sind zugleich Mäzen. Und als Gegenleistung
möchten sie sehen, was mit ihrem Geld passiert. Das war mit Jean Cazzaro so (vorheriger Präsident, Anm. d. Red.) und jetzt auch. So eine Position ist fast wie ein Beruf.“
Die große Frage ist nun nicht nur, wer Poulinakis' Posten künftig bekleidet, sondern vor allem, was mit dessen Geld passiert. Denn der Grieche will sich nicht gänzlich zurückziehen, sondern Vereinsmitglied bleiben. Und auch die rechte Hand des Präsidenten, Landsmann Panos Katsaitis, möchte offenbar als CEO im Amt bleiben.
Verschiedene Meinungen
„Ich bin immer noch Vizepräsident“, stellt Katsaitis klar. „Der finanzielle Aspekt wird sich nicht ändern, es ging nur um den Präsidenten. Wir konzentrieren uns jetzt auf das Sportliche, weil wir für die nächste Saison ein Team aufstellen müssen.“
Theisen hingegen ist bei diesem Thema vorsichtiger. Dass Poulinakis den Rekordmeister künftig in gleichen Maße unterstützen wird, sei zumindest zweifelhaft. „Wir können uns kaum vorstellen, dass ein Präsident, der sich zurückgezogen hat, einer der Hauptsponsoren des Vereins bleibt. Das müssen wir realistisch sehen. Und dafür müssen wir natürlich Ersatz finden.“
Der Anwalt und ehemalige COSL-Präsident (1999 bis 2012) räumt ein, dass der Rücktritt nicht aus heiterem Himmel kam: „Es war ein Prozess, der sich über Wochen oder sogar Monate abgezeichnet hatte.“Auch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden finanziellen Schwierigkeiten
für Sportvereine hätten dabei eine Rolle gespielt.
Entsprechende Abschiedsgerüchte hatte Katsaitis im Namen seines Vorgesetzten noch Ende April dementiert. „Wir gehen davon aus, dass wir nun umstrukturieren und unsere Zielsetzung ändern müssen“, kündigt Theisen an. Schon in den kommenden Tagen will die Jeunesse Fakten schaffen.
Bereits Klarheit besteht in der Frage nach der fehlenden UEFALizenz. Laut einer Mitteilung von gestern habe der Rekordmeister gar keinen Antrag gestellt. „Weil wir sowieso nicht für den Europapokal qualifiziert sind und das Aufstellen des Dossiers mehr kostet als eventuelle Zuschüsse von der UEFA, hat der Vorstand entschieden, diese Prozedur auf Eis zu legen“, heißt es.
An den Möglichkeiten für die kommende Saison ändere sich nichts. Jeunesse könne ganz normal in der BGL Ligue spielen und sich auch fürs internationale Geschäft qualifizieren. Theisen: „Innerhalb der nächsten 14 Tage muss das neue Gerüst stehen. Damit wir wissen, wie die Jeunesse in die nächste Saison oder sogar die nächsten Jahre gehen wird.“