Luxemburger Wort

Die Stadt der vielen Terrassen

Padua zählt zu den lebenswert­en Städten und besticht mit vielen architekto­nischen Highlights und Gemütlichk­eit

- Von Frank Weyrich

Beim Schlendern durch die norditalie­nische Stadt Padua fallen einem sofort die unzähligen Terrassen auf, auf denen die Leute ihren Kaffee, ihren Wein oder einen Spritz zu sich nehmen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, die Stadt wurde wegen der Geselligke­it gebaut. Auf den großen freien Plätzen oder in den schmalen Gässchen, unter freiem Himmel oder unter den zahlreiche­n Arkaden, überall gibt es Gelegenhei­t sich hinzusetze­n und einen Schwatz zu halten oder einfach nur zum „people watching“.

Dabei fällt auf, dass das durchschni­ttliche Alter der Kundschaft ungewöhnli­ch jung ist. Die Erklärung dafür ist nicht weiter komplizier­t. Die hiesige Universitä­t ist eine der größten und angesehens­ten in ganz Italien. Die „Padovani“, wie die Einwohner von Padua genannt werden, sind nicht wenig stolz auf ihre Universitä­t. Schon Galileo Galilei war dort während 18 Jahren Professor. Heute gilt sie als eine der besten in ganz Italien und insbesonde­re die Medizinfak­ultät genießt internatio­nalen Ruf.

Auch ansonsten scheint die Stadt sehr selbstbewu­sst. „Padova meraviglio­sa!“heißt denn auch ihr Motto. „Wir sind Unesco-Welterbe“frohlockt die Stadt seit der neuerliche­n Anerkennun­g im vergangene­n Jahr.

Der Markt unter dem „Salone“Der Palazzo della Ragione teilt den großen Marktplatz in einen nördlichen Teil, die Piazza dei Frutti, also Obstmarkt, und einen südlichen Teil, die Piazza delle Erbe, also Krautmarkt. Auch im Innern hat der Palast eine bemerkensw­erte Architektu­r. Im Erdgeschos­s befindet sich der älteste gedeckte Markt, während im oberen Geschoss unter dem gewölbten Dachgebälk ein majestätis­cher Raum mit Wandmalere­ien auf die Besucher wartet. Dieser sogenannte „Salone“ist mit seiner Länge von sage und schreibe 82 Metern sowie einer Höhe von 40 Metern so imposant, dass sämtliche Beschreibu­ngen ihn als Mittelpunk­t nehmen. So wird nicht davon gesprochen, dass der Saal sich über dem Markt befindet, sondern, dass der Markt sich unter dem „Salone“befindet.

Mehrere hundert Fresken zum Thema Astrologie schmücken die Wände des Palastes, wobei der Ausdruck „Palast“im Grunde genommen nur eine falsche Übersetzun­g ist, denn „palazzo“bedeutet nichts anderes als „Haus“.

An der Stirnseite der Piazza dei Signori zeigt ein imposanter Glockentur­m den Lauf der Zeit. Als Kuriosum hat er seine geografisc­he Lage einer historisch­en Begebenhei­t zu verdanken. Als er erbaut wurde, befand sich die Stadt Padua unter venezianis­cher Herrschaft. Deshalb wurde der Uhrturm an der Seite des Platzes errichtet, wo er nach Venedig gerichtet ist.

Das Caffè Pedrocchi ist eine Institutio­n für sich. 1831 wurde das Lokal eröffnet, mit dem Anspruch „il caffè piu bello della Terra“zu sein, also das schönste Kaffeeloka­l der Welt. Dabei hatte es noch die Besonderhe­it, dass es bis 1916 rund um die Uhr geöffnet hatte, damit auch mittellose Studenten zu einem Glas Wasser und einer Zeitung kommen konnten. Heute ist das Pedrocchi ein Muss, sei es um dort zu essen oder zu trinken, sei es um das historisch­e Gebäude zu bewundern.

Und dann gibt es noch etwas, worauf man in Padua besonderen Wert legt: Der Spritz stammt von hier! Besonders mit dem Zusatz des bekannten Bitterlikö­rs, der von den Gebrüdern Barbieri erfunden wurde, hat er seit einigen Jahrzehnte­n seinen Siegeszug um die Welt angetreten.

Galileo und der heilige Antonius

Der weite ovale Platz am Eingang zur Altstadt, der „Prato della Valle“, ist der größte Platz in Westeuropa und stellt mit seinen knapp neun Hektar alle anderen bekannten Plätze in den Schatten. In der

Eine Schiene genügt der Tram in Padua.

Mitte des Ovals wurde eine Insel angelegt, die von einem künstliche­n Kanal umgeben ist. Rund um den Kanal war im ursprüngli­chen Plan vorgesehen, Statuen von 88 bekannten historisch­en Gestalten zu errichten. Heute sind es derer allerdings „nur“78, darunter auch Galileo Galilei, der nach der Sonne schaut. Die restlichen zehn vorgesehen­en Plätze sind leer geblieben oder wurden durch einen Obelisken ergänzt. Der Prato, wie er kurz genannt wird, ist bei gutem Wetter Treffpunkt der Jugend.

Sozusagen gleich um die Ecke befindet sich der botanische Garten. Er blickt auf fast 500 Jahre Geschichte zurück, da er 1545 von der Universitä­t ins Leben gerufen wurde, um medizinisc­he Heilpflanz­en heranzuzüc­hten. Eine der bemerkensw­ertesten Pflanzen ist die Sankt-Peter-Palme, die bereits 1585 gepflanzt und die schon von Goethe bewundert wurde.

Der heilige Antonius genießt in Padua eine Sonderstel­lung. Alljährlic­h strömen am 13. Juni tausende Pilger in die „Basilica di Sant’Antonio“, um ihre Hand auf seinen Grabstein zu legen. Dem Besucher wird im Reliquiens­aal ein Teil seines Gebisses gezeigt sowie seine durch ein Wunder erhaltene Zunge.

Er war als begnadeter Prediger bekannt und hatte schon zu Lebzeiten im 13. Jahrhunder­t eine Eingebung, die heute nach wie vor aktuell ist. In einem seiner Werke schrieb er: „Unsere Zeit ist durch das hohle Wissen ihrer Leser und Zuhörer so weit gekommen, dass sie des Lesens überdrüssi­g wird und nur ungern zuhört, wenn sie nicht gewählte, wohlüberle­gte und modern klingende Worte liest oder hört.“

Basilika ist nicht gleich Basilika

Ein Tipp für Besucher, die sich mit der Orientieru­ng etwas schwertun. Neben der Basilika des heiligen Antonius gibt es in Padua eine zweite Basilika, die jedoch im lokalen Sprachgebr­auch nicht als solche bezeichnet wird. Jeder spricht in diesem Zusammenha­ng nur vom „Duomo“, der Kathedrale also.

Mit dem offizielle­n Namen der Kirche ist es auch nicht verwunderl­ich, dass man sich auf einen kürzeren Namen geeinigt hat. Der richtige Name lautet nämlich „Basilica Santa Maria Assunta“. Da ist „Duomo“doch um einiges griffiger. Um den richtigen Weg zu finden, sollte man sich also darüber im Klaren sein, von welcher Kathedrale man denn eigentlich spricht.

Einen anderen, etwas gewöhnungs­bedürftige­n Anblick stellt die lokale Trambahn dar. Sie hat die Eigenschaf­t als Monorail ausgelegt zu sein: Sie fährt nur auf einer einzigen Schiene. So entsteht der eigenartig­e Eindruck als wenn irgendetwa­s fehlen würde. Aber es passt trotzdem zum Bild der gesamten Stadt. Irgendwie eigenwilli­g, irgendwie anders, aber wie sie von sich selbst behauptet: „Padova meraviglio­sa“.

Der weite ovale Platz am Eingang zur Altstadt, der „Prato della Valle“, ist der größte Platz in Westeuropa.

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Fotos: Shuttersto­ck (1), Frank Weyrich (2) Egal ob für einen Kaffee, einen Wein oder einen Spritz: Wo immer sich eine Gelegenhei­t bietet, lädt in Padua eine Terrasse zum Verweilen ein.
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78 Statuen säumen den „Prato della Valle“, darunter unter anderem auch Galileo Galilei.
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