Oligarchen-Geld „on the rocks“
2,5 Milliarden Euro russisches Vermögen hat Luxemburg in den ersten Kriegswochen aufgespürt und eingefroren
Wie die EU-Kommission am Mittwoch bekanntgab, ist bislang ein Vermögen von 9,89 Milliarden Euro von sanktionierten russischen Oligarchen in der Union eingefroren. Bereits in den ersten fünf Wochen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine waren russische und belarussische Vermögenswerte im Gesamtumfang von 29,5 Milliarden Euro eingefroren, darunter Vermögenswerte über 6,7 Milliarden von Oligarchen wie Boote, Hubschrauber, Immobilien oder Kunstwerke. Darüber hinaus wurden Transaktionen mit einem Volumen von rund 196 Milliarden Euro blockiert.
In Luxemburg wurden laut Finanzministerin Yuriko Backes und Justizministerin Sam Tanson in den ersten Kriegswochen 2,5 Milliarden Euro russischer Vermögenswerte eingefroren. Weitere Zahlen veröffentlicht das Finanzministerium am Monatsende. Bei der genannten Summe handelt es sich um Bankguthaben sowie um Kapitalanteile von sanktionierten Personen oder Einrichtungen. Im Luxembourg Business Register (LBR) wurden 86 Gesellschaften aufgespürt, die mit elf verschiedenen natürlichen Personen in Verbindung standen, die auf der Sanktionsliste stehen.
Details gibt das Finanzministerium nicht bekannt, unter anderem aus Gründen des Datenschutzes. Auch sanktionierte Oligarchen genießen Rechte. Sie sind keine verurteilten Straftäter – und ihr Vermögen ist zwar blockiert, aber nicht beschlagnahmt oder enteignet. „Alle Sanktionen der EU stehen in vollem Einklang mit den Verpflichtungen aus dem Völkerrecht und achten die Menschenrechte und die Grundfreiheiten“, teilt Brüssel dazu mit. Der Oligarch Michail Fridman hat angekündigt, gegen die Sanktionen vor dem EU-Gerichtshof klagen zu wollen. Bislang hat er es nicht getan.
Blockierte Vermögen und blockierte Geschäftsfähigkeit
Die EU-Sanktionen müssen als Rechtsakte von allen Bürgern und Unternehmen der EU beachtet werden, sobald sie erlassen werden – sie haben unmittelbare Rechtskraft in den Mitgliedsstaaten – und gelten übrigens auch für EU-Bürger, wenn sie sich nicht in der EU aufhalten. Verstöße gegen Sanktionen ziehen empfindliche Geld- oder auch Gefängnisstrafen nach sich.
„Einfrieren“von Vermögenswerten bedeutet gemäß den EUVorgaben, dass die Verwendung wirtschaftlicher Ressourcen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verhindert wird. Eingefrorene wird ein Vermögensgegenstand, damit er vorübergehend nicht mehr verkauft, vermietet, belastet oder anderweitig als Einkommensquelle genutzt werden kann.
„Darüber hinaus“, erklärt die EU-Kommission, „gilt für die gelisteten Personen und Organisationen auch ein sogenanntes Bereitstellungsverbot. Das bedeutet, dass den gelisteten Personen weder Gelder noch wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen.“Es dürfen also keine Geschäfte mehr mit den Personen auf der Sanktionsliste gemacht werden. Die eingefrorenen Vermögenswerte gehören gleichwohl noch immer ihren Eigentümern, auch wenn sie vorübergehend darüber keine unbeschränkte Verfügungsgewalt mehr haben. Beispiel: Seine Villa kann weiterhin der sanktionierte Eigentümer bewohnen, er darf sie aber nicht vermieten, verkaufen oder eine Hypothek auf sie aufnehmen. Wobei das Bewohnen im Falle russischer Staatsbürger und Immobilien in der EU auch nicht möglich ist, da die Sanktionen für Russen ebenfalls ein Ein- und Durchreiseverbot in oder durch das Gebiet der EU bedeuten.
Zusammen mit den Sanktionen, die nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 und der Nichtumsetzung der Minsker Vereinbarungen gegen Russland verhängt worden sind, hat die EU insgesamt 80 Organisationen und 1 091 Einzelpersonen mit Sanktionen belegt.
Ob inzwischen weitere Vermögenswerte sanktionierter Personen und Unternehmen aufgespürt wurden, wird nun bald kommuniziert. Erschwert wird das Entdecken dadurch, dass die Vermögensverhältnisse
von den Betroffenen durch komplexe Unternehmensstrukturen verschleiert werden. Das macht das Einhalten der mehrfach verschärften Sanktionen auch für Unternehmen in der EU zu einer Herausforderung. Der inzwischen inhaftierte russische Oppositionelle und Korruptionsbekämpfer Alexej Nawalnij hat jahrelange Vorarbeit geleistet und mit seiner 2021 vom russischen Staat als „extremistische Organisation“aufgelösten „Anti-Corruption Foundation“zusammengetragen, wo russische Oligarchen, Politiker und Beamte Vermögen verstecken. Darunter einige mit Vermögenswerten in Luxemburg. Komplizierter
wird es dann noch, wenn Personen wie der Luxemburger Ehrenkonsul Wladimir Jewtuschenkow zum einen zwar auf der Sanktionsliste von Australien und Großbritannien stehen, nicht aber auf denen der USA oder der EU. Darüber hinaus wird versucht, Verbindungen zu sanktionierten Personen und Gesellschaften zu verschleiern. Die im Großherzogtum 2014 gegründete Zweigniederlassung der zyprischen RCB-Bank gehörte just bis zum russischen Angriff auf die Ukraine mehrheitlich der inzwischen sanktionierten russischen staatlichen VTB-Bank – seitdem gehört das Mutterhaus zyprischen Gesellschaften.
Als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine hat die EU als Sanktionspaket Maßnahmen gegen Einzelpersonen erlassen, aber auch Wirtschaftssanktionen gegen Unternehmen und Branchen.
Gegen Einzelpersonen und Branchen
Die individuellen Sanktionen richten sich gegen Personen, die für die Unterstützung, Finanzierung oder Durchführung von Handlungen verantwortlich sind, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder davon profitieren. „Mit den Wirtschaftssanktionen soll dafür gesorgt werden, dass Russlands Handlungen schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen und die Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression wirksam vereitelt werden“, so der Rat der Europäischen Union. Dazu gehört das Verbot des Exports von Gütern und Technologien, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie verwendet werden. Versicherungs- und Wartungsdienstleistungen sowie technische Hilfe im Zusammenhang mit diesen Gütern und Technologien sind ebenfalls verboten.
Dies bedeutet, dass russische Fluggesellschaften keine Luftfahrzeuge, Ersatzteile oder Ausrüstungen für ihre Flotte kaufen und die erforderlichen Reparaturen oder technischen Inspektionen nicht durchführen können, so die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit, der zufolge rund drei Viertel der derzeitigen kommerziellen Luftfahrtflotte Russlands in der EU, den USA oder Kanada hergestellt wurde. Zudem gilt ein Importverbot für Eisen- und Stahlerzeugnisse aus Russland. Lieferverträge, die vor dem 16. März geschlossen wurden, dürfen nur noch bis Mitte Juni erfüllt werden. Darüber hinaus wurden sieben russische und drei belarussische Banken von Swift ausgeschlossen und können seitdem über das Kommunikationsnetzwerk keine internationale Zahlungen mehr tätigen oder erhalten. Insgesamt sind rund 70 Prozent des russischen Bankenmarktes vom Kapitalmarkt abgeschnitten. Transaktionen mit der russischen Zentralbank im Zusammenhang mit der Verwaltung von Reserven und Vermögenswerten sind ebenfalls untersagt. Die „eingefrorenen“internationalen Reserven Russlands belaufen sich auf rund 579 Milliarden Euro. Wie viel dieser russischen Auslandsvaluta in der EU verwahrt werden, wurde nicht bekanntgegeben.
Überlegungen, eingefrorene russische Devisenreserven zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg zu verwenden, würden eine Beschlagnahmung voraussetzen. Ob das möglich ist, wird immer intensiver diskutiert, von Juristen vielfach aber auch bezweifelt – Zentralbankreserven, so die mehrheitliche Auffassung, sind als hoheitliche Gelder immunitätsgeschützt. Beim Oligarchenvermögen ist es ähnlich. Eine Enteignung würde eine strafrechtliche Verurteilung voraussetzen.