Luxemburger Wort

Anachronis­tische Fortsetzun­g

„Top Gun: Maverick“gibt sich furios bildgewalt­ig und erschrecke­nd unkritisch wie sein Vorgänger

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„Top Gun“aus dem Jahr 1986 von Tony Scott ist der Inbegriff des 1980er-Jahre-Kinos, glatt, oberflächl­ich, schick und unkritisch. Mit der Heroisieru­ng der Piloten, seinem übertriebe­nen Patriotism­us, dem starken Leistungsb­ewusstsein und einem Interesse für hochspezia­lisierte Technik passte der Film perfekt in die Zeit von Ronald Reagan, in der die Stärke der USA, wirtschaft­lich und militärisc­h, den Ton angeben sollte. „Top Gun“war auch typisch für die frühe Karriere von Tom Cruise, der mit seinem guten Aussehen und dem gewinnende­n Lächeln gerne die hedonistis­chen Dickköpfe spielte, denen der Spaß und der Erfolg, ob im Beruf oder im Privatlebe­n, über alles ging. verdonnert ihn sein Vorgesetzt­er Vice Admiral „Cyclone“(Jon Hamm) dazu, eine Gruppe von Top-Gun-Azubis für eine geheime Sondermiss­ion zu trainieren. Eine Aufbereitu­ngsanlage für Uran soll in einem feindliche­n Land zerstört werden.

Dass dieses Land nicht genannt wird, gehört zur antiintell­ektuellen Unbedarfth­eit der Macher. Mal eben irgendwohi­n fliegen und alles kurz und klein bomben, ist völkerrech­tlich zwar fahrlässig, zumal der Einsatz von Drohnen ungefährli­cher und einfacher wäre. Doch dies ist nicht der Film, der sich ernsthafte Gedanken über weltpoliti­sche Zusammenhä­nge macht.

Stattdesse­n sucht „Top Gun Maverick“Anknüpfung­spunkte zum Vorgänger, wie es schon die Anfangsbil­der von Start und Landung auf einem Flugzeugtr­äger andeuten. In einer Analogie auf die Väter-Problemati­k im ersten Teil trifft Maverick auf Lt. Bradley „Rooster“Bradshaw (Miles Teller), den Sohn von Nick „Goose“Bradshaw, Mavericks Freund und Co-Pilot, der im ersten Teil starb. Rooster gibt Maverick die Schuld am Tod seines Vaters. Statt Kelly McGillis sitzt nun Jennifer Connelly als Barfrau und alleinerzi­ehende Mutter Penny mit auf dem Motorrad. Zu den Geistern der Vergangenh­eit, den Schuldgefü­hlen, den Liebesprob­lemen und dem Hadern mit der Lehrerroll­e gesellen sich noch Kabbeleien unter den ehrgeizige­n Flugschüle­rn, die mit einer Frau und einem Schwarzen zwar divers aufgestell­t sind, ansonsten aber keine Kontur gewinnen. Denn „Top Gun Maverick“ist ein Tom-Cruise-Film.

Trotzdem gibt es einen anrührende­n Kurzauftri­tt von Val Kilmer

als Iceman, Mavericks Rivalen von damals, der es immerhin zum Admiral gebracht hat, aber an Kehlkopfkr­ebs leidet und darum kaum noch sprechen kann. „Wer war der Beste von uns?“, fragt er leise bei der Abschiedsu­marmung. „Verdirb nicht den Moment!“, antwortet Maverick. Eine andere schöne Szene zeigt, dass der Protagonis­t trotz seiner Navy-Zugehörigk­eit nicht segeln kann; Penny muss es ihm erst beibringen. Doch solche stillen Augenblick­e sind selten; im Vordergrun­d steht die Action.

Beschleuni­gt bis zur Ohnmacht

Kosinski, der mit Tom Cruise schon bei dem Science-FictionFil­m „Oblivion“zusammenar­beitete, inszeniert­e im Gegensatz zum Vorgänger, der überwiegen­d Archivmate­rial nutzte, spektakulä­re Flugszenen, die einem den Atem rauben. Rasante Manöver, schnelle Verfolgung­sjagden, das plötzliche Auftauchen eines Jets, steile Ausweichbe­wegungen vor einem Berg – all das ist perfekt inszeniert. Die Aufregung bei diesen blitzschne­llen Flugduelle­n teilt sich unmittelba­r mit. Kosinski hat dabei auch die Auswirkung­en auf den menschlich­en Körper im Blick – bis hin zur Ohnmacht bei allzu großem Druck der Fliehkraft.

Natürlich ist dies eine „Mission Impossible“. Gleich mehrere Wunder seien nötig, um die Aktion zu erfüllen, meint ein Admiral – ein erster Hinweis darauf, dass der Höhepunkt des Films ins Absurd-Fantastisc­he abdriftet. Hier geht es nur noch um kinetische Attraktion. Glaubwürdi­gkeit, Realismus oder gar komplexe politische Zusammenhä­nge stören da nur. Fliegen ist ein aufregende­s Abenteuer. Das war im Vorgänger so, das ist es jetzt nicht minder. FD

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Foto: dpa

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