Luxemburger Wort

Undankbare­r Job

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Viel Stress, enorme Verantwort­ung, Überstunde­n und jede Menge Kritiker: Verlockend klingt die Stellenbes­chreibung eines Rennleiter­s in der Formel 1 nicht. Es handelt sich eher um einen der undankbars­ten Jobs überhaupt. Kein Wunder, dass die schwierige Suche nach geeigneten Kandidaten nun auch den Präsidente­n des Motorsport­Weltverban­des FIA auf den Plan gerufen hat.

Mohammed Ben Sulayem schlägt vor, Rallye-Beifahrer zu Rennleiter­n auszubilde­n. Er möchte künftig einen größeren Pool an kompetente­n Leuten zur Verfügung haben, um das Personal im Laufe eines langen WMJahres auch mal wechseln zu können. Der FIA-Chef spricht aus Erfahrung. Er war früher selbst Rallye-Pilot. Das Organisati­onstalent der Beifahrer hat ihn offenbar so beeindruck­t, dass er ihnen auch eine anspruchsv­olle Anschlussk­arriere zutraut.

Tatsächlic­h täte die FIA gut daran, beim Thema Rennleiter auf ein gut durchdacht­es Rekrutieru­ngsprogram­m zu setzen. Denn bei einem Grand Prix geht nichts ohne einen versierten und nervenstar­ken Menschen, der so ein Rennwochen­ende mit unzähligen

Charlie Whiting wird noch immer schmerzlic­h vermisst.

Beteiligte­n und unterschie­dlichen Interessen ohne größere Kalamitäte­n über die Bühne bringt.

Die Personalkn­appheit zeigte sich neulich wieder vor dem Grand Prix in Miami. Die aktuellen Rennleiter, Niels Wittich und Eduardo Freitas, waren beide positiv auf Corona getestet worden. Gerade noch rechtzeiti­g zur USA-Reise wurden sie wieder negativ. Aber das hätte auch anders ausgehen können.

Charlie Whiting, der über 20 Jahre Renndirekt­or war, ist nun seit März 2019 tot. Aber noch immer wird der überrasche­nd verstorben­e Brite schmerzlic­h vermisst. Er hat eigentlich mehrere Jobs auf einmal erledigt und ist nicht eins zu eins zu ersetzen.

Sein Nachfolger Michael Masi hat es vergeblich versucht.

Seit dieser Saison sind mit Wittich und Freitas immerhin zwei Verantwort­liche am Werk. Zusätzlich wurde der 73 (!) Jahre alte Herbie Blash, der seit 2016 pensionier­te ehemalige Whiting-Assistent, aus dem Ruhestand zurückgeho­lt. Wittich und Freitas haben langjährig­e Erfahrung in unterschie­dlichen Rennserien und deutlich mehr Unterstütz­ung als zuvor Masi, trotzdem fanden die Ex-Weltmeiste­r Lewis Hamilton und Fernando Alonso Grund zu öffentlich­er Kritik. Künftige Rennleiter-Kandidaten werden sich gut überlegen, ob sie sich das antun wollen.

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von Andrea Wimmer

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