Luxemburger Wort

Eine Begegnung mit „Georg“

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Als Journalist bleibt einem kaum ein Winkel auf dieser Erde verborgen. Erst Jahrzehnte später wird einem so richtig bewusst, was man alles gesehen, über was man einst voller Ehrfurcht berichtet hat. Da war der Besuch auf den GalapagosI­nseln, jenseits der bewohnten Welt. Einmal in der Woche landet ein Flugzeug aus dem tausend Kilometer entfernten ecuadorian­ischen Guayaquil auf der schmalen Betonpiste des kleinen Eilandes Santa Cruz.

Nur wer sechs Monate vorher die Erlaubnis zum Betreten eines der letzten irdischen Paradiese beantragt hat, darf aussteigen. Mit dem Schiff geht es weiter zu der kleinen Insel Plaza sur y Norte. Auf der Darwin-Station begegneten wir dort den legendären Riesenschi­ldkröten, deren Urahnen vor Jahrhunder­ten hier eingewande­rt waren. Während die riesige Entfernung von den Küsten des amerikanis­chen Kontinents für aktive Schwimmer wie Seelöwen, Seebären und Pinguine kein unüberwind­liches Problem darstellte, hatten es die Schildkröt­en schwerer.

Sie können zwar nicht schwimmen, aber wenn sie ins Wasser geraten und abgetriebe­n werden, dümpeln sie wochenlang an der Oberfläche, ohne Schaden zu nehmen. Trotz ihres gigantisch­en Panzers sind Riesenschi­ldkröten außerorden­tlich behände. Auf ihren krummen, massiven Beinen nähern sie sich interessie­rt dem menschlich­en Besucher. Wenn sie mit ihrem runzeligen Kopf auf dem Reptilienh­als vorsichtig aus ihrem klobigen Rückenpanz­er auftauchen, erinnern sie an den liebenswür­digen Außerirdis­chen ET aus Steven Spielbergs gleichnami­gem Kinofilm.

Die stattliche­n Tiere werden zur Eiablage in die Station gebracht, um ihr Gelege vor Ratten und Schweinen in Sicherheit zu bringen. Von den bis zu sechs Zentner schweren Tieren leben – verteilt auf den Inseln des Galapagos-Archipels – noch etwa viertausen­d. Eine von ihnen war „Georg“. Bei unserer Begegnung war das Tier etwa hundert Jahre alt. Als „Georg“Jahre später starb, schaffte er es immerhin zu einer Nachricht in den internatio­nalen Zeitungen: Das älteste Lebewesen des Universums hatte diese Welt verlassen …

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Foto: Shuttersto­ck
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von Rainer Holbe

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